E-Sports: In Hamburg startet im Juli die erste eFootball-Liga, organisiert vom Hamburger Fußball Verband. Ein Club aus Blankenese ist einer der Pioniere
Text: Mirko Schneider
Fotos: Volker Tausend
Das folgende Zitat ordnet man unbesehen eher einem Teenager zu: „Geil, kenne ich aus den USA. Das machen wir!“ Gesagt hat es der 75-jährige Erich Talke auf einer Sitzung des Fußball Abteilungsvorstandes des Amateurfußballvereins Komet Blankenese zum Thema eFootball. Gemeint hatte der stellvertretende Abteilungsleiter die Umrüstung eines Clubraums des Vereins mit dem Sternenschweif im Banner zu einer Players Lounge.
20.000 Euro investierte Komet also, um einen vier mal fünf Meter großen Raum mit Playstations, vier Monitoren, acht Plätzen für die Spieler sowie Beamer und Leinwand auszustatten, damit die Wettkämpfe live im Klubheim übertragen werden können. Gezockt wird FIFA 19. Ein Spiel, so genial animiert und gestaltet, dass es fast realer wirkt als echte Spiele auf dem Fußballfeld. „Ich kenne die FIFA Serie durch meine Söhne, sie sind begeisterte Spieler. Felix ist 24, Philip 21“, sagt Komets Fußball Abteilungsleiter Volker Tausend (70). Auch er war sofort Feuer und Flamme für die Idee.
Aber warum? Dogmatisch betrachtet gehen alte, weiße Männer ja nie mit der Zeit und überhaupt: Sollten Amateurfußballvereine nicht andere Pionierleistungen vollbringen als den virtuellen Fußball zu fördern?
„Hier kann auch der HSV Paris St. Germain schlagen“
Bastian Buß sieht es wie Talke und Tausend anders. Anfang des Jahres stellte ihn Komet als eSoccer Coach an. Seit vielen Jahren spielt Buß leidenschaftlich die FIFA Serie, nahm an diversen Turnieren teil. Wenn er von seinen Schlachten erzählt wie der 3:4 Niederlage nach Golden Goal beim Kicker E Sport Cup gegen den Top Spieler Niklas Raseck, ist er in seinem Element.
Außerdem sind beim eFootball Dinge möglich, von denen mancher Fußballfan nur wird träumen können. „Alle Spieler der Mannschaften haben bei Turnieren die gleichen Stärkeeinstellungen, damit niemand einen Vorteil hat“, sagt Buß und lacht. „Das bedeutet: Hier kann auch der HSV Paris St. Germain schlagen.“ Wie ein Couch-Potato, der sonst nichts im Leben kennt, wirkt der Student der Lebensmitteltechnologie allerdings nicht.
„Das Klischee vom ständig Cola trinkenden und übergewichtigen Zocker ist eben ein Klischee“, sagt Buß. „Wir versuchen, die Jugendlichen von daheim in den Club zu bekommen. Es geht darum, sich in Teams miteinander im Wettbewerb zu behaupten. Da findet viel sozialer Austausch statt.“ Zum Beispiel, wie im großen Fußball, per Videoanalyse oder bei der Taktikbesprechung. „Außerdem“, so Buß, „heißt es ja nicht real oder virtuell. Viele eFootball-Spieler sind auch auf dem Feld aktiv.“
Acht Spieler organisieren sich bei Komet aktuell in drei Teams. Wer jedoch mag, kann im Clubraum spielen. Voraussetzung: Er muss 16 Jahre alt sein. Das Mindestalter ist eine Vorbeugungsmaßnahme gegen die vom Club ernst genommene und von Experten (unter anderem bei einer Anhörung in der Hamburger Bürgerschaft am 7. November 2017) immer wieder angemahnte Suchtgefahr.
Weiterhin schwelt nach wie vor die Debatte, ob eSport – und damit auch eFootball – wirklich als Sport gelten kann. Buß hat auch dazu eine klare Meinung: „Schach ist ja auch ein Sport. HandAugeKoordination, Spielverständnis, analytische Fähigkeiten – es benötigt eine Menge, um gut zu spielen. Nicht nur mental, viele Spieler fangen nach wenigen Minuten an zu schwitzen. Körperliche Fitness ist wichtig und hilfreich.“
Auf zur Meisterschaft
Das Potenzial des eFootball längst erkannt hat der Hamburger Fußball Verband (HFV). Er belohnte das innovative Projekt von Komet Blankenese mit dem Ehrenamtspreis, den der HFV mit der Brauerei Holsten vergibt. Und nicht nur das. Im Juli startet die erste offizielle Hamburger eFootball-Liga. Proberunden fanden bereits statt, als Favoriten auf den Hamburger Titel gelten Komet Blankenese und der Eimsbütteler TV. Bei den Proberunden nahmen bis zu 30 Mannschaften teil. Tendenz steigend.
Seit 2017 organisierte der Hamburger Fußball Verband drei Hamburger Meisterschaften. In der Hamburger Liga soll im Abstand von ein bis zwei Wochen an den Wochenenden gespielt werden. Möglichst bei Vereinen wie Komet, die entsprechende Rahmenbedingungen bieten können.
Zuständig für das Thema im HFV ist Maximilian von Wolff (23), Beisitzer im Verbands Jugendausschuss. In den Jahren 2008 bis 2013 gehörte er zu den Top 10 Spielern der Weltrangliste, heute ist der Student Hobbyspieler. Zusammen mit HFV Schatzmeister Christian Okun (39), auf dem Feld als Schiedsrichter für den Bahrenfelder SV aktiv, schob Wolff die Idee an. „Der Hamburger Fußball Verband versteht sich hier als Dienstleister für seine Vereine. Mit der Infrastruktur des HFV können wir die Rahmenbedingungen gut schaffen und so die Organisation zentral vornehmen, genauso wie auf dem Feld oder in der Halle“, sagt Wolff.
Beeindruckende Fairness
Allerdings gehe es dabei nicht um finanzielle Absichten. Turniere, auf denen es Millionen zu verdienen gibt und neue Stars geboren werden, sind nicht das Ziel. „Wir haben gemerkt, dass das Thema eFootball sich immer mehr zunehmender Beliebtheit erfreut und der Hamburger Fußball Verband sich dafür einsetzen muss, einen Ligaspielbetrieb für unsere Vereine zu organisieren. Wir wollen dieses Angebot für die Vereine schaffen, um in der sonst von Kommerz geprägten eSports Szene die Bedeutung der Vereine und ihrer Mitglieder zu stärken. Gleichzeitig erhoffen wir uns davon auch eine Belebung der Clubhäuser“, erklärt Wolff.
Eine weitere Facette des eFootball fasziniert ihn zudem: „Mein persönliches Highlight ist immer wieder die Fairness bei den Aufeinander treffen. Ich erinnere mich gerne an ein K.o.-Spiel bei einer Hamburger Meisterschaft, in dem durch einen Spielfehler ein Tor fiel und die Mannschaft, die das Tor gutgeschrieben bekam, postwendend ein Eigentor erzielte, um das vorherige Ergebnis wieder herzustellen. Das finde ich bis heute sehr beeindruckend.“ In diesem Sinne: Mögen die Spiele beginnen!
Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, Juli 2019. Titelthema: Schmelztiegel St. Georg.
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