Angelika Mann: „Solange ich noch krauchen kann, bin ich dabei“

In „Himmlische Zeiten“, dem dritten Teil einer bundesweit erfolgreichen Revue-Trilogie über das Altwerden, geistert Angelika Mann als verstorbene Hausfrau über die Bühne in der Komödie Winterhuder Fährhaus
Privatpatientinnen in Partylaune: „Himmlische Zeiten“ (©Lenny Thiem)
Privatpatientinnen in Partylaune: „Himmlische Zeiten“ (©Lenny Thiem)

SZENE HAMBURG: Frau Mann, „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ heißt es im Untertitel der Revue „Himmlische Zeiten“. Sind Sie ein Feigling oder eher tapfer?

Angelika Mann: Ich bin überhaupt kein Feigling. Ich sage immer, wer nicht alt werden will, muss jung sterben. Insofern bin ich ganz glücklich, dass ich jetzt 74 werden darf.

Die Hausfrau Doris, die Sie spielen, ist für viele Zuschauer ja schon eine alte Bekannte …

Wir haben schon 2010 mit „Heiße Zeiten“ den ersten Teil und 2014 mit „Höchste Zeit“ den zweiten Teil der Trilogie von Autor Tilmann von Blomberg, Liedtexter Carsten Gerlitz und Regisseurin Katja Wolff uraufgeführt. Beide Stücke sind auch in Hamburg gelaufen – allerdings unter anderer Regie und in anderer Besetzung. Ich spiele diese Rolle in verschiedenen Stücken also schon seit 13 Jahren – und das ist ein Geschenk!

Inwiefern?

In „Himmlische Zeiten“ treffen die gleichen vier Frauen aufeinander wie in den ersten beiden Teilen: die Karrierefrau, die vor allem schick aussehen will, die vornehme Dame, die reich verheiratet war und jetzt langsam dement wird, und eine jüngere Frau, die kurz vor den Wechseljahren ihr zweites Kind bekommt und erfährt, dass der Vater mit dem Kindermädchen fremdgeht. Ich bin aber die einzige Darstellerin, die in allen drei Stücken mitspielt. Von daher darf ich sagen, dass mir die Rolle auf den Leib geschrieben wurde.

Schauspielerin erst seit 1986

Ihre Figur ist eine ganz besondere: Sie ist bereits tot. Was bedeutet das für Ihr Spiel auf der Bühne?

Ich sterbe am Ende des ersten Aktes und dachte zuerst, dann habe ich ja nicht viel zu tun. Ich komme aber als Engel wieder und geistere dann zwischen den anderen herum. Das macht mir wahnsinnig viel Spaß.

Bei Geistern stellt sich die Frage, ob oder wie sie mit den Lebenden kommunizieren können …

Die anderen Figuren können mich weder sehen noch hören. Deshalb wende ich mich ans Publikum und beziehe es in die Handlung mit ein. Das ist ganz wunderbar. Ich bin ja eigentlich Sängerin und Entertainerin und habe immer viel mit dem Publikum kommuniziert. Erst ab 1986 trete ich auch als Schauspielerin auf.

Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass man mich im Westen kennt

Angelika Mann

Ist Doris’ Tod zugleich auch der Schlussstrich der Serie?

Die Autoren überlegen schon, wie man die Geschichte trotzdem weitererzählen kann. Wenn ich im wahren Leben nicht vorher sterbe, können wir wahrscheinlich noch einen vierten Teil machen.

Musikalisch bietet die Revue bekannte Songs mit neuen Texten?

Ja. Zum Beispiel „Faust auf Faust“ von Klaus Lage oder „What a Wonderful World“. Ein Riesenlacher ist auch „Wann wird’s endlich wieder Sommer?“ von Rudi Carrell. Das heißt bei uns: „Warum geh’n Rentner stets in Khaki?“.

„Wenn ich mit dem Publikum agiere, bin ich völlig frei“

Ehemals Top-Star der DDR-Rockszene, heute gefeierte Schauspielerin: Angelika Mann (©Ralf Rasch)
Ehemals Top-Star der DDR-Rockszene, heute gefeierte Schauspielerin: Angelika Mann (©Ralf Rasch)

Neben Tilmann von Blomberg wird Regisseurin Katja Wolff als Mitautorin angegeben. Ist der Text zum Teil erst auf der Bühne entstanden?

Das Stück wurde vorab geschrieben, aber Tilmann von Blomberg hat mir einmal gesagt, ich wäre seine beste Gag-Schreiberin, weil mir vieles spontan auf der Bühne einfällt. Da muss man natürlich aufpassen, dass man die Kollegen nicht durcheinanderbringt. Aber wenn ich mit dem Publikum agiere, bin ich völlig frei, wobei die Regisseurin sehr genau weiß, was sie will und ein unglaublich gutes Gespür für Timing hat.

Profitieren Sie da auch von Ihrer Erfahrung als Kabarettistin?

