Peppi: „Ich lebe seit 30 Jahren auf der Reeperbahn“

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Peppi lebt seit 30 Jahren auf der Reeperbahn. (Foto: Max Nölke)

Tagein, tagaus wirbeln knapp zwei Millionen Menschen durch Hamburg. Begleitet von hvv switch fischen wir sie für einen Moment aus ihrem Alltag und lauschen ihren Geschichten. Im Juni 2021 sind wir Peppi begegnet.

Protokoll: Max Nölke

„Mich kennt hier jeder. Ich lebe seit 30 Jahren auf der Reeperbahn. Ich habe gesehen, wie sie das Schmidt Theater neu gebaut haben, den Abriss vom Schwimmbad am Spielbudenplatz und wie die Esso Tankstelle verschwand. Ich habe das alles aus erster Reihe erlebt. Sogar die Polizisten kenne ich alle. Und sie mich. Ich glaube, ich bin ganz schön kompatibel, kann mich gut unterhalten. Mehr zwar nicht. Aber das reicht doch fürs Erste.

1969 bin ich geboren, meine Mutter hat mich 1971 an eine Adoptivfamilie abgegeben. Ich hatte Angst vor ihnen, weil sie mich geschlagen haben. Also bin ich abgehauen und auf der Straße gelandet. Meiner richtigen Mutter habe ich irgendwann verziehen. Meinen Adoptiveltern nie.

Das Leben auf der Straße ist okay, die Leute mögen mich. Momentan schlafe ich in der U3. Irgendwann kommt Hilfe. Das sage ich mir zwar seit einer Ewigkeit, aber ich glaube immer noch dran. Manchmal kam die Hilfe auch schon, aber dann habe ich wieder irgendeinen Fehler gemacht. Neulich hatte ich einen Job, da habe ich für „Zwischenstopp Straße“ gearbeitet. Dann habe ich was getrunken, jetzt sitze ich wieder hier. Sie haben mir daraufhin Dante weggenommen, meine französische Bulldogge. Bevor ich Dante bekommen habe, hatte ich einen Hund, der 17 Jahre bei mir gelebt hat. Sie war meine beste Freundin, immer an meiner Seite. Bis sie vor ein paar Jahren eingeschläfert werden musste.

Mit zwei Shetland Ponys an der irischen Küste

Meinen ersten Hund habe ich 1978 bekommen, ich weiß es noch genau, das war der schönste Tag in meinem Leben. Er hieß Asta, ich war neun und Asta war mein erster wirklicher Freund. Zu der Zeit habe ich noch bei meinen Adoptiveltern im Sauerland gelebt. Ich war jeden Tag mit Asta im Wald und er hat mir ein Gefühl gegeben, als würde er mich in den Arm nehmen und sagen „Ey Peppi, es ist alles gut!“

Aber wirklich gut ist es nur dann, wenn ich träume. Dann stelle ich mir vor, zwei Shetland Ponys zu haben und mit ihnen an der irischen Küste zu leben. Eins links, eins rechts und ich liege dazwischen im Gras. Mehr möchte ich gar nicht. Ich würde keinen Menschen vermissen, denn ganz ehrlich: Ich mag sie nicht. Es gibt tolle Menschen, aber ich kann mit ihnen nicht umgehen. Bei mir wurde eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt. Und obwohl ich mitten auf der Reeperbahn sitze, mich die Leute alle kennen, meine Brüder und Schwestern mich in den Arm nehmen, habe ich eine unheimliche Angst vor ihnen. Ich weiß, dass das paradox ist, aber ich habe so eine Angst vor Gewalt, das kannst du dir gar nicht vorstellen.

Dabei weiß ich ja eigentlich, dass mir keiner etwas tut. Ich tue ja auch keinem etwas. Vor mir braucht keiner Angst zu haben. Weil ich so groß und vielleicht manchmal auch ein bisschen komisch bin, haben das manche. Die meisten wissen aber, wie nett ich bin. Deswegen akzeptieren sie mich. Wollen wir noch eine rauchen, bevor du gehst?“

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