26 Millionen Euro, mit so viel Geld fördert das Bundesverkehrsministerium das Alike-Projekt von der Hamburger Hochbahn und weiteren Partnern. Ziel ist es, bis 2030 bis zu 10.000 autonome Fahrzeuge auf Hamburgs Straßen zu bringen, die von allen Fahrgästen bei Bedarf genutzt werden können. SZENE HAMBURG hat im Vorfeld mit Franziska Becker gesprochen. Sie leitet den Fachbereich Autonome Mobilität und Intelligente Verkehrssysteme bei der Hamburger Hochbahn und erklärt, was geplant ist, wie Hamburgs öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) in Zukunft aussehen soll und warum die Stadt Deutschlands Mobilitätsschaufenster in die Welt ist.
Mehr Menschen sollen umsteigen
SZENE HAMBURG: Die Hochbahn will zukünftig im ÖPNV autonom fahrende On-Demand-Fahrzeuge einsetzen. Was ist das?
Franziska Becker: Das ist im Prinzip das, was wir in Hamburg schon kennen. Seit einiger Zeit fährt der Anbieter Moia als sogenannter Ridepooling-Dienst durch die Stadt. Und genau das werden wir zukünftig auch anbieten. On demand bedeutet dabei einfach übersetzt: auf Abruf oder bei Bedarf. Ich will von A nach B und kann mir über das Smartphone eine Fahrt buchen, die ich je nach Situation mit anderen teile und die damit erschwinglich bleibt.
Gibt es Unterschiede zwischen dem neuen On-Demand-Dienst der Hochbahn und dem von privaten Anbietern wie Moia?
Letztendlich verfolgen wir wie auch Moia das gleiche Ziel: Wir wollen geteilte Fahrten in Hamburg. Wir wollen die Menschen dazu bewegen, vom privaten Pkw auf den in unserem Fall öffentlichen Nahverkehr umzusteigen und damit auch das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. In diesem Punkt sind wir also erst einmal Verbündete. Deswegen sind wir neben Holon, die Fahrzeuge für uns bereitstellen, auch mit VW und deren Tochter Moia, dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Hamburgs Behörde für Verkehr und Mobilitätswende eine Allianz eingegangen. Denn wir wollen für das gleiche Ziel auch voneinander lernen.
Hamburg ist aktuell das deutsche Mobilitätsschaufenster in die Welt
Franziska Becker
Die Hochbahn will bis 2030 bis zu 10.000 der autonom fahrenden Fahrzeuge auf Hamburgs Straßen bringen. Was unterscheidet diese beispielsweise von den Moia-Fahrzeugen?
Die Zahl 10.000 bezieht sich auf alle Fahrzeuge dieser Art, also ohne Fahrer/Fahrerin, da unsere Fahrzeuge autonom fahren. Unsere Fahrzeuge wird man auch von außen als Hochbahn-Fahrzeuge erkennen. Aber innen gibt es Unterschiede, weil verschiedene Bedarfe gedeckt werden: Unsere Fahrzeuge sind beispielsweise größer, bieten Platz für bis zu 15 Personen, man kann in ihnen stehen und auch einen Rollstuhl oder Kinderwagen transportieren.
Der Hamburg-Takt
Am 23. Oktober 2023 hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing einen Förderbescheid für das Alike-Projekt der Hochbahn und seiner Partner übergeben. Was heißt das für Hamburg?
Wir in Hamburg sind offiziell Metropol-Modellregion für Mobilität. Und eine Säule davon ist, dass wir 2025 und 2027 den Weltkongress des Internationalen Verbands für öffentliches Verkehrswesen (UITP) veranstalten dürfen. Das heißt, Hamburg ist damit aktuell das deutsche Mobilitätsschaufenster in die Welt. Mit dem Förderbescheid in Höhe von insgesamt 26 Millionen Euro Euro für alle Partner können wir bei unserem ambitionierten Ziel des Hamburg-Taktes und der Mobilitätswende einen großen Schritt vorankommen.
Was ist der Hamburg-Takt?
Das ist das Vorhaben Hamburgs, dass bis zum Jahr 2030 alle Menschen in der Stadt in fünf Minuten ein öffentliches Mobilitätsangebot zur Verfügung stehen soll.
Und welche Rolle spielt dabei das On-Demand-Angebot?
