SZENE HAMBURG: Martin, Björn und Boris, als ihr euer Karriereende verkündet habt, habt ihr dieses unter anderem damit erklärt, dass ihr Schluss machen möchtet, wenn es die Leute noch interessiert. Habt ihr in fast drei Jahrzehnten Fettes Brot mal Angst gehabt, dass das Interesse an euch tatsächlich verloren gehen könnte?
Martin: Ja, schon. Ich erinnere mich an ein Gespräch in meiner alten Wohnung – das war so drei, vier Jahre nach Bandgründung – mit unserem Manager Jens. Der wusste damals nicht genau, ob das mit uns noch länger als das ausklingende Jahr funktionieren könnte. Aber eigentlich hatte ich nicht nur damals, sondern immer mal wieder ein gespaltenes Gefühl. Ich dachte dann, das mit der Band könnte ich ewig weitermachen, aber ich habe mich eben auch gefragt, wie lange das die Leute wohl interessieren würde. Dazu muss man sagen: HipHop ist ja erst parallel zu unserer Entwicklung eine Weltmacht in der Musikszene geworden. Auch das konnte man natürlich nicht ahnen.
Björn: Zudem ist ja nicht jede Single, die wir rausgebracht haben, ein Top-Ten-Hit geworden. Es gab auch welche, die unter ferner liefen verschwanden. Wenn das der Fall war, haben wir uns schon sehr gefreut, dass wir trotzdem eine Festival-Saison über durchweg gebucht wurden. Das haben wir nicht zuletzt einer treuen Fanbase zu verdanken, die nicht auf kommerziellen Erfolg geachtet hat.
Jugendliche Leichtigkeit kann man wiederentdecken
Martin
Es stimmt, nicht jede Single wurde ein Hit – aber es waren schon allerhand dabei. Ihr wart immer wieder mit großem Erfolg gesegnet. Also mal umgekehrt gefragt: Hat euch das immer wieder steigende Interesse an euch zwischenzeitlich Sorgen bereitet?
Martin: Ich habe da ein Lieblingsbeispiel aus Berlin, wo wir regelmäßig im SO36 gespielt haben. Da fühlten wir uns schnell zu Hause, die Auftritte waren fast so geil wie in Hamburg. Irgendwann, mit zunehmendem Erfolg, wurden wir gefragt, ob es nicht Sinn machen würde, aufzustocken und in einen größeren Laden zu gehen. Das Huxleys bot sich an, und wir haben es mal riskiert. Als wir dort dann vor 2000 Leuten spielten, waren wir ziemlich irritiert. Und dann war da auch noch ein riesiger Spiegel auf der gegenüberliegenden Seite der Bühne, quasi ein Multiplikator der Situation. Wir sahen uns die ganze Zeit selbst auf der Bühne und dachten: Sind das noch wir, wenn wir so groß spielen? Fühlt sich das noch richtig an? Als Abwehrreaktion haben wir dann wieder zweimal hintereinander im SO36 gespielt.
„Wir haben HipHop immer geliebt“
Erfolg erzeugt auch Erfolgsdruck. Wie seid ihr damit umgegangen?
Björn: Wir haben uns den Erfolg nicht zu sehr zu Kopf steigen lassen. Ich glaube, wenn man darüber nachdenkt, wie man an den Erfolg anknüpfen, ihn formelhaft replizieren und bestimmte Erwartungen erfüllen kann, ist das nicht gut. Von solchen Gedanken haben wir uns all die Jahre ferngehalten. Wir haben versucht, ganz ohne Arroganz bei uns zu bleiben und zu gucken, was uns denn am meisten Spaß macht.
Boris: Wir haben den Erfolg und den ganzen Pop-Zirkus an sich nie zu ernst genommen. Eine gewisse Distanz zu all dem hat es ein bisschen aushaltbarer gemacht.
Vielleicht hat ja auch ein Bewahren von Jugendlichkeit – zum Beispiel mit gleichbleibend viel textlichem Humor – zu einer Art Grundgelassenheit geführt …
Boris: Humor war auf jeden Fall etwas, das diese Band zusammengehalten hat. Und unseren Humor haben wir uns nicht ausgedacht. Den hatten und haben wir, einfach weil wir so sind wie wir sind. Unser Humor hat zwar auch für Irritationen gesorgt, gerade bei älteren deutschen Rappern. Da entstand teilweise die Annahme, wir würden uns über HipHop lustig machen – was ja überhaupt nicht unser Ansinnen war. Wir haben HipHop immer geliebt und verteidigt und ihm nur Humor hinzugefügt.
