SZENE HAMBURG: David, kurzer Vita-Check: Nachdem dich die Popakademie Mannheim abgelehnt hatte, gingst du zum Arbeiten ins Ausland. Irland, China, Karibik, Schottland – du kamst ordentlich rum. Es heißt, einige Open-Mic-Nächte 2017 in Glasgow hätten dann den Ausschlag dafür gegeben, dass du dich fortan vermehrt auf eine Musikerkarriere konzentriert hast. Was war da los in Glasgow?
David Ost: Als die Poppe meine damals ziemlich merkwürdigen Songs abgelehnt hatte, dachte ich: Na gut, dann probiere ich jetzt mal was ganz Anderes. Ein Studium war für mich trotzdem ideal. Im Rahmen dessen bin ich nach Dublin. Das war meine erste lange Auslandserfahrung und hat mich total begeistert. Ich habe es geliebt, einen Alltag in einem anderen Land aufzubauen. Das wollte ich noch häufiger machen. Also bin ich weiter, habe in Shenzhen gearbeitet, dann in Santo Domingo – und schließlich kam ich nach Glasgow. Dort habe ich ganz klischeehaft die Liebe zur Musik wiederentdeckt, schließlich ist die ganze Stadt irgendwie darauf ausgerichtet. Hätte ich die Open-Mic-Szene dort nicht entdeckt und die ganzen Musiker:innen drum herum nicht kennengelernt, wäre ich vielleicht nie wieder zum Songwriting gekommen. In Glasgow hat auf jeden Fall etwas klick gemacht, was dann – zurück in Hamburg – buchstäblich mein Leben verändert hat.
Wie hast du dich hier als Musiker strukturiert, um voranzukommen?
Es hat noch eine Weile gedauert, bis ich es geschafft habe, die gemütliche Infrastruktur eines festen Jobs zu verlassen und mich mit ganzem Herzen Musiker nennen zu können beziehungsweise zu wollen. Als ich so weit war, habe ich alles probiert, was in meiner Hand lag, um meine Musik zu verbreiten. Ich weiß echt nichts mehr aus meinem Studium, außer, wie es geht, Dinge durchzuziehen. Das half und hilft mir dabei.
Die beste Entscheidung seines Lebens
2022 gingst du mit der Hamburger Künstlertruppe Pink Alligator Kollektiv auf Europatournee. Ebenfalls 2022 bekamst du das Pop-Stipendium des Bundesverbands für Popularmusik, ein Jahr später erschien deine Debüt-EP „Good Enough“ – ohne Label, Management und Booking-Agentur. Klingt anstrengend. Zwischendurch mal deine Entscheidung, Vollzeitmusiker zu sein, bereut?
Mein letzter Vollzeitjob war im Produktmanagement in einem Internet-Start-up. Ich kann definitiv sagen, dass die Entscheidung zum Künstlerdasein die beste meines Lebens war und es seitdem das Härteste ist, was ich je gemacht habe. Ein Bachelor of Engineering und ein Master of Science sind nichts dagegen, sich jeden Tag aufs Neue zu sagen, dass man gut genug ist, das alles schaffen zu können. Aber ich bereue nichts.
Ich kann definitiv sagen, dass die Entscheidung zum Künstlerdasein die beste meines Lebens war
David Ost
Du spielst nun in der Hebebühne dein erstes großes Konzert. Der Ticketverkauf ist – wie für viele noch nicht vollends etablierte Künstler – schwer. Wie erlebst du die Entwicklung des Live-Markts für Musiker?
Die Kulturbranche hat sich nach den letzten Jahren immer noch nicht wirklich erholt. Stadien und Arenen mit Ticketpreisen von bis zu Hunderten Euro werden gefüllt. Independent-Newcomer:innen wie ich haben gleichzeitig aber große Schwierigkeiten, gegen diese großen Produktionen anzukommen, auch wenn die Idee die gleiche ist: Musik live erleben und spüren. Wer also ein Stadion-Ticket kauft, hat vielleicht kein Budget mehr für weitere, kleinere Konzerte, was uns dazu bringt, die Tickets noch günstiger anbieten zu müssen. Zusätzlich möchte ich den Ticketpreis für meine Show so ansetzen, dass ich es mir selbst leisten könnte. Also probiere ich gerade, die Produktionskosten mit einem Crowdfunding – startnext.com/david-ost-live-show – etwas abzufedern.
Dieses Interview ist zuerst in SZENE HAMBURG 11/2024 erschienen.