Filmkritik: „Anora“

„Anora“ von Regisseur Sean Baker ist eine schwindelerregende, preisgekrönte Tour de Force einer Stripperin und eines Oligarchensohns
Mikey Madison überzeugt als Edelprostituierte in der Tragikomödie „Anora“ (©Anora Productions, LLC)

Furios ist vielleicht das Wort, das am besten zu Sean Bakers Porträt einer jungen New Yorker Sexarbeiterin passt, die in eine russische Oligarchenfamilie einheiratet. Anora heißt sie. Doch da das zu sehr an ihre usbekische Vergangenheit erinnert, besteht sie auf Ani. Mit Glitzersträhnen im Haar, langen Arty Nails und ultrakurzen Miniröcken stolziert sie durchs Leben, das sich vor allem in einem Stripclub abspielt. Sie ist gut, sehr gut. Das weiß auch ihr Chef. Und so schickt er sie an den Tisch des jungen Ivan (Mark Eydelshteyn), der mit Geld nur so um sich schmeißt und mehr Russisch als Englisch spricht.

Süß ist der Oligarchensohn, der sich mit Drogen und Videogames und schließlich auch mit reichlich Sex durch seine Tage treiben lässt. Zehntausend Dollar zahlt er Ani, damit sie seine Freundin spielt. Und sie macht das so meisterhaft, dass die beiden am Ende in Las Vegas vor dem Traualtar landen. Einmal mehr erzählt Sean Baker („Florida Project“) dabei gegen jedes Klischee an, zeigt, in was für funkelnde Wunderwesen das Leben Außenseiterinnen wie Ani geschliffen hat – und bricht mit jeder Erwartung.

Anora: Eine atemlose Achterbahn 

Ab 31. Oktober 2024 im Kino: Anora (©Anora Productions, LLC)

Er führt direkt auf die Schöße der Männer, auf denen Ani halbnackt Platz nimmt, um die Geschichte dann erst in eine hysterische Party und anschließend in eine urkomische Komödie zu verwandeln, in der wehleidige armenische Kleinganoven Ani dazu bewegen sollen, die Ehe aufzulösen. Man bangt und lacht und fragt sich, wie der ganze Sex, das Gefluche und die unzähligen Zigaretten, die geraucht werden, es jemals auf eine Kinoleinwand im bigotten Amerika schaffen – und ist am Ende plötzlich in einem bewegenden Sozialdrama gelandet. Und in jeder Szene dieser atemlosen Achterbahnfahrt ist die gerade mal 25-jährigen Mikey Madison zu sehen, deren Zeiten als kreischendes „Scream“-Girl endgültig vorbei sind. So furchtlos wie Ani ist, nahm sie die schwindelerregende Herausforderung dieser Rolle an. Die Standing Ovations in Cannes, als „Anora“ mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, galten vor allem ihr.

Anora, Regie: Sean Baker. Mit Mikey Madison, Mark Eydelshteyn, Yura Borisov. 139 Min. Ab dem 31. Oktober im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film: 

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Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 11/2024 erschienen. 

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