Filmkritik: „Die Möllner Briefe“

Auf der Berlinale preisgekrönt: Was nach den Anschlägen von Mölln geschah
Gruppe von Menschen, die in einem Archiv von Briefen ausgebreitet auf Tisch in der Mitte von ihnen kramt
Hunderte von Solidaritätsschreiben kamen nach den rassistischen Anschlägen von Mölln für die Hinterbliebenen der Opfer an (©inselfilm produktion GmbH)

Es ist eine Gesichte, die man kaum glauben kann – und die auf das feige Attentat zweier Neonazis 1992 in Mölln folgte, die zwei Häuser anzündeten, in denen türkischstämmige Familien lebten. Die zehnjährige Yeliz, die 14-jährige Ayse und ihre Großmutter Bahide Arslan kamen dabei ums Leben. Ihren siebenjährigen Enkel İbrahim hatte sie vorher noch in nasse Tücher wickeln können. Nach dem Anschlag wurden die Überlebenden in eine Notunterkunft gepfercht und mussten schließlich in die Häuser zurückkehren, in denen das Furchtbare geschah. İbrahims Eltern schliefen nachts nur noch abwechselnd, um Wache zu halten und hatten Angst, ihre Kinder überhaupt vor die Tür zu lassen. Sie fühlen sich verloren. Dabei gab es eine Welle der Solidarität. Doch das erfuhren sie erst 27 Jahre später, als eine Studentin im Archiv der Stadt Mölln Hunderte Briefe fand, die an die Familien adressiert waren. Beileidsbekundungen und Entschuldigungen, Bilder von Kindern, die gemalt hatten, wie sie Hakenkreuze in einen Papierkorb schmeißen. Andere hatten Glückssteine oder Geld für neues Spielzeug geschickt. Viele Briefe beantwortete die Stadt, kein einziger aber wurde an die betroffenen Familien weitergereicht.

„Die Möllner Briefe“: Dokumentarfilm deckt verdrängte Wahrheiten auf

Das Filmplakat zu „Die Möllner Briefe“ (©inselfilm produktion GmbH)

Wie das geschehen konnte, dem geht die Regisseurin Martina Priessner in ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm nach, der zwischen den Zeilen, und das umso intensiver, von Vorurteilen und von Behördenversagen erzählt – und der sich vor allem ganz auf die Opfer konzentriert. Auf İbrahims Mutter, die erzählt, wie alleine sie sich damals gefühlt hat und wie sehr die Briefe ihr geholfen hätten; auf Namik, der, das brennende Haus auf seinen Unterarm tätowiert, bis heute von Unsicherheiten gequält ist und vor allem auf İbrahim, der als Aktivist gegen Rassismus kämpft und einige der Briefeschreibenden von einst trifft – auch, um sich zu bedanken.
Mindestens 219 Menschen sind in Deutschland seit 1990 von Rechtsterroristen getötet worden heißt es im Abspann des Films, der die Brücke von damals bis heute schlägt und einmal mehr zeigt, wie absolut dringlich es ist, sich gegen jede Art rechter Gesinnung zu wehren. Politisch und privat.

Der Trailer zum Film

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