SZENE HAMBURG: Claudiu, du bist als Schauspieler im Sprech- und Impro-Theater, Film und Fernsehen, als Comedian, Moderator und Synchronsprecher breit aufgestellt. Welchen dieser Bereiche vernachlässigst du am stärksten, seit du 2021 Vater geworden bist?
Claudiu Mark Draghici: Am meisten vernachlässige ich das Impro-Theater, das mich seit über 20 Jahren begleitet. In Hamburg habe ich die Gruppe „Das Elbe vom Ei“, die inzwischen fest zum Ensemble des Ernst Deutsch Theaters gehört, gegründet und lange Zeit geleitet. Vor zwei Jahren habe ich die Leitung abgegeben und bin jetzt quasi nur noch Ehrenmitglied. Dafür haben viele meiner anderen Tätigkeiten mit Impro-Theater zu tun. Ich mache zum Beispiel die Comedy-Tour und das Comedy-Boot in Hamburg, arbeite als Warm-Upper für verschiedene Fernsehformate – aber den aktiven Theatersport auf der Bühne habe ich zurückgefahren.
Dann bist du am 11. Januar 2025 auch nicht dabei, wenn „Das Elbe von Ei“ wieder im Ernst Deutsch Theater auftritt?
Nein, weil ich da in „Alles für Mama“ im Kleinen Hoftheater auf der Bühne stehe. Einen Tag vorher haben wir Premiere und spielen dann jeden Freitag, Samstag und Sonntag bis zum 9. Februar 2025.
Claudiu Mark Draghici mag Rollen mit Überraschungspotenzial
In dem Theater in Hamburg-Horn bist du seit fünf Jahren regelmäßig in Komödien, Kriminal- und Kinderstücken wie „Herbstgold“, „Fünf Frauen und ein Mord“, „Drei Männer und ein Baby“ oder „Die kleine Hexe“ zu sehen. Welche Rolle spielst du in „Alles für Mama“?
Wolfi, den jüngsten der drei Brüder, die die ehemalige Chefin ihrer Mutter entführen mit der Absicht, Geld von ihr zu erpressen, weil die Mutter kurz vor ihrer Pensionierung entlassen wurde. Die Entführer stellen sich nicht besonders schlau an, und so geht einiges schief. Wolfi hält sich für einen typischen Motorrad-Biker, der gerne den harten Mann markiert, aber gegenüber seiner Mutter oder sehr autoritären Frauen doch schon mal den Kürzeren zieht. „Alles für Mama“ ist eine sehr witzige Slapstickkomödie, auf die ich mich wahnsinnig freue.
Die Konstellation erinnert an „Absolute Giganten“. In der Bühnenfassung des gleichnamigen Films am Altonaer Theater hast du 2019 den Walter gespielt, einen von drei Loser-Typen, die irgendwie versuchen, über die Runden zu kommen …
Ich spiele gerne den „witzigen Typen von nebenan“ und habe auch keine Angst vor Schubladendenken, weil ich es mir hart erarbeitet habe, in bestimmten Schubladen zu landen. Aber jeder, der mich schon mal in anderen Rollen gesehen oder für andere Rollen besetzt hat, weiß, dass ich mehr will und auch mehr kann.
Schlagen wir eine Brücke zum Kriminaltechniker Dariusz Kowalski in der ZDF-Krimiserie „Mordsschwestern“, den du seit drei Jahren spielst …
Er ist messerscharf in seinem Denken und Handeln. Aber er ist schüchtern und versteckt sich gerne hinter seiner Kollegin Feli, gespielt von Caroline Hanke. Der „Dusi von der Spusi“, wie ich ihn gerne nenne, ist auch ein Charakter, dem man von vornherein nicht allzu viel zutraut. Er wirkt wie der typische Nerd. Solche Rollen machen mir Spaß, weil sie ein hohes Überraschungspotenzial bieten.
„Ich brauche auch die Abwechslung“
Wer dich einmal beim Impro-Theater erlebt hat, weiß, dass du eine richtige „Rampensau“ sein kannst. Verspürst du auch vor der Kamera manchmal den Drang zu improvisieren?
Absolut. Ich bin der Kollege, vor dem viele am Anfang – ich will nicht sagen Angst, aber: Respekt haben. Sie bereiten sich intensiver vor, wenn sie wissen, dass sie mit mir arbeiten, weil ich es liebe, frei zu agieren und meine Mitspielerinnen und Mitspieler zu überraschen. Das setzt Impulse frei, die man bei Dreharbeiten sonst nicht hat.
