Christelle Yobo: „Das Hauptziel ist Integration“

Christelle Yobo ist Gründerin des interkulturellen Vereins NaJe e. V., Vorstandsvorsitzende der SPD Rothenburgsort, Arbeitsvermittlerin, Organisatorin des NaJe-Festivals und unsere Hamburgerin des Monats Juni. Ein Gespräch über Integrationsarbeit, Heimweh und Zeit, die rennt
„Seit meiner Kindheit wollte ich etwas für die anderen tun“: Christelle Yobo (©Natan Azo)
„Seit meiner Kindheit wollte ich etwas für die anderen tun“: Christelle Yobo (©Natan Azo)

SZENE HAMBURG: Christelle, Sie sind Gründerin vom NaJe e. V. NaJe steht für Liebe und Wohlstand. Wie spiegelt sich das in Ihrer Arbeit?

Christelle Yobo: Wir arbeiten sehr gerne mit Migranten. Wir unterstützen sie auf ihrem Integrationsweg, damit wir ihre Kompetenzen für die Zivilgesellschaft wieder nutzbar machen.

Wie ging das los? Wo haben Sie Handlungsbedarf gesehen?

Seit meiner Kindheit wollte ich etwas für die anderen tun. Ich war sehr emphatisch, habe mir immer gewünscht, sozial zu arbeiten. Das Wort „ehrenamtliche Arbeit“ war mir natürlich fremd. Ich bin zum Studium nach Deutschland gekommen. Nach dem Abschluss hab ich mir gedacht: So, jetzt kannst du etwas für die Gesellschaft tun. Ich habe die Initiative ergriffen, für Migranten was zu machen. Besonders für Menschen afrikanischer Herkunft, aber auch aus anderen Regionen. 2019 haben wir das erste NaJe-Festival organisiert, 2020 haben wir den NaJe-Verein im Amtsgericht registrieren lassen.

Was sind die Ziele von NaJe e. V.?

Unsere Hauptthemen sind Bildung, Migration, Entwicklungspolitik und Kultur. In diesem Rahmen machen wir Projekte mit Kindern, Jugendlichen, Senioren, Erwachsenen. Das Hauptziel ist Integration. Wir finden es gut, wenn sie politisches Interesse haben, wollen, dass sie sich wirtschaftlich mitbeteiligen, ehrenamtlich arbeiten, sich nutzbar machen für die Gesellschaft.

Ich habe die Initiative ergriffen, für Migranten was zu machen

Christelle Yobo

Wie finanziert sich NaJe e. V.?

Über Mitgliedschaftsbeiträge und bei Projekten durch Fördermöglichkeiten. Die Stadt Hamburg finanziert unser Nachhilfeprojekt und unser Frauensachenprojekt. Wir verteilen einmal im Monat kostenlos Lebensmittel an Frauen und leisten Integrationsarbeit, indem wir sie aufklären über Themen wie Gesundheit oder Kindererziehung, damit sie sich auch selbst wohlfühlen. Wir haben verschiedene Sponsoren beim NaJe-Festival. Bei Workshop-Projekten machen wir Partnerschaften oder Kooperationen, zum Beispiel mit dem Helferteam Rothenburgsort und der AWO Rothenburgsort. Es gibt immer gezielt verschiedene Förderträger.

Was war Ihr schönstes Projekt?

Ein Ausflug mit Kindern und Jugendlichen in die Schwarzen Berge. Nicht mal außerhalb von Hamburg, aber das war so schön. Die Kinder waren überglücklich. Wir wollen das wiederholen oder für eine Woche gemeinsam Urlaub machen. Das Ganze war kostenlos, weil sie aus benachteiligten Familien kommen, die von Sozialhilfe leben. Wenn wir so etwas anbieten, wird das herzlich angenommen.

Vermissen? Die Mutter, das Essen, die Sonne und die Gelassenheit

Laut Ihrer Seite sind Sie an der Elfenbeinküste geboren. Wie sind Sie nach Hamburg gekommen?

