Filmkritik: „Eureka“

Lisandro Alonsos „Eureka“, unter anderem mit Viggo Mortensen, liefert einen dekolonisierten Blick auf indigene Kulturen
Durch Raum und Zeit geht es in die Tiefen der Amazonaswälder (©Grandfilm/Slot Machine)

South Dakota heute: Im Pine Ridge Reservat wütet ein Schneesturm, während im Fernsehen die immer gleichen alten Western-Streifen laufen. Alaina (Alaina Clifford), eine von wenigen Polizeikräften in der Gegend, hat Nachtdienst. In dem abgelegenen Örtchen bestimmen Armut, Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch den Alltag. Völlig überfordert und am Ende ihrer Kräfte fährt sie von Fall zu Fall. Auch Sadie (Sadie Lapointe) leidet unter der Perspektivlosigkeit, die im Reservat herrscht. Während Pine Ridge wie eine vergessene Welt unter der ebenen Schneedecke verschwindet, fasst sie einen Entschluss: Sie bittet ihren Großvater darum, ein Versprechen einzulösen, um ihre Kultur und den Weg der Kolonialisierung zu ergründen – durch Raum und Zeit in den Tiefen der Amazonaswälder im Jahre 1974.

„Eureka“: Ein stimmungsvoller Anti-Western

„Eureka“ mit Viggo Mortensen läuft seit dem 25. April in den deutschen Kinos (©Grandfilm/Slot Machine)

Gewohnt experimentell kehrt Lisandro Alonso („Jauja”) nach neunjähriger Pause mit einem neuen Film zum Thema Randgesellschaft zurück. In drei Akten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, kreiert er mit „Eureka“ ein Prisma indigener Kultur. Aus Hollywoods schwarz-weißem Wilden Westen – Viggo Mortensen als wortkarger Revolverheld, immer mit einem lockeren Finger am Abzug – über South Dakota bis nach Brasilien. Dort, wo die Kulturen aufeinandertreffen, bleibt für die einheimische Bevölkerung wenig übrig – abgeschnitten von ihren Wurzeln und ihren Traditionen, zurückgelassen in gesetzloser Einöde. Ein kritischer Blick auf den klassischen Western und sein gesellschaftliches Vermächtnis aus der Perspektive der einheimischen Bevölkerung.

Mit analytischem Blick und subtil-bedrückenden Bildern skizziert Alonso den Schmerz und die Ursachen des Identitätsverlusts durch Kolonialisierung. In Slow Cinema-Tradition spielt er mit Stille statt Soundtrack, Kryptierung statt Kontinuität, Authentizität statt Action. Das Ergebnis ist ein stimmungsvoller Anti-Western, der jedem Bild Zeit lässt, seine Wirkung zu entfalten und nicht selten das Zeitgefühl der Zuschauer auf die Probe stellt.

„Eureka“, Regie: Lisandro Alonso. Mit Alaina Clifford, Sadie Lapointe, Viggo Mortensen. 146 Min. Seit dem 25. April 2024 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 05/2024 erschienen.

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