Frühe Feministinnen im Bucerius Kunst Forum

Wie bereits im 16. bis 18. Jahrhundert Künstlerinnen als Frühe Feministinnen ihren ganz eigenen Weg gegangen sind, zeigt die spannende Schau „Geniale Frauen“ im Bucerius Kunst Forum. Ein Gespräch mit der Kuratorin Dr. Katrin Dyballa
Giovanna Garzoni: Stillleben mit Schoßhund, um 1648 (©BPK / Scala - Courtesy of the Ministero beni e att. Culturali)
Angelika Kauffmann: Klio, Muse der Geschichtsschreibung, um 1770/75 (©Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Foto: Andreas Brücklmair)

SZENE HAMBURG: Dr. Katrin Dyballa, „Geniale Frauen“ heißt ihr Ausstellungstitel. Was ist an den gezeigten Künstlerinnen so außergewöhnlich?

Dr. Katrin Dyballa: Das ist von Künstlerin zu Künstlerin ganz unterschiedlich. Aber es ist allein schon genial, dass sie unter den damaligen Umständen überhaupt Möglichkeiten für sich gefunden haben, künstlerisch produktiv zu werden. Und, dass sie dabei zum Teil sogar ganz neue Wege beschritten haben.

Was für welche waren das?

Die Künstlerin Katharina von Hamesen aus Antwerpen zum Beispiel, die im 16. Jahrhundert im Atelier ihres Vaters groß wurde, hat das erste bekannte Selbstporträt überhaupt gemalt hat, dass einen Künstler oder eine Künstlerin vor der Staffelei zeigt. Da war sie gerade mal 20 Jahre alt und hat das Bild sicherlich auch genutzt, um auf sich aufmerksam zu machen.

Oder da ist Maria Sybilla Merian aus Frankfurt am Main, deren Stiefvater Jakob Marell einer der bekanntesten Blumenstillmaler damals war. Schon seit frühester Kindheit hatte sie ein Interesse an Blumen und Insekten und viel gezeichnet. Da es in dieser Zeit Frauen vor allem in Deutschland verboten war, in eine Malerzunft einzutreten und sie deswegen keine Ölbilder malen konnte, hat sie stattdessen mit der Papier- und Pergamentmalerei begonnen. Darin war sie sehr erfolgreich, hat ihren Mann verlassen und sich 1699 mit einer ihrer beiden Töchter auf die Reise nach Surinam gemacht. Das muss man sich mal vorstellen in dieser Zeit. Sie hat dort ihre Studien fortgeführt und ihre Bilder waren alles andere als dekorative Blätter, sondern wichtige Forschungsarbeiten, die auch publiziert wurden.

Besondere Künstlerinnen und moderne Männer

Über die Arbeiten dieser Künstlerinnen hinaus werfen Sie aber auch einen Blick auf ihr Umfeld.

Mich hat interessiert, wie es dazu kam, dass sie diese ungewöhnlichen Wege eingeschlagen haben. Dafür war es wichtig, den Blick zu öffnen und zu schauen, in welchem gesellschaftlichen und persönlichen Umfeld diese Künstlerinnen groß geworden sind. Wie sind sie ausgebildet worden? Kamen sie aus Malerfamilien? Oder gibt es auch Ausnahmen? So wie Maria van Osterwijk, die im 17. Jahrhundert im kleinen Nootdorp bei Delft geboren wurde und später ein Atelier in Amsterdam hatte. Wir wissen, dass sie bei Davidzoon de Heem gelernt hat, der damals ein sehr berühmter Stilllebenmaler war. Doch wie weit gibt es in ihren Werken Ähnlichkeiten? Oder wie lässt sich festmachen, dass die Künstlerinnen ihren eigenen Weg gegangen sind?

Einige der Künstlerinnen kannte ich zuvor auch nicht. Sie waren eine Entdeckung

Dr. Katrin Dyballa

Könnte man sagen, dass die Ausstellung nicht nur von besonderen Künstlerinnen erzählt, sondern auch von modernen Männern?

Auf jeden Fall. Da gibt es zum Beispiel das Paar Lavinia und Zappi Fontana, die um 1570 in Bologna gelebt haben. Ihr Mann Giovanni Paolo Zappi kam aus einer Malerfamilie, aber war bei Weitem nicht so erfolgreich wie sie. Deshalb hat er ihr den Vortritt gelassen, sich künstlerisch zu entfalten und hat die elf Kinder, die sie gemeinsam hatten, aufgezogen.

Was können wir bei der Gegenüberstellung der verschiedenen Werke erwarten?

Ganz Verschiedenes und Besonderes. Aus dem Rijksmuseum zeigen wir Werke Tintorettos und stellen sie denen seiner Tochter gegenüber. Die Künstlerin Judith Leister hingegen, die bis zu ihrer Heirat eine sehr erfolgreiche Künstlerin war, hat in der Werkstatt von Frans Hals und seinem Bruder Dirck gearbeitet. Sie waren damals in Haarlem führende Maler und man kann deren Einfluss in ihren Werken sehen, aber auch, wie sie ihren eigenen Stil fand. Wir zeigen etwa 30 Künstlerinnen der Ausstellung in kleinen Einheiten, in denen auch die Werke aus ihrem Umfelds zu sehen sind.

Viele aktuelle Bezüge

Lavinia Fontana, eine der frühen Feministinnen
Lavinia Fontana: Selbstporträt am Spinett, 1577 (Accademia Nazionale di San Luca, Roma/Foto: Mauro Coen)

Die meisten der Künstlerinnen kannte ich nicht. und auch Sie haben gesagt, dass Sie viel Neues gelernt haben.

Einige der Künstlerinnen kannte ich zuvor auch nicht. Sie waren eine Entdeckung. Genauso wie das Werk von Catharina Treu, die noch in keiner Ausstellung zu sehen war. Genauso wenig wie die Zeichnung von La Tintoretta, die sich im Privatbesitz befand und erst vor einem guten Jahr bei Christie’s versteigert wurde. Sie wird jetzt zum ersten Mal überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Welche Biografie hat Sie am meisten überrascht?

Das ist schwer zu sagen. Aber eine Biografie, die ich sehr ermutigend finde, ist die von Anna Dorothea Therbusch aus dem 18. Jahrhundert. Sie stammte aus einer Künstlerfamilie, hat dann aber mit 20 Jahren einen Gastwirt geheiratet und mehrere Kinder bekommen. Vielleicht hat sie in den Abendstunden gemalt, aber vor allem war sie Hausfrau, Mutter und hat ihren Mann unterstützt. Aber als ihre Kinder groß waren, hat sie es als Künstlerin erst an den Hof nach Stuttgart geschafft und dann nach Paris. Dort war sie einige Jahre als Malerin tätig, wurde in die Académie Royale aufgenommen und hat später als Künstlerin in Berlin gelebt. Ich finde, das ist eine Biografie, die man gut ins Heute spiegeln kann und die zeigt wie Mütter später noch mal ins Berufsleben einsteigen können und Karriere machen. Wie vieles andere in dieser Ausstellung hat das einen sehr aktuellen Bezug.

„Geniale Frauen“ ist vom 14. Oktober 2023 bis 28. Januar 2024 im Bucerius Kunst Forum zu sehen

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 10/2023 erschienen.

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