Am Ende war sie die strahlende Siegerin der diesjährigen Berlinale: Thea Ehre, 23-jährige Schauspielerin und Transfrau aus Wien, die mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Und zwar gleich für ihr Spielfilmdebüt, das sie als junge Leni, die sich auf einen zweifelhaften Deal mit der Polizei einlässt, mit ihrer ungeheueren Präzenz trägt. Damit sie vorzeitig aus dem Männerknast entlassen wird, soll sie helfen, den Drogendealer Victor Arth (Michael Sideris) zu überführen – und das gemeinsam mit dem schwulen Undercover-Cop Robert (Timocin Ziegler). Ob die beiden früher mal zusammen waren, bleibt offen. Dass er ein Problem mit ihrem Frausein hat, wird aber schnell klar – und so beginnt ein Seiltanz, der tief ins Frankfurter Milieu führt, auf dunkle Industriebrachen, in düstere Clubs, eiskalte Luxus-Penthouses und auf die Rückbank fetter SUVs, an deren Scheiben ständig der Regen runterrinnt.
Sixties-Schlager und Gewissheit
Finster ist die Welt, die Regisseur Christoph Hochhäusler aus den Fugen geraten lässt und Geschlechterzuschreibungen gleich mit. Dabei verfängt sich der schwule Macho-Cop, der entweder um sich schlägt oder verzweifelt zusammensinkt, immer stärker in Klischees, ganz so wie der psychopathische Großdealer. Und so geht vor lauter rauchenden Colts unter, wie interessant es wäre, sich auf die prekäre und toxische Situation, in der viele Transfrauen leben müssen, zu konzentrieren. Das kann selbst die schwebende Kamera von Berliner-Schule-Legende Reinhold Vorschneider nicht ändern, die immer auf der Suche nach neuen Perspektiven ist. Umweht von verträumten Sixties-Schlagern, die Hochhäusler auf die harte Realität prallen lässt, aber schillert Thea Ehre auf ihre ganz eigene Weise, ist so schutzlos wie stark – und weiß schließlich als Einzige, wer sie ist.
„Bis ans Ende der Nacht“, Regie: Christoph Hochhäusler. Mit Timocin Ziegler, Thea Ehre, Michael Sideris. 124 Min. Ab dem 22. Juni 2023 im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 06/2023 erschienen.