(2.1.) Kunst, Peter Keetman gestaltete Welten, Deichtorhallen, 11 Uhr

Im Haus der Photographie trifft die doppelbödige Dingfotografie Peter Keetmans auf Menschenbildnisse von Richard Avedon, Irving Penn und George Hoyningen-Huene. Unser Ausstellungstipp für den Montag

Im Haus der Photographie trifft die doppelbödige Dingfotografie Peter Keetmans auf Menschenbildnisse von Richard Avedon, Irving Penn und George Hoyningen-Huene. Unser Ausstellungstipp für den Montag

Eigentlich eines seltsame Kombination: Da wird das stille Werk des deutschen Industrie- und Experimentalfotografen Peter Keetman (1916-2005) zusammen mit drei Großmeistern der vor allem US-amerikanischen Mode- und Porträtfotografen in eine Halle gepresst – und das als nachgereichte Gratulation zu F.C. Gundlachs 90. Geburtstag, den dieser bereits im Juli begangen hat. Dazu muss man wissen: Die Stiftung des ehemaligen Modefotografen, des Sammlers und Gründungsdirektors des Hauses der Photographie betreut Teile des Keetman-Nachlasses. Und auch die drei Protagonisten der zweiten Schau liegen Gundlach besonders am Herzen, so dass sie durchgehend aus seinen Beständen bestückt werden konnte.

Ein wenig skeptisch beginnt man den Parcours – und hat sich schon nach den ersten Bildern in Keetmans so präzise wie sanfte und fast immer doppelbödige Dingfotografie verguckt. Öl- und Wassertropfen werden zu Tableaus. In der Schnittfläche einer Zwiebel entdeckte er maskenartige Züge. Und seine abstrakten Lichtkonstruktionen schuf er, indem er die Leuchtspuren schwingender Taschenlampen von Kameras aufnehmen ließ, die auf einem Grammofon kreisten.

Seine Aufnahmen sind den Sachen zugeneigt, dröge sachlich aber sind sie nicht. Auch nicht der legendäre Fotoessay „Eine Woche im Volkswagenwerk“ von 1953: Dort interessierten ihn vor allem Bauteile: ineinander geschichtete Stoßstangen, deren Formation an wabenförmig strukturierte Pflanzenteile erinnern, oder Reihen klaffender Kofferraumklappen, die einem gezahnten Krokodilmaul gleichen.

Auch sonst eröffnen Keetmans schwarzweiße Bildwelten fast immer eine zweite Bedeutungsebene. Technische Konstruktionen gleichen oft Naturhaftem: Ein Bündel von Stahlroheren wirkt ephemer wie eine Pusteblume. Und die Naturaufnahmen setzen häufig – etwa wenn zerstäubende Sandkörner aufglimmen wie ein Sternenhimmel – das Kleine mit dem ganz Großen in Bezug.

Keetmans Werk wäre es wert, im Kontext der Kunst seiner Zeit gesehen zu werden: der informellen Abstraktion, der kinetischen Kunst, der Op Art. Nicht weniger interessant wäre es, ihren Nachwirkungen nachzuspüren: bei den Panoramen Andreas Gurskys etwa oder den abstrakten Arbeiten von Wolfgang Tillmans.

Man hat sich noch nicht satt gesehen, da beginnt in der Mitte der südlichen Deichtorhalle die zweite, aus lauter Meisterwerken verdichtete Ausstellung. Hier stehen nicht mehr die Dinge im Mittelpunkt, sondern der Mensch: George Hoyningen-Huene (1900-1968) brachte ab den 30er Jahren einen sachliche Note in die bis dahin dominierende piktorialistisch-romantisierende Modefotografie. Er bevorzugte einen modernen Mannequintyp, den er kühl-mondän oder selbstbewusst und lässig in häufig sportlichen Posen fotografierte. Irving Penn (1917-2009) dagegen trieb ab den 40er Jahren etwa für die Vogue die grazile, taillebetonte, aber darunter und darüber aber auskragende Silhouette des New Looks auf die Spitze, während seine Promiporträts – etwa von Picasso oder Somerset Maugham – beinharte Psychogramme waren. Und Richard Avedon (1823-2004) inszenierte seine Auftragsporträts spektakulär, ließ etwa die nackte Nastassja Kinski von einer züngelnden Boa umschlingen. Für seine Fotostudie „In the American West“ dagegen spürte er prekäre Milieus der Reagan-Jahre auf und ließ etwa hinter dem rotzig-aggressiven Ausdruck eines flintenbewehrten Jungen dessen abgrundtiefe Traurigkeit aufscheinen.

Aber auch nach dieser Glanzparade der glamourösen bis entlarvenden Menschenbildnisse bleibt einem Keetmans stiller Blick auf eine, wie er es nannte, „zauberhafte, über die Maßen wundersame Welt“ eindringlich in Erinnerung. So kann man die Kombination der beiden disparaten Schauen am Ende durchaus als sinnvoll verstehen: als Gegenüberstellung zweier Pole der Schwarzweiß-Fotografie der Nachkriegsjahrzehnte. /Sabine Danek / Foto: Peter Keetman Selbstbildnis Stuttgart 1948. © Stiftung F.C. Gundlach

Peter Keetman: Gestaltete Welt und The Concept of Lines: Richard Avedon, George Hoyningen-Huene, Irving Penn, Haus der Photographie/Deichtorhallen, bis 12.2.

Deichtorhallen
2.1.17, ab 11 Uhr

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02. Januar 2017
05:38
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