Naseri: „Mein Sohn kennt mich nicht“

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Hamburg ist für Naseri ein Lebensretter gewesen. (Foto: Max Nölke)

Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Wir fischen sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten. Diese Woche sind wir Naseri begegnet.

Protokoll: Max Nölke

„Ich war kein normaler Mensch in Afghanistan, ich war Soldat. Ich habe dort gegen die Taliban gekämpft. Mit Anfang 20 bin ich in ein Camp in Pakistan gekommen, in dem wir ausgebildet wurden. Da ging es im Wechsel: eine Woche in den Kampf, eine Woche Training. Wenn du Pech hattest, bist du nicht wieder ins Camp zurückgekehrt. Was es so schwierig im Krieg macht, ist, dass du nicht erkennst, wer dein Feind ist. Da kommt ein junger Typ, der aussieht wie ich, mit der gleichen Kultur, trägt die gleichen Klamotten und auf einmal schlägt er zu. Es sind so viele Freunde um mich herum gestorben, dass wir sie irgendwann nicht mal mehr beerdigt haben, weil die Bomben ihre Körper zerfetzt haben.

Vor fünf Jahren bin ich geflohen. Meine Mama hatte ihren Goldschmuck verkauft und dadurch 12.000 Dollar zusammenbekommen. Das hat sie mir für die Flucht gegeben. Mit 30 anderen Menschen bin ich in den Iran gegangen, von dort in die Türkei und über Bulgarien und Serbien nach Hamburg gekommen. Mit 12.000 Dollar hätte ich in Afghanistan alles machen können – stattdessen bin ich hier.

Ich will nach Hause

Es ist eine verrückte Welt. Heute arbeite ich als Abspüler in einem Restaurant. Vielleicht werde ich demnächst Pakete ausliefern oder als Securityguard arbeiten. Im Januar ziehe ich endlich in eine neue Wohnung in Barmbek. Und ich bete zu Gott, dass ich meine Aufenthaltsberechtigung bekomme. Dann kann ich meine Frau und meinen Sohn hierherholen. Er ist jetzt sieben Jahre alt und kennt mich nicht. Vielleicht kann er ja Ingenieur oder Arzt werden.

Was ich in Deutschland gelernt habe, ist, die Dinge nicht zu schwer zu nehmen. Hier sagen die Menschen immer: ‚Stück bei Stück.‘ Und dann wird schon alles gut. Ich liebe die Leute hier. Die meisten waren sehr, sehr nett zu mir, das werde ich nie vergessen. Und keiner soll denken, wir wären hier, um Urlaub zu machen. Glaube mir, niemand von uns Afghanen wollte sein Land verlassen. Ich habe ein Haus in Kabul, eine Familie, Freunde, doch ich habe mein Leben dort aufgegeben und bin hier, weil ich überleben wollte.

Ich hatte viele Jahre ein richtiges Scheißleben, heute bin glücklich. Hamburg ist wunderschön, aber irgendwann will ich zurück nach Hause, in ein sicheres Afghanistan.“

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