Grafy, 23, entschied sich nach dem Abitur, hauptberuflich Künstler zu werden. Das Zusammenspiel von Abstraktion und Realismus zeichnet seine Kunst aus. Sein Malstil kombiniert Techniken und Arbeitsweisen vergangener Epochen auf neue Art und Weise. Grafy hat mittlerweile Kunden in aller Welt
Inteview & Foto: Markus Gölzer
SZENE HAMBURG: Grafy, wie hast du gemerkt, dass du Künstler werden willst?
Grafy: Das ist eigentlich ein ganz natürlicher Prozess gewesen. Der einschneidenste Punkt war tatsächlich: Mit 16 war ich in New York, habe dort die ganzen großen Künstler in Museen gesehen und war absolut begeistert. Mich hat die Frage getrieben, was einen Künstler veranlasst, seine Werke zu machen. Daraus ist meine Energie entstanden, Kunst zu machen. Das hat sich mit der Zeit geformt, und jetzt sind es diese alltäglichen Dinge wie Gespräche, die mich inspirieren. Es kann alles sein, was mich zu einem Werk treibt.
Wie waren die Reaktionen in Familien- und Freundeskreis?
Langwieriger Prozess (lacht). Also, das Wort „Brotlose Kunst“ wird einem natürlich schnell in die Wiege gelegt. Ich war überzeugt, dass das so nicht sein wird. Und nachdem ich da mit so einer Leidenschaft ran gegangen bin, wusste ich, dass ich Erfolg haben werde – wenn ich es so in meinem Herzen weiter fühle. Aber die ersten zwei Jahre waren schon manchmal ein Überzeugungskampf. Danach hatte ich dann die volle Unterstützung. Viele Zweifler sind heute irgendwie kleine große Fans.
Wäre für dich noch ein anderer Beruf infrage gekommen?
Nein, absolut nicht.
Der eigene Weg
Du bist Autodidakt, warst nie auf einer Kunsthochschule. Warum?
Die Düsseldorfer Kunstakademie hatte einen Claim auf der Website: „Kunst kann man nicht lernen.“ Das ist auf alle Fälle mein Motto. Ich liebe es, aus mir selbst die Kunst herauszuziehen und daraus mein eigenes Weltbild und meine eigene Kunst zu erschaffen. Deshalb habe ich mich dagegen entschieden.
Wie würdest du deinen Stil bezeichnen?
Ich habe bewusst einen Künstlernamen gewählt, der einen – meinen – Stil beschreiben könnte: Grafy. So steht eine Mixtur aus Graffiti, Fotografie und Kalligrafie für meinen Malstil – keine gelernte, ‚klassisch-etablierte‘ Stilrichtung.
Was macht gute Kunst für dich aus?
Das ist sehr individuell. Und natürlich subjektiv. Für mich macht gute Kunst aus, dass sie Tiefgang und Energie hat. Und dass sie etwas mit den Menschen macht. Beziehungsweise, was sie mit mir macht. Wenn ich ein Kunstwerk anschaue, dann soll es einfach vor Energie strotzen, ein Thema haben, es auf den Punkt bringen. Das macht für mich gute Kunst aus.
Hast du Vorbilder?
Vorbild ist so ein Wort … Ich würde sagen, dass ich bei Menschen Inspiration finde. Und ich finde den Gedanken toll, dass mein eigenes schaffendes Zukunfts-Ich mein Vorbild sein könnte (lacht).
Hast du einen Plan, wo dein Zukunfts-Ich in zehn Jahren stehen soll?
Man weiß natürlich nie, wie sich der Weg so entwickelt und was daraus entsteht, aber ich weiß auf alle Fälle, dass ich bestimmte Dinge noch erreichen möchte. Vor allem möchte ich den Weg dahin genießen.
Ran an die Großen
Du traust dich an die ganz Großen ran: Muhammad Ali, Nelson Mandela, Karl Lagerfeld, Frida Kahlo. Faszinieren dich Ikonen, ist das ein Kommentar zum Personenkult oder ganz unironisch eine Verbeugung vor ihnen?
