Elias Perrig: „Eine warme, zärtliche Melancholie“

Elias Perrig, Schweizer Staatsbürger mit Geburtsort Hamburg, führte schon erfolgreich in der Ukraine, in China, in der Schweiz und in vielen deutschen Städten Regie – aber erst zweimal in Hamburg. Nun inszeniert er Simon Stephens’ Familienstück „Am Ende Licht“ im Ernst Deutsch Theater
 Von 2006 bis 2012 Schauspieldirektor am Theater Basel: Elias Perrig (©Judith Schlosser)

SZENE HAMBURG: Elias Perrig, warum hat Hamburg Sie erst so spät entdeckt?

Elias Perrig: Wo man inszeniert, hat ja immer mit den Kontakten zu tun und damit, welche Theater einen anfragen. Da hat sich bis zu der Anfrage vor ein paar Jahren vom Ernst Deutsch Theater bisher nie etwas ergeben in Hamburg. Die Jahre, in denen ich in Hamburg gelebt habe, waren meine Kindheitsjahre. Es ist sehr schön, jetzt wieder für eine Weile hier zu sein und es mit Erwachsenenaugen noch mal neu zu sehen.

War „Am Ende Licht“ Ihre Wahl?

Nein, es war ein Vorschlag des Theaters, aber ich war sofort begeistert. Ich mag die Stücke von Simon Stephens sowieso sehr gerne und freue mich darauf, dieses filigrane, menschliche, komplexe Stück zu ergründen.

Es geht um unsichtbare Bande innerhalb einer Familie, um Dinge, die zeitgleich an unterschiedlichen Orten geschehen, es wird also keine Geschichte chronologisch erzählt – wie setzen Sie diese Gleichzeitigkeit um?

Es wird Teil des Probenprozesses sein, ein Gefühl für diese Gleichzeitigkeit zu erzeugen, obwohl die Szenen ja nicht gleichzeitig spielen können. Da wird wahrscheinlich Musik eine große Rolle spielen als verbindendes Element, das auch die zeitliche Struktur definiert. Da wir eine sehr offene Bühne haben, kann ich mir vorstellen, dass wir auch szenisch mit Simultanitäten experimentieren werden. Mal sehen, wohin uns diese Reise noch bringt.

Komplexe Familiengebilde zum Leben erwecken

Die Protagonistin des Stücks, Christine, ist zu Beginn bereits tot, dennoch versucht sie, Einfluss auf ihre Familie zu nehmen – es sind durchaus traurige und tragische Ereignisse, die „Am Ende Licht“ kennzeichnen, aber der Titel lässt hoffen, welche Grundstimmung hat Ihre Inszenierung?

Ich würde es als eine warme, zärtliche Melancholie beschreiben. Obwohl sozusagen im Zentrum des Stücks der Tod Christines steht und alle Figuren mit ihren Problemen und Abgründen zu kämpfen haben, gibt es ein unsichtbares Band, das den Figuren einen Halt gibt, sie nicht im luftleeren Raum hält. Insofern ist es ein sehr warmes, durchaus hoffnungsvolles Stück. Es gibt ja viele Stücke, die Familienstrukturen als grausame Hölle zeigen, dieses Stück tut in gewisser Weise das Gegenteil, es hat etwas sehr Versöhnliches.

Dieses Stück hat etwas sehr Versöhnliches

Elias Perrig

Wie nähern Sie sich dem Text?

Zuallererst lasse ich den Text selbst wirken, er ist ja sehr fein konstruiert und sehr fragil. Da gilt es, nach und nach die tieferen Schichten der Geschichte und der Figuren zu erforschen, einen Gedankenkosmos zu entwickeln, der dieses komplexe Familiengebilde zum Leben erweckt. Die Proben werden eine Art Forschungsreise mit den Darsteller:innen in diesen Kosmos sein, in das Geflecht der gegenseitigen Bezüge und des gemeinsamen Kerns.

Was kann das Publikum im Idealfall aus dieser Aufführung mitnehmen?

In einer Zeit, in der wir alle verleitet sind, Menschen sehr schnell zu verurteilen, in der der Shitstorm einer der mächtigsten Kommunikationsmittel ist, würde ich mir wünschen, dass das Publikum vielleicht nach der Aufführung einen freundlicheren Blick auf die Mitmenschen versucht. Die Figuren im Stück versuchen alle, ihr Leben irgendwie gut zu meistern, auch wenn es ihnen manchmal nicht gelingt und sie daran verzweifeln – der Versuch ist immer da. Ich denke, da kann sich ein Stück weit jeder darin gespiegelt sehen.

Am Ende Licht“ von Elias Perrig feiert am 24. August 2023 Premiere im Ernst Deutsch Theater (25.–27., 29., 30. August 2023 und weitere Termine)

Dieser Artikel ist in einer ersten Version in der SZENE HAMBURG 08/2023 erschienen.

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