Wie auf die bespielbare Rückseite eines riesigen, altmodischen Puppenhauses schaut das Publikum aufs Bühnenbild: in zehn zur Rampe hin offene Zimmer auf zwei Etagen. Und es gibt auch jemanden, der mit den Bewohnerinnen spielt und ihnen sagt, was sie tun und lassen müssen: Eine verhärmte Witwe (Julia Wieninger) terrorisiert ihre fünf Töchter, herrscht über die eigene Mutter sowie zwei Bedienstete in ihrem, in „Bernarda Albas Haus“. Alice Birch verfasste eine aktualisierte Textfassung von Federico García Lorcas düsterem Drama von 1936, das Katie Mitchell als deutschsprachige Erstaufführung am Schauspielhaus inszeniert.
„Bernada Albas Haus“: Beklemmend, aber großartig
Acht Jahre Trauer sind angeordnet nach dem Tod des Hausherrn, Bernardas zweitem Mann. Nur die älteste Tochter aus erster Ehe darf heiraten. Doch deren Zukünftiger trifft sich heimlich mit der jüngsten Tochter. Eine Atmosphäre aus Eifersucht, Angst, Heimlichkeiten und unterdrückten Sehnsüchten vergiftet sogar die schwesterlichen Bindungen. Im Frauenhaus haben Männer keinen Zutritt, im Stück kein einziges Wort zu sagen.
Dennoch sind es genau diese patriarchalischen Strukturen und männlichen Dogmen, die Bernarda aufrechterhält, die sie notfalls mit Schlägen durchsetzt. Freiheitsentzug rechtfertigt sie mit dem Argument, ihre Töchter vor potenziellen Vergewaltigern schützen zu müssen. Zu diesem Zweck hält sie bildlich das Leben an – wenn alle sich hin und wieder in Zeitlupe bewegen. Bernardas Mutter (großartig: Bettina Stucky) entzieht sich den Verboten, indem sie in den Wahnsinn flieht. Simultane, ineinander montierte Dialoge aus unterschiedlichen Räumen sorgen für große Glaubwürdigkeit, machen es indes schwer nachzuvollziehen, wer gerade mit wem spricht. Bedrohlich anschwellende Klänge (Sound: Melanie Wilson) begleiten die zunehmenden Aggressionen im hermetisch abgeriegelten Haus – bis die Katastrophe ihren Lauf nimmt. Neunzig großartig beklemmende Minuten.
Bernada Albas Haus, Deutsches Schauspielhaus, 26. Dezember 2024, 3. Januar 2025 und weitere Termine
Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 12/2024 erschienen.