Galerie Oel-Früh: Die Kulturlandschaft als Experimentierfeld

Vor 20 Jahren öffnete die Galerie Oel-Früh zum ersten Mal ihre Türen. Seitdem ist der Off-Space ein wichtiger Teil von Hamburgs Kulturleben. Ein Rück- und Ausblick mit den Gründern Frank Breker und Christopher Müller
Blick in die Vergangenheit: So sah die Galerie am Brandshofer Deich 2010 aus
Blick in die Vergangenheit: So sah die Galerie am Brandshofer Deich 2010 aus (©Oel-Früh)

SZENE Hamburg: Im Dezember 2005 hattet ihr zusammen mit Anna-Carla Melchert die Galerie eröffnet. Wie hat alles begonnen?

Christopher Müller: Zu der Zeit wohnte ich am Brandshofer Deich in Rothenburgsort, Frank war wenige hundert Meter entfernt in Hammerbrook im Künstlerhaus Wendenstraße tätig. Wir haben damals regelmäßig ein Festival zusammen veranstaltet, immer am ersten Septemberwochenende, mit dem Ziel, das Gebiet rund um den Brandshof und den Billhafen auf die Karte zu bringen. Wir bespielten einfach alle Räume, die es dort gab, unter anderem einen ehemaligen Baustoffhandel, der über drei Stockwerke ging. 2005 hatte Frank dort für die drei Festivaltage eine Art Club eingerichtet. Irgendwann standen wir beide davor und er meinte zu mir: Lass uns doch hier mal eine Galerie aufmachen. Der Idee, etwas Bleibendes zu schaffen, das über ein Wochenende hinausgeht, konnte ich sofort etwas abgewinnen. Also haben wir direkt beim Vermieter angefragt – und drei Monate später Oel-Früh eröffnet.

Frank Breker: Von der Idee bis zum Opening ging es echt schnell, stimmt. Gleichzeitig war uns aber nicht von Anfang an klar, dass wir die Galerie 20 Jahre lang aufrechterhalten. Die Devise war erst mal: Einfach machen und schauen, wie es läuft. Dann hat sich alles gewissermaßen verselbstständigt.

Galerie Oel-Früh: feiert 20 jähriges Bestehen 

Die Installation des Künstlerduos „Poison Idea“ trieb 2019 das Publikum wie Vieh durch den Ausstellungsraum (©Oel-Früh)

Was war eure erste Ausstellung dort?

Breker: Eine Gruppenausstellung von 25 Freunden aus unserem Netzwerk. Der Zulauf war gut, alles war neu. Dann haben wir uns aber ziemlich bald konzeptuell umgestellt und auf Einzel- oder Doppelausstellungen konzentriert.

Müller: Wir wollten vor allem keine vorproduzierte Kunst zeigen, sondern Werke, die am oder für den Ort selbst entstehen. Unseren Ausstellungsrhythmus hatten wir auch schnell gefunden: Jeden Monat eine Schau mit ungefähr drei Wochen Laufzeit. Ende 2025 werden es dann 288 Stück gewesen sein.

Eine unglaubliche Zahl! Welche Highlights davon kommen euch spontan in den Sinn?

Breker: Da etwas rauszugreifen ist echt schwer. Hikaru Miyakawa vielleicht, die extra aus Japan nach Hamburg kam – zweimal sogar, 2009 und 2011. Die hatte sich viel mit Konsum beschäftigt. Bei der ersten Schau „life is… huh“ hatte sie unter anderem eine große Bodenarbeit gemacht, ein Mandala aus Zigarettenstummeln und -asche, das sie über mehrere Wochen in der Galerie umgesetzt hat.

Müller: Ja, das weiß ich auch noch, die hatte die Kippen und die ganze Asche sogar aus Japan mitgebracht.

Breker: Das Künstlerinnenteam „3 Hamburger Frauen“ ist mir auch noch in Erinnerung geblieben: Ergül Cengiz, Henrieke Ribbe und Kathrin Wolf. Bei ihrer „House Party“ haben die drei 2007 den ganzen Ausstellungsraum zu einer Wohnung gemacht. Unter anderem gab es Konzerte auf dem Bett. 2024 haben die „3 Hamburger Frauen“ mit einer großartigen Rauminszenierung bei uns auch ihr 20-Jähriges gefeiert.

Müller: Ebenfalls mehrfach präsentiert haben wir das Künstlerduo „Poison Idea“, bestehend aus Baldur Burwitz und Christof Zwiener: 2007 mit der Show „Moppelkotze“ und 2019 mit „Place is the Space“, einer Installation, in der die Gäste zwischen Zäunen, an die Strom angelegt war, wie Vieh durch den Raum und zur Bar getrieben wurden.

