SZENE HAMBURG: Jan-Peter, nach fast 40 Jahren hat sich Nils Loenicker aus eurem gemeinsamen Kabarett-Duo Alma Hoppe verabschiedet. Jetzt gibt es ein neues Hausensemble mit dir, deinem Sohn Max Beier und Katie Freudenschuss. Aus dem Duo wird ein Trio. Warum?
Jan-Peter Petersen: Mit Alma Hoppe verbinden unsere Zuschauer nicht nur klassisches Wortkabarett, sondern auch satirische komödiantische Szenen. Zu zweit wäre daraus jetzt eine reine Vater-Sohn-Geschichte geworden. Das wollten wir nicht. Stattdessen wollen wir unsere Bandbreite erweitern, damit sich weiterhin wirklich alle Zuschauer bei uns wohlfühlen können. Und weil Max und ich Fans von Katie sind, die mit ihren musikalischen Fähigkeiten und ihrem Talent, Dinge aus dem Stegreif zu entwickeln, eine tolle Live-Atmosphäre schafft und wunderbar mit dem Publikum kommuniziert, haben wir uns getraut, sie zu fragen.
Katie, wie lange hast du vor deiner Zusage überlegen müssen?
Katie Freudenschuss: Gar nicht lange. Ich finde super, dass wir mit Jan-Peter noch eine Wurzel vom originalen Alma-Hoppe-Ensemble dabeihaben, wobei wir mit Alma Hoppe 3.0 aber in eine ganz neue Richtung gehen wollen. Wir sind sehr unterschiedliche Typen in sehr unterschiedlichem Alter, mit sehr unterschiedlichen Kernkompetenzen, die sich – wie wir hoffen – sehr gut gegenseitig befruchten und ergänzen.
Alma Hoppe 3.0: Ein Mix aus Musik, Schauspiel und klassischem Kabarett
Wo seht ihr denn selbst eure Kernkompetenzen?
Max Beier: Ich komme ja vom Schauspiel her und habe in früheren Programmen oft szenisch gearbeitet und beim Figurenkabarett mit Dialekten viele darstellerische Elemente eingebracht. Das ist sicher ein Kontrast zu meinem Papa, der mehr mit seiner Wortgewalt punktet. Hinzu kommt das Musikalische. Da finde ich es spannend, mit jemanden wie Katie zusammenzuarbeiten, bei der das Musikalische noch viel stärker im Vordergrund steht. Jan-Peter: Meine Welt ist das klassische satirische politische Kabarett, während Nils immer der elegante, witzige Spieler war. Durch dieses ausgewogene Ungleichgewicht wurde es für die Zuschauer interessant. Das wollen wir mit unserem neuen Ensemble auch erreichen. Wir wollen sehr lustig sein, aber kein Comedy-Programm machen, bei dem der Inhalt auf der Strecke bleibt. Das ist der Plan. Katie: Ich finde super, dass Jan-Peter immer einen Plan hat und ich anarchisch dagegenhalten kann: Komm, wir machen ihn kaputt! Das meine ich gar nicht destruktiv. Ich improvisiere ja nicht nur, sondern schreibe auch selbst Nummern. Max wiederum hat für mich beides: Er mag es zu planen, liebt aber auch die Anarchie.
Satire muss gut sein, und sie muss einen Grund haben
Katie Freudenschuss
Was hat das Publikum bei eurem ersten Programm zu erwarten?
Jan-Peter: Unser Programm wird eine Mischung sein aus der Qualität, die jeder selbst mitbringt, und dem, was wir gemeinsam als Duo oder Trio erarbeiten. Aber aus den Gesangsszenen halte ich mich aus gutem Grund heraus. Katie: Oft entstehen zu einer ursprünglichen Idee auch so viele Assoziationen, dass die plötzlich das Hauptthema bilden, wenn mir zum Beispiel auffällt, dass die beiden etwas aus typisch männlicher Perspektive betrachten. Dann nehmen wir diese unterschiedlichen Sichtweisen gerne spielerisch auf. Jan-Peter: Konkret geht es um eine satirische Nummer, die Max mal mit seinem ehemaligen Duo-Partner fürs Fernsehen gemacht hat. Vor dem Hintergrund aktueller Diskurse kann man diese Nummer heute im Kabarett nicht mehr bringen. Aber den Diskurs können wir in kabarettistischer Form auf die Bühne bringen. Die Rezeption ändert sich kolossal, wenn man statt einer Persiflage auf eine Stereotype den Diskurs darüber thematisiert.
