Andreas Dorau und Gereon Klug haben ein Musical, ähm, eine musikalische Dramödie erschaffen: „König der Möwen“. Es geht um einen strauchelnden Plattenhändler, die Identitätssuche einer Band und eine moderne Scheinstadt. Die Macher im Kurzgespräch.
SZENE HAMBURG: Andreas und Gereon, was ist so schlimm am Begriff „Musical“?
Gereon: Unser Anliegen mit dem „König der Möwen“ ist es gar nicht, ein Anti-Musical oder Ähnliches zu machen. Wir haben ein Theaterstück geschrieben, in dem viel Musik vorkommt. Damit wird man beinahe automatisch zum Musical in der Einordnung. Ob Andrew Lloyd Webber oder Disney das Genre zu Tode formatiert haben, interessiert uns eher weniger.
„König der Möwen“ nennt ihr dennoch lieber eine „musikalische Dramödie“. Es geht um den taumelnden Plattenhändler Hans, der an der Gentrifizierung der Stadt zu scheitern droht …
Gereon: … und vor allem um eine Identitätssuche: Eine junge Band sucht ihr Ich, indem sie sich permanent häutet, während die Altvorderen in Gestalt von Hans und seinen Stammkunden versuchen, wiederum ihr Ich zu bewahren, obwohl HH-Marketing und die restliche Welt schon versuchen, dies auszuhöhlen und zu korrumpieren.
Andreas: Hans und die Band sind umzingelt vom Wahn, keine Lücken mehr zu lassen für nicht auswertbare Ideen, fürs Ausprobieren und fürs Sein ohne Geld.
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Hans wird irgendwann auch stückweise zum Gentrifizierer. Kennt ihr das Dilemma aus eigener Erfahrung?
Andreas: Ja, Hans geht auf den Deal ein, seinen Laden aus finanziell starken und moralisch schwachen Gründen in die HafenCity zu verlegen. Als Potemkinsches Dorf. Noch eine Fassade in der modernen Scheinstadt. Damit man zeigen kann, dass auch Subkultur berücksichtigt wird.
Gereon: Da geht es ihm wie jedem Kulturschaffenden: Irgendwann werden sie in die HafenCity das Dagegen auch professionell einbauen.
Was wäre denn, wenn man euch nach der Premiere einen der berühmten Musical-Schauplätze an der Elbe gegenüber den Landungsbrücken für eure Dramödie anbieten würde?
Gereon: Hans plant ja, die Möwe als Wappentier Hamburgs zu etablieren. Berlin hat den Bären, München den Löwen und Hamburg hat kein Tier. Wenn man ihm und uns einen Prachtbau in Form einer Riesenmöwe neben Blohm + Voss errichtet, nehmen wir das natürlich an …
Andreas: … und lassen ihn von allen norddeutschen Möwen zuscheißen.
Interview: Erik Brandt-Höge
Foto: Brigitta Jahn
9.8.18, Kampnagel, 19 Uhr (Premiere); Album „König der Möwen“ erscheint am 3.8. (Tapete)
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, August 2018. Das Magazin ist seit dem 28. Juli 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!
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