Ich spiele gerne den ,witzigen Typen von nebenan‘
Claudiu Mark Draghici
Lässt du dich umgekehrt auch gerne von anderen überraschen?
Ich bitte oft Kollegen am Set: Sag mir nicht, von wo du kommst, sag mir nicht, wo du etwas rausholst, weil ich das – wie meine Figur – in dem Moment selber erleben oder sehen möchte. Andere Schauspielende haben Angst vor solchen Momenten, aber ich liebe es, nicht zu wissen, was passiert. Darauf basiert mein komplettes Berufsleben.
Käme es unter diesen Umständen für dich überhaupt in Frage, festes Ensemblemitglied an einem Theater zu werden?
Jeden Abend in einem festen Team spielen zu dürfen, mag ich sehr. Aber ich brauche auch die Abwechslung. Aktuell kann ich es mir nicht vorstellen, fest an einem Theater zu spielen.
Gerade hat der ultranationalistische Präsidentschaftskandidat Călin Georgescu bei den Wahlen in Rumänien den ersten Platz belegt. Wie groß ist deine emotionale Anteilnahme an politischen Entwicklungen in dem Land, in dem du geboren wurdest?
Ich habe während meiner Schulzeit immer die Sommerferien dort verbracht und eine sehr herzliche und enge Verbindung zu Rumänien. Was die Politik angeht, erleben wir momentan weltweit sehr krasse, radikale Entwicklungen. Populistische Parteien nutzen die Schwäche und Verzweiflung von Menschen aus, um sie als Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Es ist unsere gesellschaftliche Verantwortung, zu verhindern, dass diese menschenfeindlichen politischen Tendenzen stärker werden. Das thematisiere ich auch bei meinen Kabarettaufführungen auf dem Theaterschiff.
Claudiu Mark Draghici und Freshtorge auf Tour
In „Hamburger werden in 90 Minuten“ erklärst du dem Publikum am 21. Januar wieder, was einen echten Hanseaten ausmacht. Kannst du die Hamburger Eigenarten gerade deshalb so gut beschreiben, weil du nicht hier geboren bist?
Ja, absolut. Ich bin ein echter Quiddje und zum Studieren nach Hamburg gezogen. Aber mittlerweile gehören mein Herz und meine Seele dieser Stadt, in die ich mich damals sofort verliebt habe. Aus der fränkischen Schweiz nach Hamburg zu kommen, gleicht einem Kulturschock. Die Persönlichkeiten sind in beiden Regionen sehr stark ausgeprägt, aber komplett unterschiedlich. Es macht mir sehr viel Spaß, dass nun ausgerechnet ich den waschechten, gebürtigen Hamburgern erklären darf, was es heißt, Hamburger zu sein – obwohl ich seit fünf Jahren in Schleswig-Holstein lebe.
2022 und 2023 warst du Teil von „Freshtorge Live“, dem Bühnen-Programm des YouTube-Stars Torge Oelrich, mit dem du durch Deutschland, Österreich und die Schweiz getourt bist. Normalerweise spielt Freshtorge alle Rollen in seinen Sketchen selbst. Hattest du es da als „neues Gesicht“ in diesem Einmann-Universum schwer?
Ich habe das Warm-up und die Moderation gemacht, Sketche mit ihm gespielt und Songs mit ihm gesungen. Da ich gerne möglichst wenig Verantwortung trage, habe ich auch kein Problem damit, die zweite Geige zu spielen. Für mich war das das Beste, was ich showmäßig jemals machen durfte. Das Publikum war wirklich sensationell. Die haben geschrien und geweint wie bei einem Auftritt der Backstreet Boys und waren drei Stunden nach der Show immer noch da, weil sie unbedingt Fotos und Autogramme wollten.
Auch von dir?
Auch von mir. Dabei war ich einfach nur mit Torge zusammen auf der Bühne. Das hat mich sehr überrascht. 2025 gehen wir mit einer „Helga und Marianne“-Live-Show auf Tour. Darauf freue ich mich schon. Der Vorverkauf läuft.
„Alles für Mama“ in Das kleine Hoftheater ab dem 10. Januar (Premiere), 11., 12., 17.–19., 24.–26., 31. Januar 2025 und weitere Termine
Dieses Interview ist zuerst in SZENE HAMBURG 01/2025 erschienen.