Filmkritik: Fallende Blätter

„Fallende Blätter“ von Regisseur Aki Kaurismäki ist eine romantisch-minimalistische Tragikomödie mit wortkargen Proletarier-Helden in unverwechselbarer Achtziger-Jahre-Atmosphäre
Supermarktangestellte Ansa (Alma Pöysti) und Holappa (Jussi Vatanen) bringen den Mut für ein Date auf (©Sputnik Oy/Pandora Film)
„Fallende Blätter“ unter der Regie von Aki Kaurismäki ist ab dem 14. September 2023 im Kino (©Sputnik Oy/Pandora Film)

Freitagnacht in Helsinki. Nur widerwillig folgt Holappa (Jussi Vatanen) seinem Kumpel zum Karaoke-Abend in die Bar: „Starke Männer singen nicht“, so seine Überzeugung. Der eher schweigsame Arbeiter haust in einem Container auf der Baustelle, er trinkt zu viel, ist depressiv, doch dann trifft er auf die scheue, etwas mürrische Supermarktangestellte Ansa (grandios: Alma Pöysti), wie Holappa um die 40 und ebenso einsam. Stoisch haben beide die Trostlosigkeit am Rande der Gesellschaft ertragen, aber die Suche nach der großen, einzigen und endgültigen Liebe trotz aller Enttäuschungen nie aufgegeben.

Themen mit einer Chance auf mehr Humanität

Ihr erstes Date führt ins Arthouse-Kino zum Zombie-Epos „The Dead Don’t Die“ von Regisseur Jim Jarmusch (ein begeisterter Kaurismäki-Fan). Was so vielversprechend beginnt, scheitert zunächst an verlorenen Telefonnummern, der Unkenntnis von Namen und der Adresse des anderen. Verzweifelt lungert Holappa vor dem Kino herum, raucht eine Zigarette nach der anderen, während Ansa daheim auf das Telefon starrt, die Stille nur unterbrochen von den Radio-Nachrichten über den Krieg in der Ukraine. Und genau der Gedanke an diese Kriege quälte Aki Kaurismäki („Die andere Seite der Hoffnung“), den Meister der Melancholie, und war Auslöser für „Fallende Blätter“. Eigentlich hatte der finnische Regisseur keine Filme mehr drehen wollen, doch seiner Ansicht nach braucht es Themen mit einer Chance auf mehr Humanität.

Die Kunst der Aussparung

Beglückend, die Rückkehr in den wohlvertrauten Kaurismäki-Kosmos mit seinen wortkargen, spröden Proletarier-Helden, der unverwechselbaren Achtziger-Jahre-Atmosphäre – schon damals aus der Zeit gefallen und doch politisch aktuell. Wundervolle Rot- und Blautöne durchbrechen die Schäbigkeit des sozialen Abseits. Die lakonische, zärtliche Lovestory ist eine hinreißende Hommage an Filmemacher wie Bresson, Ozu und vor allem Charlie Chaplin, sie reflektiert auch frühere Werke des Autorenfilmers, der schon immer auf magische Weise die Kunst der Aussparung beherrschte. Musikalisches Highlight: der Live-Auftritt des Pop-Duos Maustetytöt. / Anna Grillet

Fallende Blätter“, Regie: Aki Kaurismäki. Mit Alma Pöysti, Jussi Vatanen, Janne Hyytiäinen. 81 Min. Ab dem 14. September 2023 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 09/2023 erschienen.

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