Die Privattheatertage sind in Hamburg mittlerweile eine feste Größe. Zwölf ausgesuchte Produktionen aus ganz Deutschland sind im Juni zu Gast. Jurymitglied und Schauspielerin Marion Elskis erzählt, warum es in diesem Jahr ein Festival der starken Frauen ist – obwohl nur zwei der Stücke von Regisseurinnen inszeniert wurden.
SZENE HAMBURG: Marion Elskis, Sie stehen bei den Privattheatertagen nicht selber auf der Bühne, sondern saßen in der reisenden Jury. Wie ist das, einmal selbst in die Rolle des Kritikers zu schlüpfen?
Marion Elskis: Wunderbar. Es hat wirklich großen Spaß gemacht, einmal nicht beurteilt zu werden, sondern selber zu beurteilen.
Wie viel Stücke haben Sie sich angesehen?
Ich war in einer von insgesamt drei Jurys, wir haben uns Klassiker beziehungsweise moderne Klassiker angesehen. Das waren insgesamt 24, verteilt in ganz Deutschland. Und wir durften nur vier davon einladen! Da waren wir uns nicht immer in allem einig.
Welche Klassiker haben es zum Festival in Hamburg geschafft?
„Buten vör de Döör“ von Borchert, eine Produktion vom Ohnsorg Theater Hamburg. Außerdem wird „Das Lächeln am Fuße der Leiter“ von Henry Miller aufgeführt, ein Einpersonenstück aus Dresden. Und „Die Liebe der kleinen Mouche“ ist zu Gast, vom Theater Waidspeicher aus Erfurt. Die Hauptrollen sind zwei Puppen, die von Schauspielern gespielt und gesprochen werden – eine ganz zarte, liebevolle Inszenierung. Puppentheater kommt hier immer gut an, letztes Jahr hat ein Stück mit Puppen auch den Publikumspreis gewonnen. Außerdem „Hamlet“ von Shakespeare in einer sehr besonderen Inszenierung vom Forum Theater Stuttgart.
Puppentheater verzaubert, vielleicht weil es die Menschen zurück in die Kindheit versetzt…
Das ist das richtige Wort. Ich war zwei Stunden lang verzaubert, versunken in dieser Geschichte. Ich freue mich aber auf alle Stücke sehr, es ist wirklich ein toller Spielplan geworden.
Warum sind die Privattheatertage so wichtig für Privattheater?
Um darauf aufmerksam weil es in vielen Städten und vor allem in Hamburg Privattheater mit sehr guten Stücken gibt. Für die ist unser Festival natürlich eine wahnsinnig gute Plattform.
Axel Schneider, der Initiator der Privattheatertage, sagte letztes Jahr bei der Eröffnung, die Theaterhäuser in Hamburg hätten sehr unter der Eröffnung der Elbphilharmonie gelitten. Hat sich daran etwas geändert?
Die Eröffnung der Elbphilharmonie war natürlich ein Publikumsmagnet. Und auch verständlicherweise. Das ist etwas Neues, das macht die Leute neugierig. Und wenn man den Preis für eine Karte in der Elbphilharmonie bezahlt, bleibt erstmal nicht so viel Geld für andere Kultureinrichtungen. Das haben wir natürlich zu spüren bekommen, aber sicherlich war das bei allen Theaterhäusern so, auch bei den staatlichen. Da gab es denke ich gar keinen Unterschied.
„Es gibt wenig Rollen für ältere Frauen zwischen 40 und 60“
Dieses Jahr wird der Monica-Bleibtreu-Preis zum siebten Mal verliehen. Warum fiel die Wahl bei der Benennung auf Frau Bleibtreu?
Um ihr ein Denkmal zu setzen. Sie war eine tolle Schauspielerin, die leider viel zu früh gestorben ist. Ihr Vater hatte ein Theater in Wien, sie war dem Privattheater auch immer sehr verbunden. Das war wahrscheinlich auch ein Grund für diese Wahl.
Braucht es mehr starke Schauspielerinnen wie Monica Bleibtreu?
Es gibt natürlich einige starke Frauen. Es kann aber nie genug geben!
Ihre Jurykollegin Tanja Müller sagte, dass die Privattheatertage dieses Jahr ein Festival der starken Frauen sei. Welche Stücke sind unter diesem Aspekt besonders hervorgestochen?
Das Stück „7 Minuten“. Der Chef einer Firma will in darin die Pause um sieben Minuten verkürzen. Die Frauen des Betriebsrates diskutieren dann darüber, jede mit ihrer eigenen Motivation und Argumentation. Ein sehr gutes Theaterstück mit starken Frauen. Auch interessant ist die Produktion von „Hamlet“. Die Hauptrolle wird von einem Mann gespielt, alle anderen Rollen von fünf Frauen. Klassische Werke sind ja nicht immer so leicht verständlich, aber dieses Stück hat sich sehr modern und aktuell an gefühlt. Es ist natürlich auch spannend zu beobachten, wie diese Frauen in verschiedene Rollen schlüpfen, aber das hatte wahrscheinlich auch einen Kostenspargrund. Womit wir wieder bei den Problemen des Privattheaters wären.
Klassische Stücke sind nicht bekannt für ihre progressive Geschlechteraufteilung. Braucht es neues Material, um Frauen in der Theaterwelt zu stärken?
Beides ist wichtig. Sowohl alte Stücke, die mutig neu inszeniert werden, als auch neue Werke. Die könnten auch gerne frauenlastiger sein, das wäre schön. Ich habe in der Vergangenheit öfter gedacht: „Typisch, jetzt gibt es schon wieder fünf Männerrollen und nur eine Frau.“ Deswegen habe ich mit einer Kollegin zusammen ein Zweipersonenstück, beide weiblich, geschrieben und in Hamburg und Berlin aufgeführt. Es braucht mehr Stücke dieser Art. Außerdem fällt mir immer wieder auf, wie wenig Rollen es für ältere Frauen gibt. Bis zu einem bestimmten Alter ist die Geschlechteraufteilung meistens sehr ausgewogen, aber das Angebot für Schauspielerinnen zwischen ungefähr 40 und 60 ist sehr dünn.
Wie kann man Frauen in der Theaterbranche noch weiter stärken?
Frauen sollten auch mal öfter den Mut haben, Regie zu führen. Dann würde sich das vielleicht von alleine ergeben, dass es mehr Rollen für Frauen gibt. Ich meine auch, wir haben jetzt bei den Privattheatertagen kaum Regisseurinnen. Ich zähle eben mal im Programm nach … Ja, es sind zwei von zwölf Stücken. Das ist schon bezeichnend. Wir Frauen sind außer dem immer so selbstkritisch. Dabei sollten wir einfach mal Mut haben und breitbeiniger auftreten!
Interview: Sophia Herzog
Beitragsfoto: Bo Lahola
Privattheatertage, 19.6.-1.7.18, www.privattheatertage.de
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Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Juni 2018. Das Magazin ist seit dem 26. Mai 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!