Was macht eigentlich Ties Rabe?

Nach 13 Jahren als Hamburger Schulsenator trat Ties Rabe (64 Jahre, SPD) aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurück. Wie geht es ihm heute? Und wie blickt er zurück?
13 Jahre lang war Ties Rabe Schulsenator. Ein knappes Jahr ist das nun her. Wie also geht es ihm heute? (©Michael Zapf) 

Die Frage „Wie geht es Ihnen?“ ist oft nur eine Einstiegsfloskel. Bei Ties Rabe ist das anders. Am 15. Januar dieses Jahres legte der gefühlt schon ewige Hamburger Schulsenator überraschend sein Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder. Er sei „nicht lebensgefährlich erkrankt“, sagte Rabe im Hamburger Rathaus. Doch hätten sich „die gesundheit­lichen Probleme, die vor allem ältere Männer in Führungspositionen dann doch heimsuchen, so verstärkt, dass ich sicher bin, jetzt in der kommenden nicht einfachen Zeit der Wahlkämpfe nicht mehr in dem Maße meinem Amt gerecht werden zu können, wie ich das zumindest als Pflichtmensch mir immer vorgenommen habe“. 

Ein knappes Jahr ist das nun her. Wie also geht es Ties Rabe heute? „Mir geht es deutlich besser. Viele meiner gesundheitlichen Probleme hatten mit Stress und Überlastung zu tun. Ich lebe nun viel langsamer“, sagt Rabe. Er erzählt von seiner großen Familie, den Kindern und Enkelkindern, von einfachen Freuden wie dem sorgfältigen Lesen der Zeitung oder dem Schnack am Gartenzaun im heimischen Bergedorf mit den Nachbarn.

Doch komplett im Genießermodus ist Rabe noch nicht angekommen. „Der frühere Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hat mir geschrieben, er habe nach der Aufgabe seines Amtes ein Jahr gebraucht, um sich innerlich nicht mehr vorzuwerfen, dass er im Ruhestand weniger schafft als vorher. Ich kann ihn gut verstehen“, sagt Rabe. Aber, fügt er mit feiner Ironie an: „Mein Jahr ist noch nicht rum.“

Ties Rabes Traum vom Gymnasiallehrer 

Rabes Natur als „Pflichtmensch“, die ihm nun als Rentner manchmal zu schaffen macht, war schon vor seiner langen Amtszeit als Hamburger Schulsenator zu spüren. Trotz perfekten Ersten und Zweiten Staatsexamens (Notendurchschnitt jeweils 1,0) blieb ihm der Traum einer Karriere als Gymnasiallehrer in den Fächern Religion, Deutsch und Geschichte verwehrt. Es gab einfach keine Stellen. „Ich hatte mich bewusst für diesen Weg entschieden und mich sehr angestrengt. Mit 28 Jahren stand ich trotzdem auf der Straße. Das war eine Katastrophe für mich“, blickt Rabe zurück.

Mein Jahr ist noch nicht rum

Ties Rabe

Manche Menschen zerbrechen an solchen Erfahrungen. Andere wiederum ziehen daraus den Schluss, sich nie wieder mit all ihren Kräften so zu engagieren. Wofür ackern wie ein Wilder, wenn die Belohnung ausbleibt? Mit 80 Prozent Einsatz kommt man entspannter durchs Leben. Rabe entschied sich stattdessen für ein „Jetzt erst recht“ – und füllte die klassische, sozialdemokratische Geschichte vom gesellschaftlichen Aufstieg durch eigene Mühen mit Leben.

Er jobbte in vielen verschiedenen Berufen gleichzeitig. Unter anderem betreute er in einer Volkshochschule Abiturkurse für Erwachsene, in einer Religionsgemeinschaft spielte er die Orgel zum Gottesdienst, in der Tanzband Tiffany Keyboard und Saxofon zu Songs von Business-Größen wie Joe Cocker oder Boney M. Den Durchbruch brachte ihm ein verärgerter Leserbrief, in dem er sich beim Anzeigen­wochenblatt über die hohe Fehlerquote in den Artikeln beschwerte. „Daraufhin wurde ich dort angestellt, um die Texte zu korrigieren“, erinnert sich Rabe.

Ties Rabe: Vom Journalist zum Schulsenator 

Eine zwölfjährige journalistische Karriere folgte, ein Jahr als Redakteur und Redaktionsleiter der „Bergedorfer Rundschau“, elf in den gleichen Funktionen im „Elbe Wochenblatt“-Verlag. Vor allem für das „Altonaer Wochenblatt“ schrieb Rabe viele Artikel selbst. „Damals habe ich gelernt, was Journalisten interessiert. Es ist die Neuigkeit. Ellenlange Erklärungen von Details kann man in Gesprächen mit Journalisten weglassen.“

2002 kehrte er dem Journalismus den Rücken. Seine politische Laufbahn, die 2002 als hauptamtlicher Geschäftsführer der SPD Hamburg beruflich an Fahrt aufnahm, führte ihn 2011 ins Amt des Hamburger Schulsenators.

Ich lebe nun viel langsamer

Ties Rabe

Zu seinem Dienstantritt schrieb ihm Hamburgs früherer Bürgermeister Henning Voscherau (SPD). „Er wies mich freundlich auf die vielen Gefühlsaufwallungen in der Schulpolitik hin. Schließlich wollen schon sehr viele Menschen deshalb als Experten mitreden, weil sie alle selbst mal zur Schule gegangen sind. Der Brief endete mit dem lateinischen Spruch ,Per aspera ad astra‘. Übersetzt heiß das ,Durch Mühsal gelangt man zu den Sternen‘“.