Ich habe nur literarisches, kein freies Kabarett gemacht. Aber ich habe schon früh als Entertainerin mein eigenes Konzertprogramm gehabt, mit Songs, die für mich geschrieben wurden. Da lernt man, mit dem Publikum zu kommunizieren. Das macht mir am meisten Spaß.

Sie hatten zu DDR-Zeiten auch eine eigene Fernsehsendung …

Ich habe mit meiner Band Obelisk zusammen eine Kindersendung gemacht, die hieß „Rockmusik zum Anfassen“. Ab 1999 bis 2015 war ich beim TV-Sender rbb in Berlin die Märchenrätselhexe und habe das ganze Weihnachtsprogramm moderiert.

„In Doris Bertram steckt ganz viel Angelika Mann.“

Sie sind noch vor dem Zusammenbruch der DDR nach Westberlin emigriert, wo Sie nicht auf ihren hohen Bekanntheitsgrad als Künstlerin bauen konnten. War das nicht ein gewagter Schritt?

Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass man mich im Westen kennt, bekam dort aber schnurstracks das Angebot, eine Kinderplatte aufzunehmen. Weil ich im Osten neben meiner Solokarriere auch als Background-Sängerin tätig war – zum Beispiel für Manfred Krug –, habe ich mich als Chorsängerin beim Theater des Westens beworben. Stattdessen bekam ich die Rolle der Lucy in Brechts „Dreigroschenoper“, die wir 1989 auch in der Hamburgischen Staatsoper aufgeführt haben. Danach habe ich ziemlich lange am Schauspiel Köln gearbeitet, Drehbücher geschrieben und beim Kabarett „Die Stachelschweine“ Klavier gespielt. Nach der Wende bin ich im Friedrichstadt-Palast lange als Hexe im Musical „Hänsel und Gretel“ aufgetreten. Ich habe immer gearbeitet und feiere nächstes Jahr mein 55-jähriges Berufsjubiläum.

Ich kann auch über mich selber lachen und nehme mich nicht allzu ernst

Angelika Mann

Das klingt nach Vielbeschäftigung. Dann ist die Rolle der Hausfrau Doris ja nicht besonders nah dran an ihrem eigenen Leben …

Hausfrau bin ich auch immer gewesen. Ich habe ein Kind und bin das zweite Mal verheiratet. In Doris Bertram steckt ganz viel Angelika Mann. Es gibt Schauspieler, die sich auf der Bühne immer sehr stark verwandeln. Zu denen gehöre ich nicht.

In einem Lied beklagt Doris, dass sie sich im Leben für andere aufgeopfert und zu wenig zurückbekommen hat. Wie sollte man leben, um ein solches Fazit am Ende zu vermeiden?

Da gibt es kein Patentrezept. Doris war verheiratet, hat zwei Kinder großgezogen, den Haushalt geführt und nebenher noch kleine Jobs übernommen. Am Ende stellt sie fest, dass die Rente nicht reicht. So geht es vielen alten Menschen.

Humor bleibt immer

Als junger Mensch macht man sich oft keine Gedanken, was am Ende bleibt. Irgendwann kommt dann der Moment, an dem man zurückschaut und sich fragt, ob man alles richtig gemacht hat und was man noch erreichen möchte. Können Sie sich an solche Momente erinnern?

Im vorletzten Jahr wurde eine Krebserkrankung bei mir festgestellt. Kurz danach stand ich auf der Bühne und habe gespielt, dass ich sterbe. Das war schon etwas spooky. Natürlich macht man sich in so einem Moment Gedanken. Ich habe aber erkannt, dass ich eigentlich alles erreicht habe, was ich erreichen wollte. Ich bin in Berlin-Buch aufgewachsen, wollte mit fünf Jahren Sängerin werden und habe es auch geschafft. Natürlich gibt es immer Dinge, die man im Nachhinein anders gemacht hätte. Aber im Allgemeinen kann ich nicht meckern.

Ist der Humor eine Stütze in Ihrem Leben?

Absolut. Ich kann auch über mich selber lachen und nehme mich nicht allzu ernst. Wenn ich mal beerdigt werde, möchte ich, dass es sehr lustig zugeht. Ich möchte nicht dramatisch sterben, sondern dabei noch einen guten Gag auf den Lippen haben. Auch bevor sie mir den Knoten herausoperiert haben, habe ich im Krankenhaus ständig Gags gemacht. Das war kein Galgenhumor, ich war einfach gut drauf.

Sie feiern diese Tage ihren 74. Geburtstag. Wann werden Sie sich zur Ruhe setzen?

Solange ich noch krauchen kann und man mich will, bin ich dabei. Erst einmal freue ich mich jetzt wahnsinnig auf Hamburg. Das ist so eine schöne Stadt! Neben Berlin wäre Hamburg als Wohnort die einzige Alternative für mich – oder Portugal.

„Himmlische Zeiten“ mit Angelika Mann feiert am 28. Juli 2023 Premiere in der Komödie Winterhuder Fährhaus

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 07/2023 erschienen.

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