Um unser ambitioniertes Ziel erreichen zu können, ist das Prinzip der geteilten Fahrt ein Baustein. Denn um den Umstieg auf den ÖPNV zu ermöglichen, braucht es ein maximales Angebot. Das baut natürlich auf dem bestehenden Angebot auf. Aber wenn wir das Beispiel U-Bahn und damit auch die neue U5 nehmen: Da sprechen wir von festen Linienwegen, die nicht in alle Bereiche vordringen können. Und mit dem On-Demand-Angebot sind wir noch flexibler und können auch Stadtteile bedienen, die das bisherige und auch das geplante Angebot so nicht erreichen.
On-Demand-Fahrzeuge: Kein Angebot für die Innenstadt
Schon heute können über 95 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger innerhalb von 600 Metern einen normalen Bus erreichen, wozu braucht es da On-Demand-Fahrzeuge?
Es stimmt, dass wir ein gutes ÖPNV-Angebot besonders in Innenstadtnähe haben, aber da liegt auch nicht unser Fokus. In der Innenstadt wird man die autonomen Fahrzeuge voraussichtlich erst mal nicht sehen. Gleichzeitig braucht es abseits von Massentransportmitteln wie der U-Bahn aber eben auch Lösungen für die Bedarfe kleinerer Nachfragen. Denn wir sehen ja auch, dass es viele Menschen gibt, die trotz des guten ÖPNV-Angebots den privaten Pkw nutzen. Und an die müssen wir ran. Wir sind überzeugt, dass das hochwertige, autonome Ridepooling hier der richtige Ansatz ist.
Wir gehen davon aus, dass das Angebot ab 2025 zur Verfügung stehen wird
Franziska Becker
Warum?
Weil wir uns auf die Stadtteile konzentrieren, wo das ÖPNV-Angebot noch nicht so dicht ausgebaut ist. Dafür schauen wir uns Daten des sogenannten Modal Split, also der Verkehrsnutzung in Hamburg, an. Für uns sind dann die Stadtteile relevant, in denen das ÖPNV-Angebot eher schwächer ist und Bereiche, in denen besonders oft der Pkw genutzt wird und damit das Potenzial hoch ist, Menschen zur Nutzung geteilter Mobilität zu bewegen. Dazu kommt die Frage, ob es auf bestimmten Wegen den Bedarf für mehr Querverbindungen gibt, die der reguläre ÖPNV nicht abdeckt. In solchen Fragen hilft uns das KIT, die sich genau damit beschäftigen und Szenarien modellieren, aus denen wir lernen können.
Der Einsatz der On-Demand-Fahrzeuge soll sich in den bestehenden ÖPNV eingliedern und sich den Mobilitätsroutinen der Menschen anpassen.
Das Ziel: Weniger Individualverkehr
Am 23. Oktober 2023 wurden die Fahrzeuge von Holon und VW der Öffentlichkeit vorgestellt. Wann können die ersten Fahrgäste in Hamburg autonom und on demand unterwegs sein?
Das Projekt ist jetzt auf drei Jahre angelegt, wovon das erste Jahr ein Testzeitraum ist. Daher gehen wir davon aus, dass das Angebot ab 2025 zur Verfügung stehen wird. Dann werden auch die ersten Fahrgäste diesen Service nutzen können.
Was soll der Dienst kosten?
Für die anfängliche einjährige Testphase werden wir Testerinnen und Tester rekrutieren, die den Dienst kostenfrei nutzen können. Die künftige Preisgestaltung ist auch Teil des Projektes, das heißt in die konkreten Planungen zu Fahrtkosten für zukünftige Nutzerinnen und Nutzer steigen wir gemeinsam mit allen Partnern noch ein.
Hamburg bekommt jetzt also ein On-Demand-Angebot im ÖPNV und ab 2029 soll auch die U5 sukzessive in Betrieb gehen. Wie sieht der ÖPNV denn im Hamburg-Takt 2030 aus?
Es ist das Credo, das ich anfangs schon betont habe: Es sollen mehr Fahrten geteilt werden, also weniger Individualverkehr. Das heißt, mehr Menschen steigen auf den ÖPNV um, weil auch das Angebot besser für sie passt. Dazu kommt, dass Bereiche, in denen auch aufgrund der Bevölkerungsdichte heute nur ein Bus einmal in der Stunde kommt, durch das On-Demand-Angebot besser in den ÖPNV integriert sind. Denn dann kann ich, wenn ich es brauche, ein autonom fahrendes Fahrzeug buchen und zu meinem Ziel gelangen.
Darüber hinaus ist der Bereich autonomes Fahren auch nur ein Teilbereich. Wir wollen insgesamt noch digitaler werden und 2030 nach Möglichkeit alle Mobilitätsbedarfe über eine App zentral anbieten können.