Tea Addicts: Die Welt retten, aber erst mal Tee trinken

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Die Tea Addicts wollen die Welt verbessern – mit Tee. Auf der Suche nach der besten Ernte und passionierten Teeproduzenten reisen Stephan und Jürgen durch Afrika und Asien.


Betritt man den Laden der Tea Addicts im Hamburger Gängeviertel, brodelt mit
großer Wahrscheinlichkeit der Wasserkocher. Die Holzdielen knarren unter jedem Schritt, die unverputzten Wände versprühen den typischen rauen Gängeviertel-Charme, die Teetassen dampfen und duften. Während des Interviews wird die Reihe der Kännchen auf dem Tisch immer länger, Sencha folgt auf Oolong, Pu-Erh und Ceylon. Zu jedem der Tees können Stephan Suen und Jürgen Pitzschel, zwei Drittel der Tea Addicts, eine Geschichte erzählen. In den letzten zwei Jahren waren sie auf über 50 Plantagen, haben sich durch die Sorten probiert und die Arbeitsbedingungen genau ange- schaut – und dabei so manch skurriles Erlebnis gehabt.

SZENE HAMBURG: Stephan und Jürgen, warum Tee?

Stephan: Wir haben eine Vision für uns formuliert, als wir mit Tea Addicts angefangen haben. Jürgen hat dabei den Anstoß gegeben und gesagt: „Wir wollen mit Tee die Welt retten“ (lacht).
Jürgen: Also, zumindest ein Stückchen besser machen.

Ganz schön große Aufgabe. Wie wollt ihr das schaffen?

Stephan: Einmal beim Einkauf, und einmal auf der Bewusstseinsebene.
Jürgen: Tee wird häufig noch auf sogenannten geschlossenen Auktionen gehandelt, da geht es um den kleinsten Preis. Der weltweite Teehandel steckt zum Beispiel in Indien oder auf dem afrikanischen Kontinent noch in Kolonialstrukturen, auch bei Fair Trade und Bio gibt es immer wieder Skandale. Gütesiegel werden gekauft oder nach der Zertifizierung nicht ausreichend kontrolliert.

Wurdet ihr davon auch schon Zeugen?

Stephan: Was wir alles schon erlebt haben! Tore mit Stacheldraht zum Beispiel, und völlige Intransparenz. Das sagt eigentlich schon viel aus. Ich war vor ein paar Wochen in Georgien und bin mit einer Kamera zur Teeplantage gefahren. Als die Securities das Videoequipment gesehen haben, wollten die uns sofort wieder loswerden. Einer zog dann sein T-Shirt hoch und zeigte mir die Pistole, die er in den Hosenbund gesteckt hatte.

Was macht ihr anders als die anderen Teehändler?

Jürgen: Statt einfach nur anonym Tee zu kaufen, wollen wir die Menschen kennenlernen, die auf den Plantagen arbeiten, wollen sehen, wie die Teepflanzen angebaut und verarbeitet werden. Dadurch schalten wir nicht nur Zwischenhändler aus, sondern können auch die Menschen unterstützen, die umdenken.
Stephan: Ich war dieses Jahr auf einer Plantage in Malawi. Der Besitzer ist Mitte 30, schon sein Urgroßvater hat Tee angebaut – in der möglichst billigsten Produktion. Er möchte das aber so nicht mehr. Seitdem produziert er auf der Plantage transparent einen Biotee mit hoher Qualität und bezahlt seine Leute anständig.

Müssen also nur noch die Teekäufer überzeugt werden?

Stephan: Wir wollen nicht überzeugen, sondern begeistern. Man kann zwar auch mit Angst und Skandalbildern zum Umdenken anregen, wir möchten das aber durch Freude und Leidenschaft erreichen. Bei uns kannst du ein Produkt richtig erleben. Wir wissen genau, wer diesen Tee gepflückt und wer ihn getrocknet hat. Wir haben den Tee schließlich vor Ort gekauft. Außerdem stimuliert Tee den Dopamin- und Serotoninspiegel – er macht also einfach richtig gute Laune.

Hinkt die Teebranche in Deutschland hinterher?

