Filmkritik: „Fucking Bornholm“

Eine melancholische, bittersüße Sezierung bürgerlicher Familienidylle unter der Regie von Anna Kazejak
Bei Maja (Agnieszka Grochowska) hängt der Haussegen beim Familienausflug schief (©Arsenal Filmverleih)
Bei Maja (Agnieszka Grochowska) hängt der Haussegen beim Familienausflug schief (©Arsenal Filmverleih)

Wie jedes Jahr verbringen Maja (Agnieszka Grochowska) und Hubert (Maciej Stuhr) mit ihren beiden Söhnen und dem Studienfreund Dawid (Grzegorz Damięcki) ein paar Tage auf Bornholm. Gleich am ersten Abend geht Maja ans Eingemachte, als sie da am Lagerfeuer in den Dünen Bornholms sitzen. Beiläufig, ganz unaufgeregt und scheinbar aus dem Nichts erzählt sie von einem Traum, in dem sie mit einem Fremden Sex hat, irgendwo in der Öffentlichkeit oder zumindest draußen. Als ihr Mann Hubert ihr genau das wenig später vorschlägt, winkt sie müde ab. Dass in der Paar- und Elternbeziehung der beiden etwas nicht stimmt, ist da längst klar. Dawid ist frisch geschieden und darf erstmals einen Urlaub mit seinem zehnjährigen Sohn verbringen, seine neue, sehr viel jüngere Freundin Nina (Jasmina Polak) ist auch dabei, beäugt von Maja, ein wenig bewundert von Hubert. Nach der ersten Nacht der drei Jungens im Zelt ist Majas Jüngster komplett verstört. Spätestens als klar wird, was passiert ist und warum, gerät die ohnehin schon brüchige Ferienidylle mächtig ins Wanken. Denn die Handlungen der Kinder werfen die Erwachsene auf die eigenen zurück.

Unter der Regie von Anna Kazejak: „Fucking Bornholm“

„Fucking Bornholm“ von Anna Kazejak (©Arsenal Filmverleih)
„Fucking Bornholm“ von Anna Kazejak (©Arsenal Filmverleih)

In ihrem Drama seziert die polnische Regisseurin und Drehbuchautorin Anna Kazejak die scheinbar heile Welt einer durchschnittlichen Mittelklassefamilie, in der bei allem Fortschritt patriarchale Strukturen herrschen. Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau kümmert sich um die Kinder. Immerhin hat sie mal studiert und Hubert gesteht ihr gönnerhaft Aerobic, Pilates oder Yoga zu, wenn sie nur wollte. Kazejaks Drama erzählt von dysfunktionalen Familien, nicht im klassischen Sinne, vielmehr erinnern die Mechanismen an Ruben Östlunds „Höhere Gewalt“, von Männern, die in kritischen Situationen komplett versagen. Sparsam setzt Kazejak Dialoge ein, lässt die Gesichter, insbesondere das der herausragenden Grochowska sprechen, mit orchestralen Streichern die Dramatik anschwellen, kontrastiert die zunehmende Anspannung mit der in sanftes Licht getauchten Landschaft Bornholms. Es ist ein explizit weiblicher Blick auf die zunehmende Unbeholfenheit der Männer und auf emotionale Verletzungen in Beziehungen, nicht aggressiv, sondern melancholisch, manchmal witzig und am Ende traurig-triumphal. /

Fucking Bornholm“, Regie: Anna Kazejak. Mit Agnieszka Grochowska, Maciej Stuhr, Grzegorz Damięcki. 96 Min. Ab dem 01. Juni 2023 im Kino.

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 06/2023 erschienen.

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