Diese Mühsal nahm Rabe gerne und auch aufgrund seines Berufsethos sogleich in Angriff. „Ich habe dieses Amt sofort als Verpflichtung gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt begriffen. Da braucht es keinen Frühstückspräsidenten, der aus dem Handgelenk ab und zu irgendwelche Anordnungen gibt. Sondern einen harten Arbeiter. Außerdem bin ich ein schlechter Blender. Nur so tun, als hätte ich Ahnung, kann ich irgendwie nicht. Also habe ich mich mit großem Eifer in meine Aufgabe hinein gekniet, um wirklich Ahnung zu haben.“

Nach 13 Jahren in der Politik: Lob aus allen Fraktionen 

Als nach 13 Jahren schließlich Schluss war, erhielt Rabe Lob aus allen Fraktionen. Trotz aller teils verbissenen politischen Kämpfe zuvor. Hamburgs Aufstieg bei Vergleichsstudien der Schülerinnen und Schüler von Rang 14 im Jahr 2011 bis auf Rang sechs im Jahr 2022 fand letztlich große Anerkennung. „Das ganze Parlament hat geklatscht, als ich verabschiedet wurde. Das hat mich schon sehr gerührt“, sagt Rabe.

Reformierte Ganztagsangebote, vermehrte schriftliche Prüfungen, die Schulbauoffensive, die Integration der Kinder vieler Flüchtlinge besonders bei den großen Wellen in den Jahren 2015 aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien und 2022 aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands in der Ukraine, die Bekämpfung des Lehrermangels und viele andere Themen mehr beschäftigten Rabe oft den ganzen Tag lang. Sein Pensum war riesig, die Schulpolitik manchmal ein regelrechtes ideologisches Schlachtfeld, auf dem politisch viel gestritten wurde.

Das ganze Parlament hat geklatscht, als ich verabschiedet wurde. Das hat mich schon sehr gerührt

Ties Rabe

„Oft werden Änderungen in der Schulpolitik nur in Zeitungen besprochen. Ich bin sehr zufrieden damit, dass Schulreformen in meiner Amtszeit auch tatsächlich umgesetzt wurden und zu Verbesserungen geführt haben. Auch wenn das anstrengend war und viel Kondition und Durchhaltevermögen verlangt hat“, sagt Rabe. Wobei auch er nicht alles richtig gemacht habe. „Mir lag die Netzwerkarbeit nicht so. Ich habe viel auf die Kraft vernünftiger Argumente gesetzt. Aber mein Ton hätte manchmal konzilianter sein dürfen. Da hätte ich in der Zusammenarbeit mit den Verbänden und Gremien auch Stress vermeiden können.“

Das Privatleben hat nun Vorrang 

Auch wenn er die innere Stimme, die mehr Arbeit auch im Ruhestand von ihm fordert, noch nicht ganz zum Schweigen gebracht hat, vermisst Rabe sein Amt als Schulsenator nicht. „Damals wusste ich ja manchmal bis zum Nachmittag gar nicht, ob es regnet oder die Sonne scheint. Weil ich nonstop mit Aktenlesen oder Sitzungsleitungen beschäftigt war. Nun kann ich meine Energie auf andere Dinge lenken.“

Zwar wird er noch für Gastvorträge nachgefragt, trifft sich auch ab und zu zum Essen mit seiner Nachfolgerin Ksenija Bekeris und hält sich politisch auf dem Laufenden, aber das Private hat klar den Vorrang gewonnen. „Wenn man kein Schulsenator mehr ist, ist man kein Schulsenator mehr. Und man soll dann nicht so tun, als sei man es noch“, sagt Rabe.

Wenn man kein Schulsenator mehr ist, ist man kein Schulsenator mehr. Und man soll dann nicht so tun, als sei man es noch

Ties Rabe

Zu seiner Akribie passt es, dass er sich am Anfang seines Ruhestandes sogar eine Excel-­Tabelle anlegte, in der er sich alle Freunde notierte, die er unbedingt treffen will. Damit er ja keinen vergisst. Mittlerweile braucht er die Tabelle nicht mehr. 

Und ausgelastet ist er trotz seines langsameren Lebenstempos ohnehin. Rabe besitzt zwei große Modelleisenbahnen, an denen er gerne herumbastelt, zwei Aquarien mit Goldfischen aus den Tropen, er spielt Klavier, fährt Motorrad. Sein Unfall auf Sizilien vor zwei Jahren hält ihn davon nicht ab.  

Ties Rabe: „Politik ist kein Theaterstück“ 

Seinen festen Glauben an die Demokratie hat sich Rabe ebenfalls bewahrt. „Wenn die Politik in Deutschland Verlässlichkeit und Sicherheit ausstrahlt und zum Wohl der Menschen wirklich etwas hinkriegt, mache ich mir keine Sorgen um die Demokratie in unserem Land“, sagt Rabe.

„Mich stört es aber, wenn es in politischen Diskussionen nicht mehr um Sachfragen geht, sondern nur noch um den Auftritt. Mein Appell an Politik und Medien ist daher: Politik ist kein Theaterspiel. Im Vordergrund sollte nicht die ­sogenannte Performance stehen. Sondern das, was inhaltlich relevant ist. Es ist nicht so wichtig, wie Politiker auftreten. Es ist etwas wichtiger, was Politiker sagen. Aber am wichtigsten ist es, was Politiker wirklich tun.“

Ein besseres Schlusswort hätte der Sachpolitiker Ties Rabe nicht sprechen können.

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG SCHULE 2025 erschienen. 

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