Leonie: „Heute habe ich die Wärmflasche wieder dabei“

Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Für SZENEzeigen fischen wir sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten. Diesmal sind wir Leonie begegnet
Leonie: „Vor genau vier Monaten saß ich das erste Mal hier.“ (©Katharina Stertzenbach)

„Ich habe BWL studiert, damit habe ich aber immer ein bisschen gehadert. Oft hatte ich das Gefühl, dass mich das nicht erfüllt, denn ich wollte immer irgendwas Sinnstiftendes machen. Nach meinem Master habe ich dann an der Charité in Berlin gearbeitet und vor einem Jahr bin ich dann nach Hamburg gezogen. Hier arbeite ich jetzt für ein soziales Start-up. Der Job vereint alles, was ich mir gewünscht habe. Wir entwickeln eine App rund um soziales Engagement und Ehrenamt. In der App können sich Initiativen präsentieren und über ihren Aufgabenbereich informieren. Und Menschen, die sich für ein Ehrenamt interessieren, können entsprechende Stellen suchen und finden.

Das ideale Ehrenamt

Ehrenamtliches Engagement war mir schon immer wichtig. Schon in meiner Schulzeit habe ich mich engagiert. Heute sitze ich ehrenamtlich hier im Zuhör-Kiosk in der U-Bahn-Station Emilienstraße. Wir sind ein Ort, zu dem alle kommen können. Meine Kollegen und ich hören dann einfach zu. Auf den Zuhör-Kiosk bin ich durch Instagram aufmerksam geworden. Diese ehrenamtliche Arbeit passt bei mir so gut, weil ich momentan auch eine berufsbegleitende Ausbildung zum systemischen Coach mache. Da ist das Zuhören eine Grundvoraussetzung und bei meiner ehrenamtlichen Arbeit lerne ich das aktive Zuhören noch einmal besser. Im Kiosk springe ich immer dann ein, wenn jemand anderes keine Zeit hat. Tatsächlich ist das heute erst meine zweite Schicht. Vor genau vier Monaten saß ich das erste Mal hier unten.

Sicherheit und Wärme

Wenn gerade keine Leute ans Fenster kommen, um mit mir Kontakt aufzunehmen, lese ich am liebsten in unserem ‚Buch der Begegnungen‘. In dieses kann jede Zuhörerin und jeder Zuhörer schreiben, wie ihre jeweilige Schicht so verlaufen ist und was sie erlebt haben. Und wir dokumentieren darin auch wie wir uns in der Situation gefühlt haben. Ich schrieb vor vier Monaten: ‚Meine allererste Schicht. Obwohl ich selten im Leben nervös bin, bin ich es heute. Mal schauen, was passiert. Ich habe mir eine Wärmflasche mitgenommen, die schenkt mir ein bisschen Ruhe.‘ Auch heute habe ich die Wärmflasche wieder dabei. Nervös bin ich jetzt aber nicht mehr. Ich freue mich, wenn gleich Leute ans Fenster kommen und das Gespräch mit mir suchen.“

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