Theaterkritik: Der Club der toten Dichter im Altonaer Theater

Der Club der toten Dichter im Altonaer Theater ist dem filmischen Vorbild verhaftet
Das Internat als Disziplinierungsanstalt: „Der Club der toten Dichter“ (©G2 Baraniak)

Was tun, wenn die Fußstapfen, in die man treten soll, Übergröße haben? Das Riesenvorbild, um das es hier geht, ist das amerikanische Filmdrama „Der Club der toten Dichter“ (1989), in dem Robin Williams als Lehrer und Freidenker brilliert. Basierend auf dem oscarprämierten Originaldrehbuch von Tom Schulman zeigt das Altonaer Theater jetzt die Bühnenadaption in der deutschen Fassung von Joern Hinkel und Tilman Raabke. Um sich von der Vorlage abzuheben, wendet Regisseurin Lea Ralfs drei Strategien an, von denen zwei nur bedingt funktionieren. Erstens konzentriert sie sich ganz auf das Verhältnis der Eliteinternatsschüler zu ihrem neuen Englischlehrer John Keating (enervierend dynamisch: Tobias Dürr), der sie das Prinzip „Carpe diem“ lehrt.

Gelingt die Lösung vom filmischen Vorbild?

Allerdings gehen die ausgiebig zelebrierten Schüler-Lehrer-Szenen auf Kosten der hier nur angerissenen Liebes- und Freundschaftsgeschichten, die den Film auszeichnen, Frauen tauchen nur in Gestalt großer Puppen auf und auch der Selbstmord des Schülers Neil (überzeugend und wandelbar: Johan Richter) wirkt in der knappen Schilderung wenig dramatisch. Zweitens setzt die Inszenierung auf übersteigerte Gefühlsäußerungen, egal ob die Figuren Leid erleben (dann schreien sie aufeinander ein) oder glückliche Momente feiern: Da wird etwa die Schlüsselszene in der Höhle, wo der Geheimclub der toten Dichter wiederaufleben soll, durch das übertrieben alberne Gehabe der Mitglieder zur Lachnummer. Drittens, und diese Idee ist die stärkste, strukturiert Ralfs das Schauspiel durch Zwischenszenen, in denen die Schüler die Rolle eines monotonen Chors übernehmen. Wie disziplinierte Marionetten sitzen sie im Klassenraum, bewegen sich synchron und rezitieren unisono lateinische Deklinationen und mathematische Formeln. In diesem Refrain löst sich das Drama vom Vorbild, das es ohnehin nicht erreichen kann, und wird Theater.

Der Club der toten Dichter im Altonaer Theater, 8., 10., 11., 17.–19., 24.–26. Oktober 2024

Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 10/2024 erschienen. 

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