Floorball: „Die schnellste Hallensportart der Welt“

Die Lady Piranhas vom Eimsbütteler Turnverband gehören im Floorball zur deutschen Spitzenklasse – ein Besuch
Flitzen gekonnt über den Hallenboden: ETV Lady Piranhas (©Felix Vatterodt)

Für unser Gespräch hat sich die frisch gebackene deutsche Floorball-Pokalsiegerin Randi Kleerbaum (26) vom Eimsbütteler TV ein Café in der City Nord ausgesucht. Es ist nicht leicht zu finden in der zweiten Etage eines etwas verwinkelten, riesigen Gebäudes. Die hier angebotenen Spezialitäten laden zum Verweilen und Genießen ein. Das Café ist jedoch menschenleer. Das Bild ist symbolisch.

Kleerbaum, die gerade eine Ausbildung zur Psychotherapeutin am UKE absolviert, wurde schon mit 15 Jahren deutsche Nationalspielerin im Floorball. Sie hat auf mehreren Kontinenten insgesamt sechs Weltmeisterschaften gespielt, die deutschen Farben vor bis zu 10.000 Zuschauern vertreten. Sie schießt als Flügelspielerin reichlich Tore und hat mit ihrem Team, das den schönen Namen ETV Lady Piranhas trägt, in der abgelaufenen Saison die deutsche Vize-Meisterschaft gewonnen. Dazu, schon zum zweiten Mal, den deutschen Pokal. Ein medialer Hype um Kleerbaum ist aber nicht ausgebrochen. Floorball ist eben nicht Fußball.

Floorball: dynamisch, schnell und viele Tore

Kleerbaum macht allerdings nicht den Eindruck, die Wahl ihres Sports zu bereuen. Seit sie als achtjähriges Mädchen vom Tanzen zum Floorball wechselte, ist sie Feuer und Flamme für ihre Sportart. „Floorball ist wie Eishockey ohne Eis. Es ist eben die schnellste Hallensportart der Welt. Sie ist leicht zu verstehen, toll anzuschauen, reißt einen sofort mit. Es passiert wahnsinnig viel auf dem Feld. Es macht mega Bock, Floorball zu spielen“, sagt Kleerbaum.

Die Ausgaben sind zum größten Teil Reisekosten

Johan Nilsson

Aktuell ist Sommerpause. Doch wer sich einmal ein Floorball-Spiel live oder im Internet (unter anderem auf Youtube oder Twitch) angeschaut hat, kann Kleerbaum verstehen. Eine Halle in Handballfeldgröße, zwei Eishockey-ähnliche Tore, Plastikschläger und ein Plastikball – mehr braucht es nicht. Die Regeln befördern ein extrem schnelles, dynamisches Spiel mit vielen Torchancen und Treffern. Gespielt wird in drei Dritteln jeweils 20 Minuten lang. Pro Team fünf Feldspieler plus Torwart. Bei jeder Unterbrechung wird die Uhr angehalten. Aufgrund der großen Herausforderung bietet jedes Team mehrere Blöcke auf, die zu unterschiedlichen Spielsituationen aufs Feld kommen. Die Akteure und der Ball flitzen dort nämlich immer wieder in sehr großer Geschwindigkeit hin und her. Man muss fit sein, um Floorball zu spielen. „Und ein ganz bestimmter Typ“, findet Kleerbaum. Sie macht das an ihrem Beispiel klar. „Ich habe schon immer gerne mit den Jungs gespielt. Und wenn es körperlicher wurde oder ich mal blaue Flecken hatte, weil ich den Ball abbekommen habe, war mir das nicht so wichtig. Beim Floorball musst du auch einen gewissen Biss zeigen.“

Viel Aufwand nötig

Die Belohnung für diesen Biss holte sich das Team der ETV Lady Piranhas in diesem Jahr im Final Four in der Berliner Max-Schmeling-Halle ab. Zu den ETV-Ligaspielen kommen 100 bis 200 Fans in die Sporthalle Hoheluft, nun waren 2000 Zuschauer da. „Wir sind zu einer Feuershow eingelaufen und wurden von mehreren Hundert mitgereisten Fans angefeuert. Unsere Fans kommen in Vereinsfarben und wir bezeichnen sie deshalb immer als ,die rote Wand‘. Es hat riesigen Spaß gemacht, vor dieser Kulisse zu spielen – und zu gewinnen“, sagt Kleerbaum. Den großen Rivalen UHC Cats Weißenfels besiegte das Team im Halbfinale nach 2:3-Rückstand mit 5:3, Zweitligist München im Endspiel mit 5:2.

