Filmkritik: „Die Fotografin“

Mit „Die Fotografin“ zeigt Regisseurin Ellen Kuras ein vielschichtiges Porträt der legendären Lee Miller zwischen Kriegsfronten, Glamour und Traumata
Kate Winslet als Fotografie-Ikone Lee Miller auf dem Weg zu einem Kriegsschauplatz (©Studiocanal)
„Die Fotografin“ läuft seit dem 19. September 2024 im Kino (©Studiocanal)

Noch genießt Modefotografin Lee Miller (überragend: Kate Winslet) mit Freunden unbeschwert den Sommer in Südfrankreich. Die Bedrohung durch Hitlers Nationalsozialismus unterschätzen sie alle. Noch klingen die Wortgefechte zwischen Lee und ihrem späteren Ehemann, dem britischen Kunsthändler Roland Penrose, fast spielerisch – wie getarnte Liebeserklärungen. „Ich habe nie unrecht“, verkündet das amerikanische Ex-Model, einst Muse berühmter Künstler wie Man Ray. Sie ist schroff, brillant, furchtlos, voller Energie, verbirgt gekonnt ihre wahren Gefühle und sucht ständig neue Herausforderungen.

1940 folgt sie Penrose nach London. Ihre Reportagen in der Zeitschrift „Vogue“ schildern den unermüdlichen Einsatz englischer Frauen während der Bombardements an der Heimatfront, doch Lee will an die Kriegsfront. Für die Briten sind weibliche Kriegsberichterstatter ein Tabu. Lee akzeptiert aber kein Nein und erhält schließlich eine Presseakkreditierung aus den USA. An der Seite von „Life“-Fotograf David E. Sherman dokumentiert sie für „Vogue“ in eindringlichen surrealistischen Bildern jene entsetzlichen Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges. Ihre weibliche Perspektive verändert die Fotografie: Sie gibt jenen eine Stimme, die keine besitzen.

„Die Fotografin“ ist ein „Passion Project“ von Kate Winslet

Ellen Kuras („Vergiss mein nicht!“) hat als Kamerafrau mit Michel Gondry, Martin Scorsese, Spike Lee und Jim Jarmusch gearbeitet. Ihr Spielfilmdebüt inszeniert die britische Regisseurin unerwartet klassisch, sachlich, strukturiert – in einer Serie von Flashbacks plus Rahmenhandlung. „Die Fotografin“ will mehr sein als ein konventionelles Biopic, konzentriert sich auf die Entstehung der Aufnahmen. Die Traumata ihrer frühen Kindheit prägten Lees radikal subjektiven Blick. Sie erfühlt durch die Linse ihrer Kamera das Ausmaß der Schmerzen in den Augen der KZ-Opfer, spürt jene Verletzungen auf, die für andere unsichtbar bleiben. Die Erinnerungen daran verfolgen Lee ihr ganzes Leben lang.

Ellen Kuras überlässt die Dramatik der hochemotionalen Szenen ganz ihrer Hauptdarstellerin Kate Winslet. Gerade die Momente der Enttäuschung und des Zorns gehören zu den stärksten in der Karriere der oscarprämierten Schauspielerin. Der Film ist ein „Passion Project“ von Kate Winslet, für dessen Realisierung sie als Produzentin lange kämpfte. Doch es hat sich gelohnt.

Die Fotografin“, Regie: Ellen Kuras. Mit Kate Winslet, Andy Samberg, Alexander Skarsgård, Marion Cotillard. 116 Min. Seit dem 19. September 2024 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 09/2024 erschienen. 

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