Barmbek Spezial: Fische Faerber

Nach 73 Jahren ist Schluss für Ursula Faerber mit dem Fischverkauf an der Fuhlsbüttler Straße. Ein Hotelneubau bedeutet das Aus eines legendären Stadtteilladens.

Die weißen Schälchen in der Auslage sind prall gefüllt, da passt nichts mehr rein, jeder weitere Klecks Mayonnaise wäre zu viel. Nordseekrabben-, Shrimps-, Räucherlachs- und natürlich Heringssalate, dazwischen Rollmöpse und Senfhappen. Helle und dunkle Cremefarben, dicht an dicht. Das Stillleben hinter der blitzblanken Scheibe ist ein schimmerndes Fischemosaik. Direkt daneben, am Schaufenster, die großen Stücke: fangfrischer Lachs. „Schmeckt alles“, sagt Ursula Faerber auf die Frage nach einer Empfehlung, „kann man alles gut essen“. Es ist kurz nach zwei am Nachmittag, die 80-Jährige lehnt am Tresen, die lange Plastikschürze über den Wollpulli geschnürt, den Blick zum Eingang. Das Mittagsgeschäft ist gemacht, der Laden fast leer. Zum vorletzten Mal hat Faerber heute zwischen Fischküche und Räucherraum zu tun. Morgen ist Schluss mit dem Fischgeschäft. Ob Faerber will oder nicht.

„Sie standen bis draußen“

Keine Minute dauert der Fußweg vom Barmbeker Bahnhof bis zu Fische Faerber, dem weiß-blauen Kachelkasten am Beginn der Fuhlsbüttler Straße. Der ist Teil einer Ladenzeile, die einem Hotelneubau weichen soll. Direkt nach dem Krieg haben die Faerbers das kurze Stück vor der Bahnbrücke gepachtet, den Flachdachbau selbst hochgezogen und angefangen, Fisch zu verkaufen. Das war lukrativ. Stadtteilfachgeschäfte hatten einen guten Stand. Kunden honorierten, dass da jemand war, der sich spezialisierte, mit dem man auch reden konnte, und wenn es nur der Mittagsschnack über Backfisch und Kartoffelsalat war. Gutes Essen, gute Preise, Hamburger Tradition: Darauf konnte man sich einigen. Wird Fisch heute vorwiegend beim Discounter eingekauft, allenfalls an der Fischtheke im großen Supermarkt, hatten Institutionen wie Fische Faerber ein durchgehend großes Publikum. Ursula kam durch ihren Mann, den mittlerweile verstorbenen Bernd Faerber, in den 50er Jahren dazu, der Faerber-Hochphase. „Zwischen elf und eins standen sie damals bis draußen“, sagt Faerber jetzt und sieht eben dorthin, wo die Riesenschlange gewesen sein muss. Ob sie die Zeit vermisse? „Es war schön, aber man kann nicht zurück, und das würde ich auch nicht wollen.“ Außerdem: „Was ich hatte, kann mir keiner nehmen.“

Keine Chance für Schnörkel

Zugegeben, wer zu Faerbers geht, bekommt fürs Auge nicht mehr, als die Fassade verspricht. Einfachheit ist hier schick: schnell zu säubernde, helle Fliesen, schnörkellose Stehtische, Plastikblumen. Einzig die rotbraunen Klinker und die fachwerkhausdicken Balken an den Wänden versprühen etwas Gemütlichkeit. Was Modernes? Nicht mit Faerbers. Höchstens ach so hippe Food-Blogger würden hinter all dem kalkulierten Trash vermuten. Jeder andere sieht norddeutsche Schlichtheit und Funktionalität, es wirkt unaufgeregt und echt. Im Fokus stehen nun mal Fisch und hausgemachte Salate, und die sind gleichbleibend beliebt. Kaum vorstellbar für viele Stammkunden, dass das Essen vor der Nicht-Kulisse in Kürze nicht mehr möglich sein soll.

Kühler Schnack

Lieber einen Lachs in der Hand, als eine Taube auf dem Dach: Ursula Faerber präsentiert eines der letzten Stücke. Foto: Ana María Arevalo

„Was vorbei ist, ist vorbei, ist so, das war’s“, sagt Faerber, und sie hat noch mehr staubtrockene Phrasen parat: „Wenn’s hier nicht weiter geht, geht’s hier nicht weiter.“ Oder: „Wenn’s abgerissen wird, wird’s abgerissen. Damit muss man leben, meinen Nachbarn, links und rechts, geht es genauso.“ Hamburger Kühle. Aber auch: spürbare Schelte. Was sie von der Entscheidung der Stadt hält, die gesamte Ladenzeile einzustampfen und das Grundstück frei zu machen für ein Hotel, nämlich gar nichts, wird spürbar, wenn sie fortfährt: „Wir haben es erst in der letzten Oktoberwoche erfahren, da konnten wir nicht gegen angehen. Wir haben das hier ja nur gepachtet vom Staat, und der hat es an den Meistbietenden verkauft. Wir wurden gar nicht gefragt.“ Absurd: Weil Faerbers das Geschäft einst selbst bauten, sollen sie es nun auch selbst abreißen. Ausziehen und kaputtmachen. Aber da sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, meint Faerber: „Wir streiten uns noch.“

Weiter auf dem Wochenmarkt

Die Routinen in Ursula Faerbers Leben werden sich ändern. Seit 40 Jahren lebt sie in Niedersachsen auf dem Land, hat drei Hunde, bleibt dank der täglichen Arbeit fit. Spätestens um acht war sie sechs Tage die Woche im Laden, sperrte um neun auf. Und sie machte alles alleine. Zuletzt hatte Faerber keine Mitarbeiter mehr, nur ihr Sohn half aus, allerdings nicht vor Ort, sondern auf den Wochenmärkten am Goldbekufer, in Hamm, in der Fabriciusstraße vor Edeka und an der Bramfelder Chaussee Ecke Berner Chaussee. Dort soll es auch weitergehen mit dem Fischverkauf, nur der Platz für die Vorbereitung der Fische fehlt fortan durch den Abriss des Ladens. Faerber: „Ich suche noch eine Räumlichkeit, darf gerne in Barmbek und nicht zu teuer sein.“ Wenn der Fisch für die Marktwagen flott gemacht wird, wolle sie noch mit anpacken, ansonsten sich aus allem raushalten. Könnte es sein, dass ihr dann doch etwas fehlt? Faerber zuckt mit den Schultern, scheinbar ungerührt: „Muss man erleben.“

Text: Erik Brandt-Höge

Fotos: Ana María Arevalo


Februar-Ausgabe SZENE Hamburg

 Dieser Text ist ein Auszug aus SZENE HAMBURG, März 2018. Das Magazin ist seit dem 24. Februar 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich!

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