Es ist ein zahlreichen französischen Komödien innewohnendes Phänomen, dass sie noch so klischeehaft, erwartbar und manchmal auch albern angelegt sein können, und doch eine Leichtigkeit, einen Charme verströmen, dass sie alle Vorbehalte zerstreuen. Vielleicht aber liegt es auch daran, dass sie geschickt und ohne moralischen Zeigefinger doch tiefer bohren als die vermeintliche Harmlosigkeit zunächst glauben macht. Julie Delpys mal witzige, mal satirische Gesellschaftskomödie ist genau so ein Film. Ein bretonisches Dorf will eine ukrainische Familie aufnehmen, nicht ausschließlich aus selbstloser Hilfsbereitschaft, sondern auch um diese nach außen zu tragen. Doch statt einer ukrainischen Familie reist an einem regnerischen Tag eine Familie aus Syrien in die Provinz – und die Vorbehalte gegen die „Araber“ sind groß, bei dem primitiven, streng rechts-konservativen Klempner Hervé (Laurent Lafitte), dem kleinkarierten Supermarktbesitzer und auch dem umtriebigen Bürgermeister Sébastien Lejeune (Jean-Charles Clichet) wird etwas mulmig.
„Barbaren“:

Nur die unbeirrbare, idealistische Lehrerin Joëlle (Julie Delpy) und ihre frustrierte, dauerangetrunkene Freundin Anne (Sandrine Kiberlain) kämpfen für Toleranz und Gastfreundschaft. Zwischendurch verkrachen sich die beiden auch noch, weil insbesondere Anne mit ganz eigenen Verletzungen zu kämpfen hat. Und so zeichnet Delpy, die an dem Drehbuch mitgeschrieben hat, sehr unterschiedliche Figuren, die sie bei allen Missbilligungen, Verfehlungen und Absurditäten niemals bloßstellt. Sie versucht auszuloten, warum sich die Gesellschaft in der Flüchtlingsfrage derart spaltet – mal aus dümmlicher Ignoranz, mal aus überzeugter Fremdenfeindlichkeit.
Doch selbst die, die es gut meinen wie Joëlle, bleiben keine makellosen Helden, sondern verschrobene Gutmenschen. Leider schenkt sie der syrischen Familie etwas wenig Beachtung und skizziert sie als gütige, integrierungswillige Bildungselite. „Die Barbaren“ halten wenige Überraschungen bereit und man muss schon genau hinschauen, um bei aller klamaukigen Leichtigkeit die Ernsthaftigkeit und die satirischen Momente zu erkennen. Und doch ist es ein Film, der ohne Schaum vor dem Mund, den Finger in die Wunde einer oft scheinheiligen Gesellschaft legt.
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
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Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 06/25 erschienen.