Elbe-Werkstätten – Das Normalisierungsprinzip

Buchbinderei_Prio

So geht Gemeinschaft #3: Der Betrieb „ReTörn“ der Elbe-Werkstätten ermöglicht Menschen, die durch eine psychische Krankheit eingeschränkt sind, wieder einen Weg zurück zum „normalen“ Arbeitsmarkt zu finden.

Manche der Arbeiter unterbrechen für einen Augenblick ihre Tätigkeit und mustern kurz den Besucher, den Jens Rabe durch die Buchbinde-Werkstatt führt. Rabe ist Angestellter der Elbe-­Werkstätten, genauer: Er leitet die Produktion im Betrieb Elbe ReTörn, der Menschen mit psychischen Erkrankungen eine Rehabilitation und die Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht. Doch zu lange will sich keiner von dem Besuchern ablenken lassen, und schnell sind wieder alle in ihre Aufgabe vertieft. „Ein Stück Öffentlichkeit in die Werkstatt zu bringen gehört zum Normalisierungsprinzip“, sagt Rabe. Denn das ist das Kernziel des Betriebs: ReTörn will Menschen, die psychisch so stark erkrankt sind, dass sie für den normalen Arbeitsmarkt zu eingeschränkt sind, zu ebendiesem zurück verhelfen.

Normalität und Struktur im Alltag

450 Menschen mit verschiedensten psychischen Erkrankungen verhelfen die Elbe-Werkstätten somit zu mehr Normalität und Struktur im Alltag. Entweder mit einer Außenstelle in der Produktion bei Unternehmen wie Otto und Lidl, die mit den Elbe-Werkstätten zusammenarbeiten. Rund 30 Prozent der Arbeiter sind an einer solchen Außenstelle aktiv. Oder in einem der drei ReTörn-Betriebe wie hier in der Behringstraße, wo knapp 100 Menschen in unterschiedlichen Bereichen arbeiten – je nach den individuellen Fähigkeiten ausgerichtet: In der Hauswirtschaft, in der Digitalisierung oder eben in der Buchbinderei. Letztere ist der große Stolz des Betriebs. „Wir leisten hier Arbeit auf hohem Niveau, die Kunden sind erstaunt“, sagt Rabe, der seit 28 Jahren bei den Elbe-­Werkstätten und seit 18 Jahren als Betriebsleiter tätig ist.

Stolz auf die hochwertige Arbeit

In der Buchbinderei werden Bücher für den Print-on-Demand-Dienstleister „BoD“ fertiggestellt – also jene Bücher, die Verlage erst auf Bestellung drucken lassen, um die hohen Kosten einer ganzen Auflage zu sparen. Hier kommt Rabes Werkstatt ins Spiel: In rund 20 Teilschritten werden die Seiten ins richtige Format gebracht, die gebundenen Seiten mit Leim am Umschlag befestigt und gegebenenfalls wird auch ein Lese­bändchen angebracht – so werden hier bis zu 300 Bücher am Tag produziert. Der Stolz auf die hochwertige Arbeit ist auch bei vielen Mitarbeitern angekommen – so wie bei der Frau an der Einhänge­maschine, die bereitwillig demonstriert, wie die Buchseiten mit dem Hardcover verbunden werden. Eine Arbeit, die viel Feinsinn verlange, wie Jens Rabe erzählt. Um es dorthin schaffen zu können, müssen die Mitarbeiter zunächst für ein bis zwei Jahre in den Berufsbildungsbereich, in dem durch Praktika in den Werkstätten die individuellen Fähigkeiten eins jeden festgestellt werden. Erst dann geht es in ­ die eigentliche Praxis, die viele Tätigkeitsfelder bereithält.

Ein großes Sprungbrett, um Menschen mit Behinderungen eine tarifliche Beschäftigung zu vermitteln

„Das öffentliche Bewusstsein für psychische Erkrankungen ist gestiegen“, sagt Rabe. „Unternehmen zeigen zunehmend die Bereitschaft, eingeschränkte Menschen zu beschäftigen.“ Und die Politik hilft mit: Seit 2012 gibt es mit dem Hamburger Budget für Arbeit einen Lohnkostenzuschuss für Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen. „Das ist ein großes Sprungbrett, um Menschen mit Behinderungen eine tarifliche Beschäftigung zu vermitteln“, erklärt Rabe. Bis Ende 2017 wurden in ganz Hamburg über 250 Menschen durch das Gesetz in Arbeit gebracht. Damit wird auch einer bedauernswerten Entwicklung entgegengewirkt: „Früher gab es in der Arbeitsgesellschaft für Menschen mit ausgeprägten individuellen Verhaltensweisen mehr Plätze auf dem Arbeitsmarkt, etwa als Bote in einem großen Unternehmen“, so Rabe. „Es gab mehr Nischen, die auf dem heutigen Arbeitsmarkt durch die Technisierung wegfallen.“ Auch dank des Gesetzes registrierten aber immer mehr Unternehmen, dass Menschen mit Behinderungen zwar weniger Leistung bringen, aber trotzdem gewissenhaft arbeiten, so Rabe.

Text: Ulrich Thiele

www.elbe-werkstaetten.de


 Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG Stadtmagazin, August 2018. Das Magazin ist seit dem 28. Juli 2018 im Handel und zeitlos in unserem Online Shop oder als ePaper erhältlich! 

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