SZENE HAMBURG: Eike Weinreich, im Rahmen der „New Hamburg“-Reihe inszenieren Sie „Volpone – oder der Kampf ums Überleben“ als „Entprivilegierungsversuch“ in Zusammenarbeit mit von Wohnungs- und Obdachlosigkeit Betroffenen. Braucht es ein Renaissance-Drama als Ausgangspunkt, um über heutige soziale Ungerechtigkeit zu erzählen?
Eike Weinreich: Die Prämisse war nicht, eine Geschichte über Ungerechtigkeit zu erzählen. Mein Motor war vielmehr, mit Menschen eine Geschichte zu entwickeln, die nicht das Privileg hatten, am Theater zu arbeiten, ein Studium zu absolvieren oder Ähnliches. Wir wollten also vor allem ein neues Stück entwickeln. Für „Volpone“ habe ich mich entschieden, um einen konkreten Plot im Hintergrund zu haben. In der einfachen Handlung können sich die Teilnehmenden intuitiv entscheiden, wessen Perspektive, wessen Geschichte sie bearbeiten wollen. Ob sie autobiografische Bezüge einfließen lassen möchten, oder die Geschichte fiktiv bleiben soll.
Wie haben Sie die Menschen gefunden, die ihre Ideen in die Textvorlage einbrachten?
Ich habe mit „Hinz & Kuntz“ zusammengearbeitet und wollte das Projekt möglichst niedrigschwellig anlegen. Ich weiß, wie anstrengend ein Leben auf der Straße ist – und wie energieraubend ein Leben in Armut. Hier wurde ich von „Hinz & Kuntz“-Mitarbeitenden sensibilisiert. Es sollte allen möglich sein, zu jedem Zeitpunkt dazuzustoßen, am Prozess Teil zu haben oder auch wieder Abstand zu nehmen.
Ben Johnsons „Volpone“ ist ein Stück über reiche Menschen, die gierig noch mehr wollen, wie schlagen Sie den Bogen zu von Wohnungs- und Obdachlosigkeit Betroffenen?
Das Stück handelt nur zum Teil vom Überlebenskampf auf der Straße. Auch vom unendlichen Reichtum Einzelner und wie Menschen mit prekärem Background gegeneinander ausgespielt werden. In erster Linie haben die Co-Autor*innen Figuren beschrieben, die aus einem ganz speziellen Grund gierig sind. Nämlich, weil sie nichts haben.