David Cronenberg widmet sich in seinen Filmen immer wieder der Körperlichkeit des Menschen in ihren Extremen. Der dystopische „Crimes of the Future“ stellt da keine Ausnahme dar. Wir trafen den 79-jährigen Regisseur aus dem kanadischen Toronto anlässlich der Weltpremiere in Cannes
Interview: Patrick Heidmann
SZENE HAMBURG: Mr. David Cronenberg, das Drehbuch zu „Crimes of the Future“ schrieben Sie bereits vor 25 Jahren. Hat sich das Skript über die Jahre verändert?
David Cronenberg: Nein, eigentlich nicht. Die Dialoge waren immer noch die gleichen, die ich damals zu Papier gebracht habe. Die einzigen Änderungen hatten mit den Produktionsbedingungen zu tun. Statt in Toronto haben wir in Athen gedreht, also musste ich das Setting anpassen und in der Geschichte kommen nun das Mittelmeer und Schiffe vor. Aber das war’s.
Es geht im Film um Menschen, deren Organe sich verwandeln, und Künstler, die radikal ihre eigenen Körper für ihre Performances einsetzen. Was diente Ihnen dafür als Inspiration?
Beeinflusst hat mich weniger die Performance-Kunst der Siebzigerjahre als zeitgenössische Körperkünstler. Zum Beispiel die Französin Orlan, die seltsame kosmetische Eingriffe an sich vornehmen lässt. Oder Stelarc aus Australien, der sich unter anderem in einen Roboterkörper begeben hat. Diesen ungewöhnlichen Einsatz des eigenen Körpers für die Kunst finde ich faszinierend, also wollte ich mir für meinen Film Ähnliches ausdenken.
„Ich kann mit dem Begriff Body Horror nicht so viel anfangen“
Aus Ihren Filmen spricht schon immer eine besondere Faszination für menschliche Körper, nicht wahr?
Ehrlich gesagt denke ich, dass wir uns alle eigentlich immerzu mit unseren Körpern auseinandersetzen. Früher dachte ich, es sind nur ältere Leute, die sich ständig über ihre Hüftgelenke, Operationen und Medikamente austauschen. Aber längst sind junge Menschen nicht anders, vor allem online geht es doch in einer Tour ums Fettabsaugen, Botox und andere Schönheitsoperationen. Eltern sorgen sich mehr denn je um die Körper ihrer Kinder. Letztlich greife ich also nur auf, was fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist.
Wobei Sie noch einen Schritt weitergehen. Immerhin werden Ihre Filme mindestens seit „Videodrome“ (1983) regelmäßig als „Body Horror“ bezeichnet!
Allerdings nicht von mir. Ich kann mit dem Begriff nicht so viel anfangen. Meiner Meinung nach zeige ich nicht den Horror der Körper, sondern ihre Schönheit. Ihre Funktionsweise und wie sie unsere Realitätserfahrung prägen. Was soll daran grausam sein? Alle Filmemacher arbeiten mit Körpern, nichts filmen wir häufiger. Schließlich gehört auch ein Gesicht zum menschlichen Körper. Meine Herangehensweise ist vielleicht nur eine andere als bei vielen Kollegen.
„Viggo und ich sind befreundet“
Nach einer kleinen Pause ist dieses Mal wieder Viggo Mortensen ihr Hauptdarsteller. Ist er der Schauspieler, mit dem Sie die beste Wellenlänge haben?
Ach, es gibt auch andere Schauspieler, mit denen ich mehrmals gedreht habe, Jeremy Irons etwa oder Robert Silverman. Bei mir dauert es nicht lange, bis ich mit Schauspielerinnen und Schauspielern eine gute Wellenlänge habe, wenn alles gut läuft. Kristen Stewart zum Beispiel war bei „Crimes of the Future“ nur für zwei Wochen am Set, aber die Harmonie stimmte auf Anhieb. So sehr, dass ich mir gut vorstellen könnte, wieder mit ihr zu arbeiten. Aber klar, Viggo und ich sind befreundet, und dieser Film war für uns etwas Besonderes, denn dies war der erste gemeinsame Film, zu dem ich das Skript selbst schrieb. Mit diesem sogenannten Body Horror hatte er also bislang noch gar nichts zu tun.
„Crimes of the Future“, Regie: David Cronenberg. Mit Viggo Mortensen, Léa Seydoux, Kristen Stewart. 107 Min. Ab 10. November im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
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