Stephan: Mega!
Jürgen: Das ist auch eine Frage der Perspektive. Wenn man auf Hamburg schaut, dann auf jeden Fall. Hamburg ist eine Handelsstadt, die größte Teestadt in Europa. Hier sitzen einige große, weltweit agierende Firmen, die sich aber in den letzten Jahrzehnten kaum aus den überholten, festgefahrenen Strukturen bewegt haben. In Berlin zum Beispiel ist schon mehr Musik drin. Da haben wir mehr Gleichgesinnte gefunden, sind besser vernetzt. In Hamburg tun wir uns damit schwer.

Bei welchen Plantagen bezieht ihr denn euren Tee?

Stephan: Über die Zeit hat sich bei uns ein Muster herauskristallisiert. Zum einen sind das größere Betriebe, die schon seit Generationen Tee produzieren, und jetzt im Generationswechsel umdenken. Sehr häufig sind das aber auch kleine, familienbetriebene Plantagen. Da kommt in der Erntezeit noch die Nichte aus der Stadt, um mit anzupacken. Im Jahr werden dort vielleicht 200 Kilogramm geerntet, es ist also gar nicht darauf ausgelegt, tonnenweise Tee an Händler zu verkaufen. Es ist viel persönlicher. Wir wurden von diesen Familien schon zum Essen eingeladen, haben lange über unser Verständnis von Tee gesprochen, bevor wir dann eine kleine Menge mitnehmen durften.

Klingt aber auch so, also wären diese Betriebe ziemlich schwer aufzutreiben.

Stephan: Oft ist das reines Glück. Wir waren dieses Jahr in Südwest-China und haben eine der größten Plantagen für Oolong besucht. Es war zwar schön da, aber für uns einfach noch nicht das Richtige. Die Dame, die uns dort herumgeführt hat, holte uns einmal von einer Erkundungstour durch die Plantage ab, hat aber den Weg zurück zum Hotel nicht gefunden. Ein Freund von ihr, der dann ins Auto stieg, um uns zu helfen, war Teeproduzent. Ob das nun wirklich eine zufällige Begegnung war, sei mal dahingestellt.

Habt ihr dann auch Tee von ihm gekauft?

Stephan: Ja. Er hat uns mit zu seiner Familie zum Abendessen genommen, wir haben seine drei Brüder kennengelernt, die mit ihm den Tee anbauen. Die vier waren alle höchstens dreißig und hatten richtig Bock auf Tee. Und sie haben verstanden, was wir wollen, haben uns alle Türen geöffnet und uns alles gezeigt. Diese Offenheit findet man nicht durch eine Internetrecherche.
Jürgen: Es sind meistens die Begegnungen in der Hotellobby oder ein Gespräch mit dem Taxifahrer, die uns dann durch Glück zu den kleinen, unbekannteren Produzenten führen. Und das sind dann die Sweet Spots mit der richtig guten Qualität. Dort wird in kleineren Mengen produziert, die gar nicht auf Export ausgelegt sind und das Land dann meistens nicht verlassen.

Ihr wart schon viel unterwegs und habt wahrscheinlich hunderte Teesorten probiert. Welche schmeckt euch am besten?

Jürgen: Das ist immer abhängig von Laune, Wetter und Jahreszeit. In letzter Zeit habe ich viel weißen Tee getrunken, im Winter tendiere ich aber eher zu dunkleren Tees. Wenn mir jemand eine Pistole auf die Brust setzen und mich morgen auf die einsame Insel schicken würde, dann wäre es aber wahrscheinlich ein japanischer Sencha. Der nimmt auch nicht so viel Platz weg, da kann ich mehr mitnehmen (lacht).
Stephan: Ich würde einen Oolong mitnehmen.
Jürgen: Hoffentlich liegen unsere Inseln nebeneinander, dann hätten wir zwei gute Tees zur Auswahl und könnten tauschen. Per Brieftaube vielleicht?

Interview: Sophia Herzog
Fotos: Tea Addicts

Mehr Infos findet ihr auf der Webseite der Tea Addicts. Auf ihrem YouTube-Kanal stellen die Jungs außerdem die neusten Tees ihres Onlineshops vor und erzählen von ihren spannenden Reisen.

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Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, November 2018. Das Magazin ist seit dem 27. Oktober 2018 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich!
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