Durch ein Kulturprojekt bei der Expo 2000. Dann bin ich zurückgeflogen, hab mein Studium zum Teil gemacht und dann 2001 wieder nach Deutschland gekommen, um hier zu studieren. Heute arbeite ich als Arbeitsvermittlerin. Das macht Spaß. Ich habe durch die Expo ja zum ersten Mal Deutschland gesehen und mir gedacht: Hier musst du leben. Alles so sauber, gut organisiert und strukturiert (lacht). Das war eine gute Entscheidung.

Ab und zu Heimweh?

Ich habe da Familie, meine Mutter und mein Bruder leben noch an der Elfenbeinküste. Wir sehen uns nicht so oft, man hat immer Heimweh. Im Februar, März war ich da, das war wieder wunderschön.

Was vermissen Sie am meisten?

Außer meiner Mutter das Essen, die Sonne und die Gelassenheit (lacht). Wenn ich da drüben bin, habe ich kein Zeitgefühl mehr. Da habe ich das Gefühl, die Zeit rennt hinter mir her. Wenn ich in Deutschland bin, renne ich der Zeit hinterher. Ich bin oft unter Zeitdruck, dies muss ich organisieren, das muss ich machen. Bei meiner Familie ist es immer schön, da ist es sehr lokal, warm, stresslos, es ist ein Cocktail aus Emotionen.

„Interkulturelle Nachbarschaft – Wir feiern Solidarität und Vielfalt“

Am 23. Juni 2023 startet das NaJe-Festival im Elbpark Entenwerder. Was erwartet die Besucher?

Die Besucher werden überglücklich sein, es wird magisch und festlich, denn wir haben tolle Künstler ausgesucht: Dobet Gnahoré, die in der Elbphilharmonie gespielt hat, Musiker und Bands aus Kamerun, Senegal, Burkina Faso, Brasilien und Deutschland – viele gute Leute! Es gibt unseren Polit-Talk, ein Business-Village, einen Basar und Gastrostände aus verschiedenen Ländern. Als Highlight hält unser Erster Bürgermeister Herr Peter Tschentscher die Eröffnungsrede. Die Einnahmen spenden wir für den Bau einer Schule an der Elfenbeinküste. Der Eintritt ist dazu noch frei.

Das alles gibt uns das Gefühl, Superhelden zu sein

Christelle Yobo

Gibt’s ein übergeordnetes Thema?

Das Festival ist interkulturell, wir tauschen uns aus über Politik, Wirtschaft, Umwelt, Kultur oder Soziales. Wir sprechen über Diskriminierung, Rassismus, über Themen, die für die Teilnehmer wichtig sind. Unser diesjähriges Motto ist „Interkulturelle Nachbarschaft – Wir feiern Solidarität und Vielfalt“. Wir stellen die Solidarität in den Vordergrund.

Soziale Beratung,  Nachhilfekurse, Jobcoaching und vieles mehr

Was machen Sie neben NaJe e. V.?

Ich arbeite als Arbeitsvermittlerin im Jobcenter, bin politisch engagiert, bin Vorstandsvorsitzende der SPD in Rothenburgsort, bin im Vorstand vom Stadtteilrat, Mitglied im Elbbrückenausschuss, Leiterin des Seniorentreffs AWO-Rothenburgsort – und nicht zu vergessen: Ich bin Mutter von zwei wunderbaren Kindern (lacht).

Was treibt Sie an?

Für andere da zu sein, sie zu unterstützen, zu helfen, zu begleiten. Ich habe Anfang des Monats für eine alleinerziehende Dame mit drei Kindern, die in einem katastrophalen Zustand gelebt hat, eine Wohnung gefunden. Das war für mich ein super Ereignis. Wir haben es durch unseren Partner bgfg (Baugenossenschaft freier Gewerkschafter) geschafft, zu organisieren, was man für eine Wohnung braucht: Bett, Tisch, Stühle, selbst für die Küche konnten wir alles besorgen. Was wir mit unserer Vereinsarbeit so machen – soziale Beratung,  Nachhilfekurse, freitags ein Jobcoaching, einen Männertreff, das Projekt Frauensache, in Afrika unterstützen wir Frauenkooperativen, bauen Schulklassen mit Spielplätzen – das alles gibt uns das Gefühl, Superhelden zu sein. Für die anderen da zu sein, dass sie auch Anteil an dieser Gesellschaft haben, diese Teilhabe, das ist für uns sehr wichtig.

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 06/2023 erschienen.

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