Golden Pudel Club wieder mit Café: Barboncino Zwölphi

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Politisch aufgeladene Kulturfabrik: Barboncino Zwölphi / Foto: Ole Masch

Seit Ende Juli ist der Pudel wieder ganz. Das Barboncino Zwölphi ist das neue Café im Obergeschoss des berühmten Clubs. Passionierter Pudel-Freund und Mitglied im VerFüGe e.V. ist der Musiker Viktor Marek. Im Interview spricht er über Architektur, geplante Veranstaltungen und gesellschaftliche Solidarität in Zeiten des Rechtsrucks

Interview: Jan Paersch
Foto (o.): Ole Masch

Der erste Eindruck: ganz schön bunt. Draußen scheinen Farbeimer explodiert zu sein, so sehr strahlen den Besucher die grünen, pinken und blauen Pastellfarben an. Im Innenraum: mehrere Holzwände mit verschieden gestalteten Tapeten, große Hängelampen, rot und giftgrün gepolsterte Stühle. Eine teuer aussehende Espressoma­schine blinkt hinterm Tresen. Etliche Fenster geben den Blick auf die Werft Blohm+Voss auf der anderen Elbseite frei.

Eine Etage darüber, in den Räumen direkt un­ter dem markanten Sheddach, ist die Unterbringung des Park Fiction­-Archivs geplant. Auf der Mittagstisch-­Speisekarte im Café: arabische Spezialitäten. Gebratene Möhren, Couscous­-Salat, Belugalinsen, Hummus und Falafel – der große Teller für 7,50 Euro, ermäßigt für 6 Euro.

Es ist Anfang August, das Barboncino Zwölphi im oberen Stockwerk des Golden Pudel Clubs ist erst seit ein paar Tagen geöffnet. Frischer Holzgeruch hängt noch im Raum. An der Theke lehnt ein Pärchen und lobt das Konzept des in der Karte verzeichneten Espressos zum „schnell am Tresen trinken und abhauen.“ Nur einen Euro kostet das im Stehen genossene Heißgetränk hier – wie an einer italienischen Autobahnraststätte.

„Den Preis habe ich durchgesetzt“, grinst Viktor Marek. Der Musiker und Produzent ist auch Mitglied im Verein für Gegenkultur e.V., kurz VerFüGe und war maßgeblich an der Planung des neuen Cafés und Kulturraums beteiligt.

Lange Jahre wurde die obere Etage von einem Pudel­fremden Betreiber dominiert. Mit finanzieller Unterstützung der Mara­-&-­Holger­-Cassens-­Stiftung kaufte der Pudel­-Verein im Juli 2016 den Anteil des damaligen Miteigentümers auf. Der Club war zu dem Zeitpunkt aufgrund von Brandschäden geschlossen – nun darf im Pudel wieder unten und oben gefeiert werden.

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„Müssen solidarisch miteinander umgehen“: Viktor Marek / Foto: Jan Paersch

SZENE HAMBURG: Viktor Marek, ihr habt euch schon in der Vergangenheit als „Elbphilharmonie der Herzen“ bezeichnet. Musstet ihr das jetzt noch einmal unterstreichen, indem ihr euch den Zusatz „Zwölphi“ gegeben habt?

Viktor Marek: Ja, wir können’s nicht lassen. Wir brauchen immer einen mehr als die Elphi. Lauter, teurer, besser (lacht). Barboncino war uns irgendwie zu wenig. Die Kombination mag schwer merkbar sein, aber vielleicht etabliert sich noch eine Abkürzung. „Pudel oben“ wäre für uns auch okay.

Ihr meintet mal, ihr würdet kein weiteres Café auf St. Pauli eröffnen wollen. Was ist das Barboncino dann?

Das ist einfach ein Pudelchen oben­ drauf – Barboncino heißt wörtlich „Pudelchen“ auf italienisch. Die reine Café-Idee reicht uns tatsächlich nicht. Man kann bei uns nett sitzen und auf die Elbe gucken, aber es soll schon politisch aufgeladen sein, und die Veranstaltungen sollen das auch widerspiegeln. Von Anfang an wollten wir unbedingt mit Geflüchteten arbeiten.

Der Mittagstisch kommt vom Catering- Service Chickpeace, der von geflüchteten Frauen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, Irak und Somalia betrieben wird.

Genau. Wichtig ist uns, dass deren Bezahlung anständig ist. Momentan ist ihre Küche vor allem arabisch angehaucht, aber auch da werden sich die Dinge vielleicht noch ändern.

Ihr habt auch einen ermäßigten Preis beim Essen.

Auch wer wenig Kohle hat, sollte bei uns essen können. Wir wollen auf keinen Fall ein weiterer Gentrifizie­rungs-­Apparat in St. Pauli-­Süd sein. Wer hier schon seit Ewigkeiten wohnt, ist herzlich eingeladen, vorbei zu kom­men.

Seid ihr schon früher so auf die Nachbarn zugegangen?

