Ein Wahlhelfer erzählt: „Du hörst hundertmal den Satz: ‚Danke, dass ihr das macht.‘“

Ob Bundestag oder Bürgerschaft – ohne sie läuft bei den Wahlen nichts: Freiwillige, die am Wahltag die Stimmzettel ausgeben und am Abend auszählen. Ein Wahlhelfer über Motivation, Aufgaben und Wertschätzung
Ordnung muss sein: Gut organisierte Wahlhelferinnen und Wahlhelfer erleichtern allen Beteiligten die Abläufe im Wahllokal (©Foto: privat)
Nicht auf dem Museumsschiff „Peking“ im Einsatz, aber als Wahlhelfer: Malte (©Rebekka Küchler)

SZENE HAMBURG: Malte, gefühlt vor jeder Wahl werden Wahlhelferinnen und Wahlhelfer noch händeringend gesucht – was war deine Motivation, dich freiwillig für das Ehrenamt zu melden?

Malte Lembrecht: In der Tat, der Bedarf nach Freiwilligen ist enorm. Allein für diese Doppelwahl werden 30.000 Ehrenamtliche benötigt. Meine persönliche Motivation hängt viel mit meiner Herkunft zusammen: Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen. Dort ist das Ehrenamt ganz normaler Bestandteil des Zusammenlebens und wird einem im familiären und sozialen Umfeld vorgelebt und nicht weiter an die große Glocke gehängt. Das macht man so.

Wann und wie bist du Wahlhelfer geworden?

Als ich nach einigen Jahren im Ausland wieder nach Deutschland gezogen bin, war ich bei der Bundestagswahl 2017 das erste Mal stellvertretender Wahlvorsteher und seitdem war ich bei allen Wahlen in Hamburg dabei.

Mittlerweile bist du sogar Wahlvorsteher in einem Wahllokal in Eimsbüttel – welche zusätzlichen Aufgaben kommen in dieser Funktion auf dich zu?

Das Zeitintensivste ist sicher, die insgesamt sieben weiteren Freiwilligen – eine Stellvertretung, eine Schriftführung, eine stellvertretende Schriftführung und vier Beisitzende – zu suchen. Weitere vorbereitende Aufgaben sind Schulungen, Administratives und praktische Vorbereitungen im Wahllokal wie die Absprache mit dem Hausmeister an Schulen bezüglich des Zugangs. Das klingt jetzt viel, lässt sich aber in acht bis zehn Stunden bewältigen. Am Wahltag selbst kümmert man sich dann zusätzlich um Sonderfälle, die Auszählung, Dokumentation und das Aufräumen.

Lernst du dein Viertel und die Menschen dort durch deine Tätigkeit besser kennen?

Auf jeden Fall. Gewöhnlich ist das Wahllokal ja in unmittelbarer Nachbarschaft. Das heißt, dass man unter den Wählenden Nachbarn, Freunde, Angestellte vom Bäcker, dem Supermarkt oder „Gesichter von der Straße“ wiedererkennt.

Wahlhelfer werden wertgeschätzt

Welche skurrilen Situationen erlebt man so während eines Tages im Wahllokal?

Es gibt immer das obligatorische alte Ehepaar, das 15 Minuten vor Öffnung an den Türen des Wahllokals vorfreudig wartet. Und: Bei der Bundestagswahl 2017 fragte mich ein ältere Frau, wo sie denn nun ihr Kreuz setzen müsse, damit „der Schröder“ endlich wiederkomme.

Fühlst du dich und deine Aufgabe von den Wählerinnen und Wählern vor Ort wertgeschätzt?

Absolut. Viele bedanken sich bei der Stimmenabgabe und man wird mit Respekt behandelt.

Mit einer Partei sympathisieren die meisten in der Regel immer mehr – fällt dir das schwer, dich beim Auszählen oder auch in Gesprächen im Wahllokal neutral zu verhalten?

Das fällt mir persönlich nicht schwer. Der Wahltag und die Auszählung ist ja doch sehr prozessgetrieben. Man konzentriert sich auf den reibungslosen Ablauf und später auf das korrekte Auszählen. Erst wenn man die Ergebnisse gemeldet hat und zusammenpackt, schaut man das erste Mal inhaltlich auf das Ergebnis und vergleicht es dann schnell mit dem Bundes- oder Landesschnitt.

Hand aufs Herz: Wie oft musstest du im schlimmsten Fall nachzählen, bis die Stimmverteilung aufgegangen ist?

Wir mussten bisher jedes Mal mindestens einmal nachzählen. Der Negativrekord war bei der letzten Europawahl 2024, als wir über zwei Stunden nachzählen mussten, bist endlich alles gestimmt hat.

Es gibt immer das obligatorische alte Ehepaar, das 15 Minuten vor Öffnung an den Türen des Wahllokals vorfreudig wartet

Malte Lembrecht

Ein besseres Verständnis für Demokratie bekommen

Was denkst du, warum dieses Ehrenamt nicht gerade zu den beliebtesten gehört? 

Ich glaube, dass es zum einem als sehr trocken und trivial gilt – wie schwer kann es schon sein, ein paar Stimmen auszuzählen? Zum anderen sind es die Begegnungen mit fremden Menschen im politischen Raum, denen wir mehr und mehr aus dem Weg gehen, weil sie unbequem sein können.

Stell dir vor, du müsstest jemanden überzeugen, als Wahlhelferin oder Wahlhelfer in dein Team zu kommen – dein stärkstes Argument?

Du hörst mindestens hundertmal den Satz: ‚Danke, dass ihr das macht.‘ Das gibt eine wahnsinnige Motivation – mehr noch als all die Süßigkeiten, die wir bereitstellen. Und auch wenn ich es für etwas überhöht halte, dass es ein Dienst an der Demokratie ist, so finde ich zumindest, dass man ein besseres Verständnis für die Abläufe, Zusammenhänge und Regeln unserer Demokratie kennenlernt.

Sichtschutz: Gerade im Wahllokal sollen Daten vertraulich behandelt werden  (©privat)

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 02/2025 erschienen. 

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