Floorball ist wie Eishockey ohne Eis

Randi Kleerbaum

„Das Halbfinale war eines unserer besten Spiele. Es hat gezeigt, was für ein tolles und geschlossenes Team wir sind. In meiner persönlichen Highlight-Liste hat es bei mir ähnliche Gänsehaut ausgelöst wie unser Aufstieg mit der U19-Nationalmannschaft in die A-Division. Damals haben wir das entscheidende Spiel gegen die Kanadierinnen in Kanada mit einem Treffer eine Minute vor Schluss gewonnen“, erinnert sich Kleerbaum. Es waren noch die Zeiten, in denen die Spielerinnen teilweise selbst für ihre An- und Abreisekosten zu den Nationalmannschafts-Turnieren aufkommen mussten. „Ich habe irgendwann aufgehört, mir auszurechnen, wie viel Geld ich schon in Floorball investiert habe“, sagt Kleerbaum. „Mittlerweile engagiert sich aber der Deutsche Olympische Sportbund sehr für uns. Bei der letzten WM in Singapur mussten wir gar nichts bezahlen, worüber wir uns alle sehr gefreut haben.“

Geld lässt sich mit Floorball in Deutschland jedoch nach wie vor nicht verdienen. Floorball boomt eher in Ländern wie Schweden, Finnland, Tschechien und der Schweiz. „Unser Etat für die ETV Lady Piranhas beträgt pro Saison 25.000 Euro. Die Ausgaben sind zum größten Teil Reisekosten“, sagt ETV-Floorball-Abteilungsleiter Johan Nilsson (39). Endet die Saison, so wie in diesem Jahr, mit einer schwarzen Null, ist er zufrieden. Die Reisekosten werden dabei unter anderem über Geld aus den Fördertöpfen des Floorball-Verbandes Deutschlands finanziert.

Kann Floorball Breitensport werden?

Nilssons ETV hält in Hamburg die Floorball-Fahne schon seit 1998 hoch. 303 Mitglieder hat die Abteilung. Zusätzlich zu den Bundesliga-Damen und den beiden Herrenteams in der ersten und zweiten Bundesliga können Jugendliche in Teams aller Altersklassen beim ETV Floorball spielen. Die Geschichte der ETV Lady Piranhas ist dabei auch eine feministische Story mit etwas männlicher Unterstützung. „Wir fanden schon damals, dass die Mädchen und Frauen im Sport nicht genug Anerkennung bekommen. Deshalb haben wir Anfang der 2000er den Frauen bei uns eine Hallenzeit von den Männern gegeben, damit sie ihr Team entwickeln können. Auch die Umbenennung in ETV Lady Piranhas 2013 hat noch einmal einen Schub gegeben. Die Damen sind ein Aushängeschild für uns. Durch die ETV Lady Piranhas wollen auch mehr Mädchen bei uns spielen“, sagt Nilsson.

Insgesamt mehr Unterbau für die Sportart Floorball wünscht sich auch der Trainer der ETV Lady Piranhas, Kubilay Durasi (27). „Die Bundesligen darf es gerne weiterhin geben. Aber Floorball wird sich nur weiterentwickeln, wenn wir es auch als Breitensport aufziehen. Wir brauchen mehr Vereine und auch mehr Spaßligen. Es darf nicht nur um Leistungsorientierung gehen“, sagt Durasi. In der nächsten Spielzeit geht er in seine letzte Saison als Trainer der ETV Lady Piranhas. Der Aufwand ist für ihn langfristig nicht mehr zu stemmen. „Den Pokal haben wir jetzt zweimal geholt. Nun wünsche ich mir, dass meine Spielerinnen nicht so viel Verletzungspech haben wie diese Saison und wir deutscher Meister werden“, sagt Durasi.

Einmal die Meisterschaft holen, das ist auch ein Traum von Randi Kleerbaum. Und die Teilnahme an den World Games der nicht-olympischen Sportarten 2029, die in Karlsruhe stattfinden werden. Kleerbaum wäre dann 32 Jahre alt. „Ob ich so lange durchziehen will, weiß ich noch nicht“, sagt sie lachend. „Aber auf alle Fälle wünsche ich mir, dass Floorball bis dahin mehr Sichtbarkeit bekommt.“

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 07/2024 erschienen.

Abonniere unseren Newsletter!

Erhalte jeden Tag die besten Empfehlungen für deine Freizeit in Hamburg.

Unsere Datenschutzbestimmungen findest du hier.

#wasistlosinhamburg
für mehr Stories aus Hamburg folge uns auf