„Wenn’s dir selbst gut geht, ist das ein Umstand, in dem du erst mal nicht anfängst, dich über politische Sachen zu informieren. Ich selbst komme aus einer sehr privilegierten Position: Ich studiere Soziologie im siebten Semester und meine Eltern können mich bei der Miete unterstützen. Es gibt nicht viel, worüber ich mir Gedanken machen muss. Doch bei einer Sache sehe ich mich nicht in einer privilegierten Position: meiner Geschlechtsidentität. Ich bin nicht-binär, werde aber als weiblich gelesen. Das Thema ist für mich sehr anstrengend. Ich möchte Personen, die ich vielleicht nie wiedersehe, nicht immer sagen müssen: ‚Versuch es doch bitte mal ohne Pronomen.‘ Für mich ist es in erster Linie wichtig, zu wissen, wer ich bin. Die anderen lesen mich so, wie sie mich in dieser binären Geschlechterwelt wahrnehmen. Meine Identität wird mir nicht abgesprochen, aber viele sind wenig achtsam.
„Es wandelt sich gerade viel“
Am Anfang hatte ich viele Diskussionen, habe aber schnell gemerkt, dass gerade ältere Menschen sich nicht mit der Thematik auseinandersetzen möchten. Sie sind so sozialisiert, dass es Männer und Frauen gibt – nichts dazwischen. Sicherlich wandelt sich gerade viel. Das Thema findet mehr Anschluss in der Gesellschaft. Aber wenn Menschen etwas nicht selbst betrifft, kümmern sie sich auch oft nicht darum. Wenn man mich fragt, was sich in der Gesellschaft ändern müsste, würde ich mir einerseits wünschen, dass das Geschlecht einfach nicht mehr eine so große Rolle spielte. Auf der anderen Seite sehe ich, dass es beispielsweise für Trans-Personen sehr wichtig ist, wie sie wahrgenommen werden. Deshalb möchte ich nicht behaupten, das Geschlecht sei egal. Geschlecht ist etwas Identitätsstiftendes. In einer idealen Welt sollte jede Person die eigene Geschlechtsidentität für sich finden und so in der Gesellschaft akzeptiert werden. In meinem Studium kann ich mich mit solch zeitbezogenen, relevanten Themen beschäftigen. Sie bringen mich in meiner eigenen Entwicklung weiter. Ich lerne Dinge anzunehmen und mein eigenes Handeln zu hinterfragen.“