Tatsächlich, wie anfangs gesagt, interessiert mich: Was treibt eine bestimmte Persönlichkeit an? Ich habe sehr viel über Künstler gelesen und irgendwann bin ich auf Ikonen gestoßen. Ich habe mich da eingelesen und fand sehr viele Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Nelson Mandela und Muhammad Ali unheimlich stark. Das ist zum einen die Ikone, und wenn man dann in die Tiefe geht, bekommt man ein komplett anderes Bild von der Person. Und das finde ich unglaublich spannend, daraus für sich selbst seine Lehren zu ziehen.
Deine Bilder sind dann auch so eine Art Tiefenanalyse.
Auf alle Fälle. Ich habe deren Leben sozusagen dargestellt. Habe versucht, das in einem Bild kompakt zu präsentieren. Oder auch eine bestimmte Lebenssituation.
Was bewegt dich sonst noch so?
Ich liebe die Ästhetik. Ich liebe psychologische Themen. Wenn ich eine Person interessant finde und sie eine Emotion bei mir auslöst, dann stelle ich sie dar. Das finde ich unheimlich spannend.
Selfmade
Hast du eine Galerie, die dich vertritt oder vermarktest du dich selbst?
Ich vermarkte mich tatsächlich selbst, aber ich habe auch Galerien, mit denen ich zusammenarbeite.
Wie vermarktest du dich?
Soziale Medien spielen eine Rolle. Aber hauptsächlich über mein eigenes Netzwerk.
Wie hast du das aufgebaut?
Auch das ist wieder ein Prozess. Ich bin zu Ausstellungen gegangen, habe versucht, Menschen aus der Kunst kennenzulernen. Davon lebt ja auch meine Kunst. Ich liebe es, mich zu unterhalten, zu lernen, daraus Inspiration zu ziehen. Und irgendwann lernt man dann Menschen kennen, die verstehen, was man mit seiner Kunst ausdrücken will. Und diese Menschen unterstützen einen dann, indem sie die Kunst kaufen.
Hattest du so etwas wie einen Mäzen, der dich besonders gefördert hat?
Ich habe Kunstsammler als Kunden, die mehrere Werke gekauft haben, aber einen Mäzen als solchen nicht.
Was kostet ein echter Grafy?
Kommt darauf an. 3.000 Euro aufwärts und es geht dann je nach Größe auch ins Fünfstellige. Einen fixen Preis zu nennen, ist schwierig, aufgrund der unterschiedlichen Techniken, Maße und Materialien.
Graffiti kommt aus dem HipHop-Kontext. Hörst du Rap?
Ich höre vieles gern, auch Rap. Aber ich komme nicht aus der Streetart-Szene. Auch wenn meine Kunst viele Streetart-Einflüsse hat. Aber das liegt daran, dass ich Graffities unheimlich interessant finde, wegen der hohen Lack-Deckkraft, einer Verschmelzung aus Pigmenten und Harz. Ich finde aber auch Kalligrafie spannend, experimentiere viel mit Materialien.
Darum Hamburg
Du bist von Lübeck nach Hamburg gezogen. Warum?
Ich liebe das Hanseatische. Die Kunstwelt hier ist offener. Ich habe mich da sofort hingezogen gefühlt. Ich war, wie gesagt, auch auf vielen Ausstellungen, und der Kulturbereich hier ist natürlich anders als in Lübeck. Ich liebe Hamburg und werde hier auf alle Fälle länger bleiben.
Was inspiriert dich an Hamburg?
Vor allem die Menschen.
Was würdest du jungen Menschen mit auf den Weg geben, die auch Künstler werden wollen?
Einfach machen. Jeden Tag dahinter zu sein. Sich ein Ziel vor Augen zu setzen, wo man hinmöchte. Das zu definieren. Galerien, Ausstellungen, Museen besuchen, sich weiterentwickeln. Immer daran festhalten.
Wann und wo kann man deine nächste Ausstellung besuchen?
Im Oktober in der Barlach Halle K am Klosterwall.
SZENE HAMBURG Stadtmagazin, August 2021. Das Magazin ist seit dem 29. Juli 2021 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!