Schicksalsschläge und unerwartete Begegnungen sind bekanntlich ein beliebter Ausgangspunkt für Tragödien menschlicher Existenz – manchmal aber auch für betörend schöne Geschichten wie die von Sandra, Alex und Elliott, die Hauptfiguren in Carine Tardieus zauberhaftem Drama. Der sechsjährige Elliott (César Botti) steht eines Abends vor Sandras (Valeria Bruni Tedeschi) Tür, seine Eltern müssen ins Krankenhaus. Seine Mutter steht unmittelbar vor der Entbindung. Allerdings hat die Mittfünfzigerin wenig mit Kindern am Hut, sehr bewusst hat sie sich gegen sie und für ein selbstbestimmtes Leben als Inhaberin eines feministischen Buchladens entschieden. Elliott stellt ununterbrochen Fragen und spricht Wahrheiten aus, die eben nur Kinder aussprechen. Nach anfänglicher Ablehnung beginnt Sandra selbst Fragen zu stellen, nimmt ihn ernst. Es entwickelt sich ein anregendes Gespräch zwischen dem ungleichen Paar.
„Was uns verbindet“: Zusammengewachsen auf ungewöhnliche Weise

Was so erwartbar erscheint, inszeniert Tardieu mit unglaublicher melancholischer Leichtigkeit. Natürlich freunden sich Sandra und Elliott an, sie wird zur wichtigen Bezugsperson für die ganze Familie. Denn Elliotts Mutter Cecile ist bei der Geburt ihres Babys gestorben und Alex (Pio Marmaï) steht nun allein mit dem Säugling und Elliott da, der gar nicht sein leiblicher Sohn ist. Es entsteht ein verwirrtes Knäuel von Patchworkfamilie, in der Tardieu jedem einzelnen Mitglied mit respektvoller Wärme begegnet. Das macht dieses Thema nicht nur herzerwärmend, sondern verleiht ihm eine gesellschaftliche Tiefe. Nach „Eine bretonische Liebe“ (2017) mit Cécile de France und „Im Herzen jung“ (2022) mit Fanny Ardant widmet sich die französische Drehbuchautorin und Regisseurin erneut komplizierten Beziehungsgeflechten und scheinbar undenkbaren Konstellationen. Alex will seine verstorbene Frau nicht verraten und macht Sandra dennoch Avancen, später lässt er sich gar auf eine neue Ehe ein. Elliotts leiblicher Vater meldet Ansprüche an, an denen er jedoch scheitert. Und das sind nur einige Volten des Filmes, in dem einmal mehr die überragende Valeria Bruni Tedeschi glänzt.
Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 08/2025 erschienen.