Nun, als der Pudel gegründet wurde, war es wichtig, sich von der Gesellschaft abzugrenzen. Heute macht das keinen Sinn mehr, im Gegenteil: Wir müssen solidarisch miteinander umgehen. Der Rechtsruck ist eine riesige Gefahr. Wenn der Staat das schon nicht hinbekommt, müssen wir wenigstens untereinander zusammenhalten.

Uns haftete lange das Bild der hippen Künstler an, aber so wollen wir nicht mehr wahrgenommen werden. Wir bieten auch ein Flaschenbier für 2,20 Euro an – das ist fast so günstig wie in einer Eckkneipe.

„Wir wollen immer Raum für Quatsch lassen“

Im Golden Pudel Club kommen „Selbstbestimmtheit, Kratzbürstigkeit, Beklopptheit und Wärme zusammen“, heißt es in der Präambel eurer Stiftung. Wie verrückt darf ein Café sein?

Ich finde, es muss bekloppt sein. Hier oben wird vermutlich nicht ganz so viel mit Alkohol experimentiert. Aber wir wollen immer Raum für Quatsch lassen. Die Dinge sollen auch mal schiefgehen können.

Jetzt, wo das Grundstück gesichert ist und wir über die nächsten 40, 50 oder gar mehr Jahre nachdenken können, können wir eine gewisse Grundentspanntheit mitbrin­gen. Früher haben wir von Jahr zu Jahr gelebt und wussten gar nicht, ob wir nicht doch bald schließen müssen.

Jetzt habt ihr viel vor: Lesungen, Konzerte, Workshops.

Wir haben gleich den „Kaiserwetter“­-Dienstag wiederbelebt, der früher unten im Club stattfand. Da haben schon so illustre Gäste wie DJ Koze oder DJ DSL aufgelegt. Der Fokus liegt aber nicht auf Tanzmusik. Es darf stattfinden, was sonst auf der Strecke bleibt.

Ich selbst werde 7­inch-­Platten von Flohmärkten in Palermo, Athen und Tokio auflegen. Lesungen von Kathrin Weßling und Gereon Klug sind auch geplant, dazu Salonabende mit Rocko Schamoni und Schorsch Kamerun, Filmabende von der HfbK und eine Veranstaltung vom Hamburger Comicfestival. Die „Untüchtigen“ sollen auch wieder stattfinden, eine politische Reihe, die schon im mittlerweile geschlossenen Golem stattfand.

Was hat das Barboncino gekostet?

Wir haben circa 200.000 Euro an Spenden und 100.000 Euro an öffentlichen Geldern von der Bezirksversammlung Altona bekommen, aber die Summe hat nicht gereicht. Das fehlende Geld hat uns die Mara­-&-­Holger­-Cas­sens­-Stiftung geliehen, das zahlen wir über einen langen Zeitraum zurück.

Krone und Pudel-Frisur

Wie kamt ihr auf das markante Dach mit den drei aneinander gelehnten Pultdächern?

Wir tranken Bier mit dem Architekten, und der zeichnete diese Krone gleich auf eine Serviette. Die Gestaltung erinnert an eine alte Fabrik, die typischerweise mit einem Sheddach da­herkommt. Und es erinnert natürlich an das Logo des berühmten englischen New­-Wave­-Labels Factory Records. Es soll demonstrieren: Hier wird gearbeitet, hier soll etwas geschaffen werden. Aber es bezieht sich natürlich auch auf eine Pudel­-Frisur.

Wenn man sich drinnen so umschaut – ganz schön viel Holz hier.

Am Anfang war es zu holzig hier – es sah aus wie eine Sauna! Wir haben mit der individuellen Tapetengestaltung dagegen gearbeitet.

Mir gefällt besonders das Spielkartenmuster. Wie seid ihr die Gestaltung des Innenraumes angegangen?

Der Regisseur Lars Jessen hat ein­mal einen Film über sterbende Gasthöfe in Dithmarschen gemacht. Eine der Kneipen stand in Meldorf, und nachdem die schließen musste, übernahm Lars die komplette Einrichtung und lagerte sie ein. Er ist ein Freund von Rocko Schamoni, und kontaktierte uns gleich, als er von dem Projekt hörte.

Wir wollten die Möbel aber nicht bloß auf museale Art ausstellen. Also gab es eine Zwischenlösung: Lampen und Möbel sind zum größten Teil aus dem alten Gasthof, der Tresen mit seiner Sechzigerjahre­-Anmutung wurde dagegen komplett neu gebaut. Wir wollten auch keine hohe, brachiale Bühne, es sollte eher eine Stufe sein. Das macht das ganze demokratischer.

Der Pudel – ein Hort der Demokratie?

Nun ja. Letztlich sind wir wohl doch Anarchisten.

Barboncino Zwölphi: St. Pauli Fischmarkt 27


Dieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, September 2019. Titelthema: Mobilität – Das bewegt die Stadt. Das Magazin ist seit dem 29. August 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich! 


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