Regisseurin Mary Harron („American Psycho“) hat eine Vorliebe für exzentrische Persönlichkeiten. Und so passt es ins Bild, dass sie sich in ihrem neuen Film „Dalíland“ den wohl exzentrischsten Künstler des 20. Jahrhunderts vorknöpft: Salvador Dalí. Der 70-jährige Surrealist (grandios: Ben Kingsley) verbringt wie in jedem Jahr ein paar Monate mit seiner Frau und Muse Gala (Barbara Sukowa) im St. Regis Hotel, New York. Er bittet den jungen Galerie-Assistenten James (Christopher Briney), der einen Koffer voll Geld vorbeibringt, bei den Vorbereitungen einer neuen Ausstellung zu helfen.
Dieser betritt begeistert eine Welt voller legendärer Partys, in der sich das Who’s Who der Kunst-, Fashion-, Musik- und Filmwelt trifft und ausgiebig feiert. „Willkommen in Dalíland!“ heißt es noch, ehe sich die Türen öffnen. Schon bald entdeckt James eine verletzliche Seite an dem Großmeister. Alles – so scheint es – hängt am seidenen Faden. Dalí gleicht einem mächtigen Elefanten, der auf schmalen Beinen durch die Welt trampelt. Letztlich wird klar, dass Erfolg und Misserfolg zu großen Teilen in den Händen der tyrannischen und doch faszinierenden Gala liegen, die das Dalíland jederzeit ins Wanken bringen kann.
Mit der notwendigen Dosis Genie und Wahnsinn
Wer war Dalí? Wie dachte und lebte er? Regisseurin Mary Harron fokussiert sich auf den letzten Lebensabschnitt. Oscar-Preisträger Ben Kingsley („Schindlers Liste“, „Gandhi“) verkörpert Salvador Dalí mit der notwendigen Dosis Genie und Wahnsinn; Barbara Sukowa („Hannah Arendt“) steht dem als Dalís Frau, Muse und Antreiberin Gala nicht nach. Dass die Persönlichkeiten und nicht die Kunstwerke im Mittelpunkt stehen, ist eine kluge Entscheidung, auch wenn das Gerücht im Raum steht, dass diese Entscheidung den außergewöhnlich kostspieligen Bildrechten geschuldet war.
Über den von Newcomer Christopher Briney erfrischend selbstbewusst gespielten jungen Assistenten erlangt der Zuschauer Einblick in eine Welt, die bislang verschlossen war. Ein Ansatz, der funktioniert, wenngleich etwas konstruiert wirkt. Dennoch kommt man dem Phänomen Dalí Pinselstrich für Pinselstrich näher, um festzustellen, dass der Mensch hinter Dalí letztlich doch nicht zu fassen ist. Die Faszination weicht einer Erkenntnis: Dalí ist selbst ein Kunstwerk, eine Marke (mit dem charakteristischen Schnurrbart als Logo), die die eigene Kunst in den Schatten stellt.
„Dalíland“, Regie: Mary Harron. Mit Ben Kingsley, Barbara Sukowa, Christopher Briney. 96 Min. Ab dem 7. September 2023 im Kino.
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 09/2023 erschienen.