Martin: Ich habe kürzlich das Buch „Kreativ. Die Kunst zu sein“ von Rick Rubin zum Geburtstag bekommen, sogar zweimal, einmal von Björn. Darin heißt es, dass es bei kreativen Menschen die Fähigkeit zu beobachten gebe, das spielerische, alberne Kind in sich zu bewahren. Das ist ein total guter Skill, den auch wir bisher hatten und weiterhin haben, bei allem, was wir so tun.
Fettes Brot sind keine großen Nostalgiker
Welche Zeit war denn für euch die unbeschwerteste in der Fettes-Brot-Karriere?
Björn: Erstaunlicherweise sind wir mit dem Erfolg von „Nordisch by Nature“ sehr unbeschwert umgegangen. Wir haben uns nicht damit aufgehalten, darüber nachzudenken, was da gerade passierte. Sondern damit, was wir gerne als Nächstes machen wollten. Und dann haben wir „Jein“ gemacht. Als „Nordisch by Nature“ auf Platz 17 in den Single-Charts war, haben wir den Song ja sogar vom Markt genommen, was einerseits ein geiler Marketingtrick war, weil wir bis heute darauf angesprochen werden. Auf der anderen Seite wollten wir einfach nicht als Blödel-Rapper mit nur einem Hit wahrgenommen werden. Wir wollten, dass sich die Leute unsere Platte ganz anhören.
Boris: Wobei man sagen muss: Wenn man anfängt, ist eh am wenigsten Druck da, schließlich hat man nichts zu verlieren. Die Aufnahmen unserer ersten Songs waren sehr spielerisch – es gab schließlich nichts zu verteidigen. Das Einzige, was da war, war unser Bock, dass die Welt sich den Quatsch anhört, den wir uns so ausdenken. Danach waren es dann Wellenbewegungen, in denen sich Sachen mal leichter anfühlten und mal schwerer.
Wir können ein Comeback nicht ausschließen
Björn
Würdet ihr in die Hype-Zeit von „Nordisch by Nature“ noch mal zurückreisen wollen?
Martin: Grundsätzlich bin ich schon Fan vom Älterwerden. Mal abgesehen davon, dass der Tod näherkommt, finde ich es schön, mehr Erfahrung zu haben. Jugendliche Leichtigkeit kann man ja auch wiederentdecken.
Boris: Wir sind keine großen Nostalgiker, schwärmen nicht ständig von den guten alten Zeiten. Im Laufe unseres Abschiedes setzen wir uns natürlich ziemlich viel damit auseinander, aber allgemein haben wir eigentlich immer schon nach vorne geguckt und machen das immer noch.
„Wir stellen uns hinten an“
Schauen wir doch mal nach vorn, nämlich auf eure beiden letzten Shows in Hamburg. Könnt ihr beschreiben, welche Gefühle euch begleiten, wenn ihr daran denkt?
Boris: Das mag jetzt ein bisschen unromantisch klingen, aber wir sind sehr konzentriert und fokussiert. So eine Show fehlerfrei über die Bühne zu bringen und dabei zig Tausend Leute zu entertainen – da ist man schon sehr im Tunnel und es gibt nicht viel Platz für große Emotionen. Die kommen wahrscheinlich hinterher. Ist aber auch richtig so: Die Leute sollen ja Spaß haben, abfeiern, noch mal ihre Jugend erleben. Einfach das, was wir die letzten 30 Jahre für sie waren, noch mal erleben. Wir kümmern uns darum und stellen uns hinten an.
Und noch weiter nach vorne geschaut: Ist ein Comeback völlig ausgeschlossen?
Björn: Erst mal freut es uns, dass wir das von verschiedenen Leuten gefragt werden – weil das ja bedeutet, dass sie es sich vielleicht auch wünschen. Wir können ein Comeback auch gar nicht ausschließen. Wir machen das zum ersten Mal und wissen nicht, wie das ist, wenn es diese Band nicht mehr gibt. Aber: Wir spielen nicht mit den Gefühlen unseres geschätzten Publikums. Uns ist es schon ein ernstes Anliegen zu sagen: Wir lösen uns als Band auf.
Dieses Interview ist zuerst in der SZENE HAMBURG 09/2023 erschienen.