Wenn sich Doug (grandios: Caleb Landry Jones) an seine frühe Kindheit erinnert, sieht er den Vater vor sich, der ihn wutentbrannt und schreiend zu den ausgehungerten Kampfhunden in den Zwinger sperrt. Mit der Schrotflinte schießt er auf den Sohn, der von nun an immer auf einen Rollstuhl angewiesen sein wird. Grund für solch hasserfüllte Reaktion: die Zuneigung des kleinen Jungen für jene gequälten eingesperrten Kreaturen. Doug bleibt für die Welt ein Ausgestoßener, Verlass ist allein auf die Hunde, sie werden seine Weg- und Kampfgefährten. Das private Hundeasyl finanziert er mit raffinierten Diebestouren seiner Vierbeiner durch die Villen der Reichen.
Der Film beginnt mit einer nächtlichen Polizeikontrolle. Hinter dem Steuer des Lastwagens sitzt Doug blutverschmiert, in zerrissenem pinkfarbenen Abendkleid, mit blonder zerzauster Perücke, das aufgedunsene Gesicht weiß geschminkt. Auf der Ladefläche, dicht gedrängt: Hunde verschiedenster Rassen, still, gehorsam, als würden sie auf ein geheimes Signal warten. Die Beamten verhaften den Gesuchten. Mit verblüffender Offenheit erzählt Doug der Polizeipsychologin wenig später von den seelischen Abgründe seines Daseins und dem mörderischen Überfall einer rachsüchtigen Latino-Gang.
„DogMan“: das Gegenstück zum „Joker“
Luc Besson ist unverkennbar noch der Action-Virtuose und unbeirrbare Romantiker von „Leon – Der Profi“ . Es ging bei ihm schon immer um Liebe, Tod und Erlösung, wissend, dass seinen Protagonisten nie die Chance auf ein anderes Leben vergönnt ist. Aber wir entdecken eine neue Seite an dem französischen Regisseur: eine filigrane Tragik, Verletzbarkeit, Betroffenheit. „DogMan“ wirkt als ergreifendes wahnwitziges Erlöser-Epos wie das Gegenstück zum „Joker“. Vorbei die Zeiten hyperrealistischer Coolness und Erotik, stattdessen ein märchenartiger Neo-Noir, visuell meisterhaft umgesetzt. Caleb Landry Jones („Nitram“) ist als Robin Hood ähnelnder Hundeflüsterer wahrlich eine Offenbarung. Erschreckend und berührend die Eindringlichkeit mit der er sich gegen die eigene Hilflosigkeit wehrt. Seine Vergangenheit vergessen kann Doug nur für wenige Minuten, wenn er sich auf der Bühne in Lili Marleen oder Édith Piaf verwandelt.
„DogMan“, Regie: Luc Besson. Mit Caleb Landry Jones, Marisa Berenson, Christopher Denham. 113 Min. Ab dem 12. Oktober 2023 im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren
Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 10/2023 erschienen.