Clubkombinat: „Das Jahr 2023 wird entscheidend“

Am Vorabend des Reeperbahn Festivals 2022 stellte das Hamburger Clubkombinat die Kampagne „Rettet die Clubkultur“ vor. Kürzlich zog der Verein ein Zwischenfazit zur gegenwärtigen Kulturpolitik. Anna Lafrentz, 1. Vorsitzende, berichtet über schwierige Herausforderungen, darüber wie es der Clubbranche nach drei Jahren Corona geht und welche Maßnahmen für die Erhaltung gefordert werden
Engagiert gegen den Kollaps der Veranstaltungsbranche: das Clubkombinat (©Kevin Winiker)

SZENE HAMBURG: Anna, die meisten Corona-Maßnahmen sind lange aufgehoben. Warum brauchte es im September 2022 trotzdem ein Sofortprogramm für die Clubkultur?

Anna Lafrentz: Die Corona-Maßnahmen sind weitestgehend aufgehoben, nicht jedoch der Virus an sich. Zudem bemerken wir aktuell einen enorm hohen Krankheitsstand, der sich gleichermaßen auf Personal und natürlich auch potenzielle Gäste auswirkt. Hinzu kommen der Krieg und die Energiekrise, die alle Bereiche, so auch uns, intensiv beschäftigen. Die Live-Musik-Branche hat in den vergangenen drei Jahren so stark geschwankt, dass die Fundamente enorm locker sind. Personalmangel, hohe Preise und fehlende Besucher:innen setzen uns allen enorm zu. In den „Corona-Jahren“ konnten wir durch die Förderprogramme von Land und Bund weiterexistieren, diese sind nun mit Beginn 2023 alle ersatzlos ausgelaufen.

„Ohne weitere Hilfen werden es viele nicht schaffen“

Was waren die wesentlichen Forderungen?

Eine Fortführung des Club-Rettungsschirms und weiteren Fördersäulen, wie die Einrichtung eines Schallschutzfonds und die Erweiterung der Nachwuchsförderung, sind aus unserer Sicht zwingend erforderlich, um die Clubkultur zu stärken. Das Ökosystem der Live-Musik hat stark gelitten und viele Musikschaffende mussten sich anderweitig orientieren, um zu überleben. Tourneen sind immer noch enorm schwer planbar, da beteiligte Gewerke, wie Booking, Logistik et cetera sich auch gewandelt haben. In 2023 fällt auch das Förderprogramm Neustart Kultur des Bundes weg. Ohne weitere Hilfen werden es viele nicht schaffen. Dies wird vor allem Kulturschaffende betreffen, die nicht in den großen Städten, wie Hamburg oder Berlin tätig sind.

Vom großen Clubsterben ist dennoch nichts zu hören. Oder täuscht der Eindruck?

Da wir uns die letzten drei Jahre mit Förderprogrammen, wie Neustart Kultur, Überbrückungshilfen und anderen Geldern über Wasser halten konnten, kommt der große Knall vermutlich dieses und nächstes Jahr. Dann sind voraussichtlich auch die letzten Ersparnisse aufgebraucht und vielen wird die Kraft ausgehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es hierbei nicht nur um Geld geht, sondern auch, dass diese Krisenjahre unsere Branche viel Energie gekostet hat. Bei vielen zeichnet sich bereits ab, dass sie nicht mehr können. Das Jahr 2023 wird entscheidend für die Zukunft der Clubkultur sein.

Entwicklungen abwarten

Gibt es Punkte des Sofortprogramms, die als gescheitert angesehen werden müssen?

Gescheitert – na ja, wie man es betrachtet. Aus unserer Sicht ist es ein grob fahrlässiger Fehler, keinerlei Anschlussförderungen ab 2023 einzurichten, wobei Kultursenator Brosda nach Weihnachten begonnen hat, in den Medien ein Hamburger Hilfsprogramm anzukündigen. Bis dieses Programm eine Wirkung entfalten kann, wird jedoch wertvolle Zeit vergehen. Weiterhin zeigt sich beim geforderten „Bündnis für kulturelle Freiräume“ noch kein Zentimeter Bewegung.

Auch beim Club-Rettungsschirm und weiteren Fördersäulen seht ihr keine spürbaren Verbesserungen. Warum?

Der Live Concert Account wird von 250.000 Euro um 100.000 Euro erhöht. Das ist die Summe, die allen Hamburger Live-Musikclubs dann jährlich zur Verfügung steht. Diese Erhöhung ist erfreulich, jedoch kann sie die Not nicht entscheidend lindern. Die Rettungsmaßnahmen zu beenden, wenn sie am dringendsten benötigt werden, ist aus unserer Sicht nicht zielführend. Die erwähnten Ankündigungen sind ein Hoffnungsschimmer. Vielleicht helfen unsere kontinuierlichen Hinweise dabei ein wenig. Uns bleibt nichts anderes, als die weiteren Entwicklungen abzuwarten.

„Die Zeit rennt uns weiter davon“

Seit Jahren gibt es Forderungen nach mehr Freiflächen für Open-Air-Veranstaltungen. Um eine Bespielung im Sommer realistisch zu machen, sprecht ihr im Fazit von einer notwendigen Übergabe im Februar. Wie ist der Stand?

Leider sind hierzu noch keine Ergebnisse spruchreif und die Zeit rennt uns weiter davon. Wir stehen mit einer Ausgründung einer Tochtergesellschaft als Betreibergesellschaft in den Startlöchern. An uns soll es nicht scheitern.

Positiver bewertet ihr das Thema Nachhaltigkeit. Wie geht es dort voran?

Hier wurde per Bürgerschaftsbeschluss ein neues Förderprogramm „Future Fonds“ aus der Taufe gehoben, das eine kontinuierliche Förderung für Nachhaltigkeitsaspekte verspricht. Es scheint, als hätte es die Klimakrise endlich auf die Tagesordnung der Politik geschafft, wenn auch ein paar Jahrzehnte verspätet. Wir haben dieses Thema bereits in den vergangenen Jahren im Clubkombinat in unserer Arbeit verstärkt behandelt. Auch 2023 widmen wir uns, unter anderem mit Veranstaltungen zu nachhaltiger Clubkultur, weiter der Zukunft der Clubbranche für kommende Generationen.

Gibt es weitere relevante Themen für das Clubkombinat in diesem Jahr?

Wir haben die zehn Punkte im Sofortprogramm zusammengestellt, an denen wir dranbleiben. Zum gesellschaftlichen Thema Nachhaltigkeit gesellt sich weiterhin das Thema Awareness und Teilhabe, auf das wir auch einen Schwerpunkt dieses Jahr legen werden. Darüber hinaus setzen wir uns gemeinsam über „#wirbrauchenräume“ mit weiteren Initiativen für eine kultur-integrierte Stadtentwicklung ein. Zudem gilt es nach den verlorenen Corona-Jahren vor allem, die Leidenschaft für die Clubkultur wieder zu wecken.

Dieses Interview ist zuerst in der SZENE HAMBURG 02/2023 erschienen.

Anna Lafrentz, Vorstand Clubkombinat Hamburg e. V. (©Christian Merten)
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