Frank Breker und Christopher Müller 2025 im Innenhof der Galerie in der Marckmannstraße (©Philipp Müller)

Das klingt nach vielen aufregenden Momenten. Was habt ihr denn für euer Jubiläum geplant?

Breker: Im Prinzip setzen wir unsere Ausstellung „Last Edition“ von 2012 fort, als wir zum ersten Mal umgezogen sind. Damals hatten wir alle 89 Künstlerinnen und Künstler, die bis dahin bei uns ausgestellt hatten, gebeten, eine Arbeit im DIN-A4-Format für eine Edition zu produzieren, die wir dann auch gezeigt und in kleiner Auflage zum Verkauf angeboten hatten. Bei der „Last Edition II“ machen wir das noch mal, nur mit Arbeiten von den 147 Künstlerinnen und Künstlern sowie von den fünf Gruppen, die seit 2014 bei uns waren – bevor wir dann wieder weiterziehen.

Also wird die „Last Edition II“ nicht nur eine Jubiläums-, sondern auch eine Abschiedsschau?

Müller: Ja. Aber es war von Anfang an klar, dass wir hier aus den Räumen in der Marckmannstraße in Rothenburgsort rausmüssen – ursprünglich hieß es nach fünf Jahren. Jetzt sind wir schon sechs Jahre hier, und da kam es gelegen, dass es eine Ausschreibung für Räumlichkeiten am Oberhafen gab, die wir 2026 beziehen können, und in denen wir – das ist wichtig – die nächsten zehn Jahre auch definitiv bleiben dürfen. So haben wir Planungssicherheit und können uns institutionalisieren.

Umzug in den Oberhafen 

Wie sieht denn der neue Ort aus?

Breker: Es ist eine Lagerhalle im Oberhafen – in Verlängerung zur Kunstmeile – mit hohen Decken und einer Ausstellungsfläche von 120 Quadratmetern, also ein bisschen größer als jetzt. Wir werden dort auch wieder angeschlossene Ateliers haben. Das war in den letzten Jahren persönlich, aber auch für unser Programm eine große Bereicherung.

Das Künstlerinnenteam „3 Hamburger Frauen“ inszenierte die Galerie 2007 als Wohnraum Foto: 3 Hamburger Frauen

Wenn ihr euch die letzten zwei Jahrzehnte im Zeitraffer vor Augen führt: Was hat sich im Hamburger Galeriewesen getan?

Müller: Gemeinschaftlich mit den anderen Off-Spaces des Netzwerkes „Art Off Hamburg“ und den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern haben wir es geschafft, die städtische Kulturlandschaft mitzuprägen – und sie dabei auch unter anderem als riesiges Experimentierfeld zu verstehen. Wir wollen sowohl in den Stadtraum hineinwirken als auch das Standing von freien Kunstorten und Kulturschaffenden verbessern. In der Hinsicht haben wir in Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde im Lauf der Jahre viel erreicht.

Breker: Ich glaube aber dennoch, dass es heute schwieriger ist, einen solchen Ort wie unsere Galerie zu schaffen. Du musst ja schon ein Jahr Programm vorweisen, um dich überhaupt für bestimmte Ausschreibungen zu bewerben. Wir haben vor 20 Jahren jeweils 200 Euro in den Pott geworfen – heute kannst du mit 400 Euro im Monat wenig bis gar nichts mieten. Das ist schon eine Barriere.

Galerie Oel-Früh: neuer Ort bringt neue Gesichter 

Exponierter Konsum: Die japanische Künstlerin Hikaru Miyakawa stellte mehrfach bei Oel-Früh aus, 2009 und 2011 (©Kai Müllenhoff)

Was kann man über die Zukunft der Galerie Oel-Früh sagen?

Breker: Das Jahr wird von unserem Umzug an den Oberhafen geprägt sein. Bis auf eine Umbaupause werden wir aber wie gewohnt Programm machen – unter anderem als Bestandteil der „Triennale der Photographie“ im Juni.

Müller: Ich freue mich vor allem auf ein diverseres Publikum und hoffe, dass am neuen Standort noch mehr Leute zu uns finden, die nicht Teil der Kunst- und Kultur-Szene sind. Nur so ändern sich auch Diskurse. Dafür braucht es generell noch mehr Aufmerksamkeit. Die ganzen Off-Spaces machen Hamburg als Kulturstandort auch aus und sind Teil der städtischen Identität. So möchten wir an der Stelle auch einen Dank aussprechen an alle, die uns in der Vergangenheit besucht und begleitet haben – und in Zukunft noch begleiten werden.

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