Fahrradsternfahrt: Demonstration für die Verkehrswende

Am 18. Juni 2023 ist Fahrradsternfahrt in Hamburg. Dann demonstriert ein Bündnis aus ADFC, Greenpeace, NABU, BUND und anderen für eine schnellere Verkehrswende. Zu diesem Anlass haben wir mit Dirk Lau vom ADFC Hamburg gesprochen
Bei der Fahrradsternfahrt am 18. Juni 2023 demonstriert ein breites Bündnis für eine schnellere Verkehrswende (©unsplash/Nuno Ricardo)
Bei der Fahrradsternfahrt am 18. Juni 2023 demonstriert ein breites Bündnis für eine schnellere Verkehrswende (©unsplash/Nuno Ricardo)

SZENE HAMBURG: Am Sonntag ist Fahrradsternfahrt, was ist das und wozu wird sie gebraucht?

Dirk Lau: Die Fahrradsternfahrt ist eine politische Aktion, bei der Radfahrende für die konsequente und rasche Verkehrswende in Hamburg demonstrieren. Als Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) sind wir Kooperationspartner der, von dem Verein Mobil ohne Auto organisierten, Sternfahrt und setzen uns dafür ein, dass das Fahrrad deutlich mehr Platz auf der Straße bekommt und das Radfahren in der Stadt insgesamt entspannter und sicherer wird.

Ist es das denn aktuell nicht?

Wir vom Fahrradclub haben Ende April die Ergebnisse des Fahrradklima-Tests 2022 veröffentlicht und Hamburg erhielt bei den Befragten die Schulnote 3,98. Damit lag die Stadt bundesweit unter den Großstädten auf Rang sechs von 14.

Mit der aktuellen politischen Konstellation sind in Hamburg keine radikalen Veränderungen möglich

Dirk Lau vom ADFC Hamburg

Aber betrachtet man die letzten Umfragen hat sich Hamburg verbessert.

Das stimmt, aber eine minimale Verbesserung von weniger als 0,5 Punkte ist, bei dem Ziel eine Fahrradstadt werden zu wollen, kein Meilenstein. Die Menschen in Hamburg fühlen sich beim Radfahren nach wie vor unsicher auf den Straßen und die Maßnahmen, das zu ändern, setzt die Stadt schlichtweg zu langsam um. Andere europäische Metropolen wie Paris haben ihre Maßnahmen in wesentlich kürzerer Zeit und wesentlich konsequenter umgesetzt – und werden heute dafür zu Recht gefeiert.

Mehr Radverkehr: Politischer Wille ist da – auf einer Seite

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat in ihrer Stadt nahezu flächendeckend Tempo 30 eingeführt und Straßen wie etwa um den Louvre autofrei gemacht. Sind solch radikalen Veränderungen in Hamburg denkbar?

Nein, in der aktuellen politischen Konstellation nicht. Wir haben zwar mit Anjes Tjarks von den Grünen einen Verkehrssenator, der in den letzten drei Jahren viel frischen Wind in die Verkehrsbehörde gebracht hat und dem das Thema Rad auch wichtig ist. Aber für Maßnahmen wie in Paris, ist der Koalitionspartner, die SPD, in ihrer Verkehrspolitik viel zu reaktionär.

Inwiefern?

Die von der SPD geführte Innenbehörde mit Polizei und Straßenverkehrsbehörden tritt immer wieder auf die Bremse und lässt die Verkehrsbehörde bei der Schaffung von zukunftsfähiger Infrastruktur oder beim Thema Tempo 30 immer wieder ins Leere laufen.

Leuchtturmprojekte: Ein Tropfen auf den heißen Stein

Dirk Lau ist Pressesprecher des ADFC Hamburg (©Stahlpress Medienbüro)
Dirk Lau ist Pressesprecher des ADFC Hamburg (©Stahlpress Medienbüro)

Aber in den letzten Jahren wurden in Hamburg Velorouten eingerichtet, Fahrradstraßen ausgewiesen und große Kreuzungen für den Radverkehr optimiert. Gibt es denn gar keine Positivbeispiele für einen guten Radverkehrsausbau in der Stadt?

Doch, klar. Nehmen wir das Beispiel Reeperbahn: Hier wurde auf rund 700 Metern Straßenlänge ein breiter Radfahrstreifen, wie wir ihn eigentlich für alle Hauptverkehrsstraßen fordern, eingerichtet. Eine auf diesem Abschnitt sehr gute Verbesserung. Das sind aber 700 Meter von einem Straßennetz, das weit über 1500 Kilometer lang ist. Da sind solche Maßnahmen ein Tropfen auf den heißen Stein.

Was bräuchte es denn für Maßnahmen?

Die angedachten Maßnahmen sind theoretisch gut, nur werden sie zu inkonsequent umgesetzt. Nehmen wir das Beispiel Fahrradstraße: Eine große Verbesserung, jedoch ist keine der in Hamburg so ausgewiesenen Straßen komplett autofrei, was sie nach unserem Dafürhalten sein müssten. Dazu kommt, dass die Hamburger SPD immer noch bei vielen Verkehrsplanungen den privaten, individuellen Autoverkehr bevorzugt behandelt.

Beziehung Fahrrad vs. Auto: Verbessert

Hat sich denn abseits der Politik die Beziehung zwischen Autoverkehr und Radfahrenden verbessert?

Bei den Autofahrer:innen gab es in den letzten Jahren einen gewissen Lerneffekt. Ich selbst merke das im Alltag: Wo ich noch vor drei, vier Jahren regelmäßig von Autofahrenden auf der Straße angehupt wurde, ist das heute deutlich weniger geworden. Ein Grund dafür ist sicherlich auch der Claim der Stadt, sich als Fahrradstadt zu positionieren und Aktionen wie die Critical Mass, die auf Radfahrende als Verkehrsteilnehmende aufmerksam machen. Doch es gibt nach wie vor auch Probleme wie die Falschparker:innen und das Nichteinhalten des Sicherheitsabstands, wenn Autofahrende Radfahrer:innen überholen.

Und wie sieht es in der Beziehung zwischen Fußgängern und Radfahrenden aus?

Das Verhältnis hat sich aus meiner Sicht verschlechtert. Hier gibt es einfach ein Platzproblem: Wenn man den Autos 80 Prozent der Verkehrsfläche überlässt und sich die anderen die restlichen 20 Prozent teilen müssen, kommt es zwangsläufig zu Konflikten.

Wie könnte man das lösen?

Man müsste einem Verkehrsmittel, vorzugweise dem Auto, Platz wegnehmen. Das bedeutet zum Beispiel, Parkraum zu streichen. Wenn beispielsweise in der Innenstadt sämtlicher Parkraum für den motorisierten Individualverkehr wegfallen würde und nur noch Wirtschafts- und Lieferverkehr erlaubt wäre, dann bräuchte die Stadt auch keine extra Radwege mehr zu bauen – ein großer Schritt in Richtung Verkehrswende!

Die Fahrradsternfahrt findet am Sonntag, den 18. Juni 2023 statt. Gestartet wird ab 8 Uhr in und um Hamburg, die Sternfahrt endet gegen 15:45 in der Innenstadt. Die genauen Abfahrtszeiten und Routen gibt es unter fahrradsternfahrt.hamburg.

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