Landünner – eine Nacht am Ende der Welt
Text: Julika Pohle
Das Setting der Uraufführung von „Landünner – eine Nacht am Ende der Welt“ am Ohnsorg-Theater war eigentlich vielversprechend: Die Pension der alten Hertha (Meike Meiners) liegt auf einer Hallig, wo bei Sturm zuweilen das Land versinkt und dann nur noch die Warften (Wohnhügel) aus der Nordsee ragen. In einer solchen Nacht, in der die Grenze zwischen Mystischem und Realität verwischen kann, haben sich zwei Paare in der Herberge eingefunden, eines jung, sexy und auf der Flucht (Nadja Wünsche, Colin Hausberg), das andere im besten Alter, dröge und nordseeerfahren (Birte Kretschmer, Robert Eder). In diesem Rahmen und mit diesem Personal hätte sich ein Krimi, eine dramatische Geistergeschichte à la Theodor Storm oder aber eine Komödie erzählen lassen.
Leider verschenkt das erste Theaterstück, das der Krimi- und Drehbuchautor Hendrik Berg geschrieben und explizit dem Ohnsorg zugedacht hat, jede dieser Chancen, indem es von allem ein bisschen zusammenrührt. So ist denn auch die Inszenierung von Harald Weiler weder spannend (was das flüchtige Pärchen ausgefressen hat, ist schon vor der Pause klar), noch gruselig: Jedes Mal, wenn der Klabautermann erwähnt wird, zucken Blitze – und als Herthas toter Gatte plötzlich aus dem Friesenfliesen-Ofen kommt, wirkt das vor allem schräg. Zudem fehlt echter Nordsee-Humor, die Komik geht in Richtung Klamauk. Doch die hervorragenden Schauspieler machen op Platt das Bestmögliche aus dem Abend. Besonders Kretschmer legt ihre Rolle als treusorgende Ehefrau, Jugendversteherin und Ex-Kommunarde überzeugend an, während Eder die Entwicklung seiner Figur vom Hobbyfotografen zum Verführer glaubhaft gestaltet. Hausberg (selbstbewusst, leutselig) und Meiners (friesisch herb) müssen schmalzige Gesangseinlagen liefern, meistern diese Herausforderung aber beachtlich souverän.
Landünner im Ohnsorg-Theater noch bis zum 25. Mai 2024 zu sehen
Die Schattenpräsidentinnen
Text: Dagmar Ellen Fischer
Am Anfang war ein Anal-Abszess. Der hindert den Präsidenten der USA daran, sich sitzend in das Meeting mit einer internationalen Delegation einzufügen. Jene über andere erhabene, aufrechte Position indes irritiert die Teilnehmer eines arabischen Staats, ungünstig gepaart mit einer sprachlichen Entgleisung, der vermutlich kaum übersetzbaren Vokabel „hinterfotzig“. Was folgt, ist eine politische Krise. Daraufhin leitet eine rein weibliche assistierende Crew unmittelbar Beschwichtigungs- und Rettungsmaßnahmen ein, streckt jedoch den Präsidenten im Übereifer nieder. Nun müssen die Stabschefin, die Pressesprecherin, eine Sekretärin und die First Lady das Ruder übernehmen. Erschwerend hinzu kommen Ansprüche von des Präsidenten schwangeren Geliebten sowie das unerwartete Auftauchen seiner kriminellen Schwester und einer neugierigen Journalistin. Zusammen bilden sie „Die Schattenpräsidentinnen“.
Ergänzend heißt die deutsche Erstaufführung im Untertitel: „Hinter jedem großen Idioten gibt es sieben Frauen, die versuchen, ihn am Leben zu erhalten“. Die Idee: großartig. Trump und sein Umfeld als abschreckendes Modell vor Augen, schreibt eine kluge junge Frau – die US-Amerikanerin Selina Fillinger – ein mit beißendem Humor durchsetztes Drama, das am Broadway aufgeführt wurde. Die Umsetzung in Deutschland: miserabel. Fast 105 Minuten lang schreien und kreischen sieben Spielerinnen ihren Text Richtung Publikum, bewegen sich als völlig überzeichnete Figuren in grotesken Kostümen und Perücken in einer adäquat übertriebenen Körpersprache. Diese permanente Übersteigerung wirkt schon nach zehn Minuten ermüdend. Und sich auf die Gags draufzusetzen, macht sie nicht witziger. Der Stück-immanente, teils drastische Humor verpufft, sofern man über die bloße Erwähnung von „Blow Job“ oder aus Farbflaschen fließende Kotze noch lachen kann. „Wir sind am Arsch“ passt da schon besser zum Anstoß gebenden Dilemma der Story.
Schattenpräsidentinnen im Deutschen Schauspielhaus noch bis zum 31. Mai 2024 zu sehen
Diese Kritiken sind zuerst in SZENE HAMBURG 05/2024 erschienen .
Bearbeitet von: Julika Pohle.