Weltreise durch Hamburg

Hamburg steckt voller fremder Welten. Katharina Manzke ging auf Erkundungstour. Das hilft gegen Fernweh

Mein Fernweh kündigt sich immer mit einem schönen Klingeln an. Es ist kein aufdringliches Tuten, keine schrille Schelle, es ist ein Glockenspiel. Fein und verheißungsvoll – so ähnlich wie die Melodie, die manchmal von der kleinen russisch-orthodoxen Kirche mit den himmelblauen Kuppeln zu hören ist. Ihre Zwiebeldächer ragen neben den klotzigen Hochhäusern der Lenzsiedlung in Eimsbüttel in die Höhe. Wie aus einer fremden Welt. In Hamburg gibt es viele „exotische“ Orte wie diesen. Und wenn mich mein Fernweh mal wieder wachklingelt, ich aber nicht in die Ferne reisen kann, dann suche ich die weite Welt eben in der Stadt.

Indianer, Mayas und affenköpfige Kühe

Zum Beispiel im Museum für Völkerkunde. Dort können Besucher fremde Kulturen zugleich in der Vergangenheit und in der Gegenwart bereisen. So gelange ich von den Indianern Nordamerikas zur hinduistischen Götterwelt nach Ägypten und zu den Mayas. Ich setze mich in ein Tipi, lausche über eine Hörstation fremdartigen Flötentönen und erfahre über das digitale Maya-Orakel, dass aus mir wahrscheinlich entweder Schamane oder Ehevermittlerin wird.

Ich gehe weiter in einen prächtigen Bali-Raum, wo in Vitrinen rituelle Masken gezeigt werden. Die Spiegelung der Glasscheibe sorgt für die optische Täuschung, dass mein Abbild mit den ausgestellten Gegenständen verschmilzt. Plötzlich blicke ich mir selbst als affenköpfige Kuh mit Fischmaul und Tigerzähnen entgegen. Ich bin zur schrecklichen Hexe „Celuluk“ geworden. Schnell wechsle ich zum freundlichen Wildschwein nebenan. Oder am besten gleich in die echte Wildnis …

Museum Völkerkunde 1

Wildwuchs im Urwald

Der Sachsenwald ist der Rest eines riesigen Urwaldes und erinnert an manchen Stellen mit seinem verschlungenen Wildwuchs noch heute an einen Dschungel. Exotische Falter leben hier allerdings nur unter einer Glaskuppel. Auf dem Anwesen Friedrichsruh, im Besitz der Familie Bismarck, tummeln sich Zwergkaninchen, golden schimmernde Koi-Karpfen, Libellen und Eichhörnchen. Im Garten der Schmetterlinge, einem kleinen Tropenhaus, gibt es viele prächtige Insekten aus Südostasien, Afrika und Südamerika zu begutachten. Bei feuchtwarmem Klima flattern sie mit schnellem Flügelschlag zwischen exotischen Pflanzen kreuz und quer an mir vorbei. Groß wie Fledermäuse, aber viel schöner.

Schwarzweiß, gelb-orange gemustert, blau wie der pazifische Ozean. Wenn man stillhält, kann es passieren, dass sich „Phocides Polybius“, „Parnassius Mnemosyne“ und „Nymphalidae“ auf dem ausgestreckten Arm niederlassen. Viel scheuer ist da das Jemenchamäleon namens „Hube“, es bleibt lieber auf Distanz … Das ist mir ganz recht so. Zu viel Wildnis ist auch nicht gut. Dafür schmeckt auch der Apfelkuchen im Forsthaus Friedrichsruh viel zu gut!

Japan nahe St. Pauli

Exotische Ecken findet man übrigens auch nahe St. Pauli – und ich meine jetzt keine eindeutigen Etablissements, sondern Planten un Blomen. Immer sonntags lädt im Teehaus im japanischen Garten die deutsch-japanische Gesellschaft zur Teezeremonie. Man kann unangemeldet einfach vorbeikommen. Und so mische ich mich unter die zehn Gäste, die der Teemeisterin Kazuko Chujo dabei zusehen, wie sie die jahrtausendealte Kunst zelebriert. Harmonie, Reinheit, Stille und Respekt – diese Werte sollen während des Rituals formvollendet zum Ausdruck gebracht werden. Und es funktioniert: Sie äußern sich in jeder Bewegung der zierlichen, kleinen Frau, jedem Wort an die Gäste. Als ich schließlich selbst das grüne, leicht bittere Gebräu aus einer Keramikschale schlürfe, fühle ich mich bereits durch das Zuschauen herrlich entspannt.

Ich beschließe, den restlichen Sonntag ähnlich ruhig ausklingen zu lassen und setze mich auf eine Bank im japanischen Garten. Ich schließe die Augen und höre: leises Plätschern, Wind, verwehte Stimmen … Kein Läuten. Mein Fernweh schweigt. Zumindest für heute.

Text und Foto: Katharina Manzke

Weitere Hamburg-Entdeckungstouren, zum Beispiel für Actionlustige und Familien, findet Ihr in der Titelgeschichte der aktuellen Juli-Ausgabe von SZENE HAMBURG.

Mehr Tipps gegen Fernweh

Türkisches Hamam
Falls es im Hamburger Sommer doch mal regnet: Ein Besuch im türkischen Bad, einem Hamam, bewirkt Wunder. Los geht es schwitzend auf einer Sitzfläche aus Marmor, durch ein Peeling wird die Haut angenehm durchblutet und erneuert, und am Ende wird man in warmen Seifenschaum gehüllt wie Aphrodite in 1001 Nacht.

Hamam-Hafen Hamburg
Seewartenstraße 10 (St. Pauli)
Mo-Fr 10–22, Sa-So 11–21 Uhr

Hamam Palace
Veringstraße 16 (Wilhelmsburg)
Mo-Sa 10–22, So 10–21 Uhr

Islamische Kunst

Der Islam als Weltreligion hat viele kulturelle Schätze hervorgebracht. Die Sammlung Islamische Kunst im Museum für Kunst und Gewerbe zeigt dies mit rund 270 Exponaten und schlägt Brücken von der Vergangenheit in die Gegenwart. Ein eindrucksvolles Zeugnis islamischer Kunst ist auch an der Außenalster zu finden: Die Imam Ali Moschee, in der auch nicht muslimische Gäste willkommen sind, ist Deutschlands viertälteste Moschee. Ihre Fassade besteht aus himmelblauen Kacheln und strahlt Passanten schon von Weitem an.

Museum für Kunst und Gewerbe
Steintorplatz
Di-So 10–18, Do 10–21 Uhr

Imam Ali Moschee
Schöne Aussicht 36 (Uhlenhorst)

Exotische Geschmäcker

Manchmal braucht es nur einen besonderen Duft in der Nase – und schwupps, ist man in Indien, Afrika oder Thailand. In die Welt der Gewürze entführt beispielsweise das Spicy’s, ein Museum zum Probieren und Riechen. Ein Gewürzparadies ist auch das Kräuterhaus in St. Georg. Das Traditionshaus führt über 600 Kräuter. Darunter verschiedene Curry-Mischungen, Ras el Hanout, Paella-Gewürz, Safran in Fäden und gemahlen. Hier findet man ganz bestimmt die passende Mischung für ein Hühnchen in Kokosmilch nach einem Rezept aus Papua-Neuguinea.

Spicy’s
Sandtorkai 34 (HafenCity)
Di-So 10–17 Uhr

Das Kräuterhaus
Koppel 34 (St. Georg)
Mo-Fr 10–19, Sa 10–18 Uhr

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