„Unsere Aufgabe als Kabarettbühne besteht auch darin, zu reflektieren“
Es gibt in den letzten Jahren eine verstärkte Sensibilität im Umgang mit Randgruppen und Minderheiten? Wokeness und Gender-Korrektheit werden gesellschaftlich und politisch eingefordert. Wie geht man in einem Genre damit um, das auch von der Provokation lebt? Habt ihr das Gefühl, euch manchmal selbst beschneiden zu müssen?
Katie: Ich finde gerade den Punkt spannend, an dem es einen beschneidet. Dann rede ich über diese Beschneidung, weil die Leute im Publikum dieses Gefühl ja kennen und dann merken, dass sie mit ihrer Unsicherheit nicht allein dastehen. Jan-Peter: Wir erleben oft, dass schlechte, platte Witze über das Gendern gemacht werden. Am meisten lachen dann die darüber, die die größten Gegner dieser Sprachveränderung sind. Damit provoziere ich als Kabarettist einen völlig falschen Reflex. Ich muss neugierig genug sein, mich der Debatte zu stellen. Dabei interessieren mich dann vielmehr die Schwierigkeiten, die das Gendern mit sich bringt, gerade wenn man sich darauf einlassen will. Max: Natürlich steht man als Kabarettist unter genauer Beobachtung. In den sozialen Medien kann eine Aussage im falschen Kontext sehr schnell sehr viel auslösen. Daher fühlen sich viele durch die Wokeness beschnitten. Das führt aber auch dazu, dass man seine eigenen Texte stärker hinterfragt: Ist das wirklich gut und komme ich damit wirklich zu der Aussage, die ich treffen will? Insofern ist die Wokeness Teil meines Denkprozesses geworden.
Max hat schon sehr viel getan für unsere künstlerische Neuausrichtung
Jan-Peter Petersen
Ein beliebtes Argument lautet: „Satire darf alles“ …
Katie: Das stimmt mit zwei Einschränkungen: Sie muss gut sein, und sie muss einen Grund haben. Ich vermisse oft die Dringlichkeit, warum bestimmte provokante Worte verwendet werden. Nur um sie einmal laut gesagt zu haben? Das ist mir zu wenig. Jan-Peter: Ich vermisse vor allem die fehlende Bereitschaft zum Diskurs. Die Leute sind mit vielen Themen überfordert und haben Angst, nur noch in den Kategorien Schwarz und Weiß denken zu können. Deshalb sagen sie lieber gar nichts. Dadurch fühlen sich aber diejenigen ermutigt, die überall nur einen Keil reintreiben. Unsere Aufgabe als Kabarettbühne besteht auch darin, dies zu reflektieren.
Ist das politische Kabarett eine aussterbende Spezies, weil die Politik selbst inzwischen zum Spektakel geworden ist?
Katie: Politisches Kabarett, so wie es früher war, ist für mich uninteressant. Dafür sind für mich aber viele Dinge politisch, bei denen es vielleicht nicht so offensichtlich ist. Wenn zum Beispiel Max, der ein toller Schauspieler ist, eine Figur spielt, die im Sozialen scheitert, ist das zwar lustig und schräg. Es ist aber auch eine gesellschaftspolitische Beobachtung, warum solche Typen so sind, wie sie sind, und was unsere heutige Zeit damit zu tun hat.
Ein neues (altes) Gesicht
Max, du bist nicht nur neues Ensemblemitglied, sondern neben deinem Vater auch neuer Leiter des Lustspielhauses geworden. Hast du dich schon gut eingearbeitet?
Max: Das steht alles noch am Anfang, und ich muss noch eine ganze Menge lernen. Aber ich kann auch Dinge leisten, die ohne mich vielleicht schwieriger gewesen wären: zum Beispiel neue, junge Künstler für das Haus zu finden, die wiederum ein neues und jüngeres Publikum anziehen.
Deine zweite Heimat ist noch München?
Max: Eigentlich meine erste. Momentan wohne ich noch dort, aber ich verbringe schon jetzt sehr viel mehr Zeit in Hamburg als in den letzten Jahren. Jan-Peter: In das operative Alltagsgeschäft wird Max nach und nach mit einsteigen. Aber er hat schon sehr viel getan für unsere künstlerische Neuausrichtung. Das ist sehr erfrischend. Der Vater ist zufrieden.
„Das Ende vom Anfang“, Alma Hoppes Lustspielhaus, 1.12. (Premiere), 2., 3., 8.–10., 15., 16., 29.–31.12.2023, 5.–7.1.2024
Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 12/2023 erschienen.