Archaisches Begehren

Mit „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ bringt Regisseurin Emily Atef („Mehr denn je“) eine ergreifende, vielschichtige Liebesgeschichte zum Thema Begierde ins Kino
Die fast 19-jährige Maria (Marlene Burow) gerät in eine Amour fou mit einem deutlich älteren Mann (©Pandora Film/Row Pictures)
Die fast 19-jährige Maria (Marlene Burow) gerät in eine Amour fou mit einem deutlich älteren Mann (©Pandora Film/Row Pictures)
„Irgendwann werden wir uns alles erzählen“, ab dem 13. April im Kino (©Pandora Film/Row Pictures)
„Irgendwann werden wir uns alles erzählen“, ab dem 13. April im Kino (©Pandora Film/Row Pictures)

Thüringen 1990, der erste Sommer nach dem Fall der Mauer, flirrende Hitze. Trotz ländlicher Idylle ist jene ungewohnte Spannung zwischen Zusammenbruch und Neuanfang überall spürbar: Begeisterung, Angst, Hoffnung, Resignation. Die bald 19-jährige Maria (Marlene Burow) lebt mit ihrem Freund Johannes (Cedric Eich) auf dem Bauernhof seiner Eltern, schwänzt die Schule, liest stattdessen unterm Dach Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“, manchmal hilft sie auf dem Feld.

Dann begegnet ihr Henner (grandios: Felix Kramer), mehr als doppelt so alt wie sie, sein Gehöft wirkt vernachlässigt, düster. Im Dorf gilt er als aggressiver, verschlossener Einzelgänger, aber auch als Frauenheld. Er trinkt, die Vergangenheit hat ihre Narben hinterlassen, ihn geprägt. Maria ist neugierig, will Grenzen austesten. Blicke treffen sich, eine zufällige Berührung ist Auslöser einer heimlichen Amour fou von unglaublicher Intensität, fast Gewalt. Die beiden versuchen sich gegen das alles überwältigende animalische Begehren zu wehren, flüchten voreinander. Vergeblich. Henner hatte Maria gewarnt, doch sie fürchtet nicht seine dunklen Seiten. Aus purer archaischer Begierde entwickelt sich Liebe, trifft die Akteure unvorbereitet.

Eindrucksvolle Momente

Schmerz und Verlorenheit verbindet das ungleiche Paar, Literatur scheint unentbehrlicher Bestandteil ihres Daseins. „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ ist eine gelungene Adaption des gleichnamigen Bestsellerromans von Daniela Krien. Regisseurin Emily Atef („3 Tage in Quiberon“) schrieb das Drehbuch zusammen mit der Autorin. Das Präzise, Minimalistisch-Karge der Vorlage wird übersetzt in betörende Bilder mit starkem Gelbfilter. Wundervoll, wie Atef die Gesten und Blicke choreografiert, raue Umarmungen, die Unterwerfung und Auflehnung signalisieren. Nie fehlt es den Protagonisten an Respekt füreinander. Das Schweigen, die Stille zwischen den Worten sind eindrucksvolle Momente in dieser zum Scheitern verurteilten Beziehung überdimensionaler Gefühle.

„Irgendwann werden wir uns alles erzählen“, Regie: Emily Atef. Mit Marlene Burow, Felix Kramer, Cedric Eich. 129 Min. Ab dem 13. April 2023 im Kino

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 04/2023 erschienen.

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