Er liebt seinen Beruf: Schwimmmeister Frank Dobirr

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Frank Dobirr ist seit über 40 Jahren Bade- und Schwimmmeister (Foto: Jakob Börner)

Es gibt zu wenig Bade- und Schwimmmeister. Doch dass der Job alles andere als unattraktiv ist, beweist Frank Dobirr. Seit 40 Jahren sorgt er in Hamburgs Schwimmbädern für Sicherheit. Sein Wunsch: Lasst uns mehr Rücksicht aufeinander nehmen

Text: Felix Willeke
Interview: Ulrich Thiele

„Paule heißt er, ist Bademeister im Schwimmbad an der Ecke“, sangen schon die Ärzte 1984. Doch einen „Paul“ gibt es in Hamburg immer seltener: 2022 herrscht Bade- Schwimmmeistermangel. Das bestätigt ein Sprecher von Bäderland Hamburg SZENE HAMBURG. In Hamburg muss kein Schwimm- oder Freibad deswegen schließen, es komme jedoch schonmal zu eingeschränkten Öffnungszeiten.

„Der Job passt nicht mehr zur Lebensvorstellung der Menschen.“

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In Hamburg musste noch kein Schwimmbad wegen Bademeistermangel schließen (Foto: unsplash/Andreas Felske)
In Hamburg musste noch kein Schwimmbad wegen Bademeistermangel schließen (Foto: unsplash/Andreas Felske)

Das Problem: Es fehlt Personal. Einerseits im Nachwuchs, wo auch Qualität der Bewerber:innen zu wünschen übrig lässt: „Bei einigen sehen wir schon nach 15 bis 20 Metern beim Vorschwimmen, dass sie nicht ausreichend schwimmfähig sind“, so der Sprecher von Bäderland Hamburg. Und andererseits fehlen die Saisonarbeiter:innen. Alleine Bäderland Hamburg benötigt für die Freibadsaison 40 bis 50 zusätzliche Angestellte. Doch viele, die den Job früher als Saisonkraft im Sommer gemacht haben, haben sich während der Pandemie anderweitig umgeschaut. Es sei ähnlich wie in der Gastronomie, so der Sprecher von Bäderland Hamburg: Der Job als Schwimmmeister erfordere auch Arbeit am Abend, am Wochenende und an Freitagen und das passe nicht mehr zur Lebensvorstellung der Menschen.

Dabei gehören Schwimmbäder zur Daseinsvorsorge und Bäderland Hamburg ist ein städtischer Betrieb. Damit ist die Arbeit der Schwimmmeister sicher. Und dass sie auch erfüllend sein kann, beweist Frank Dobirr. Seit 40 Jahren sorgt er in Hamburgs Schwimmbädern für Sicherheit und „passt auf, dass niemand ertrinkt“, wie es schon die Ärzte sangen – ein Gespräch über Handys, Rücksicht und die Liebe zum Beruf.

„Ich liebe meinen Beruf“

SZENE HAMBURG: Herr Dobirr, sind Sie Schwimmmeister oder Bademeister?

Ich bin Schwimm­meister – und zusätzlichnoch Saunameister.

Was ist der Unterschied?

Bademeister ist ein medizinischer Beruf. Das geht in Richtung Masseure und hat viel mit Wannen­ und Wasser­anwendung zu tun. Ein Schwimm­meister kümmert sich um die Wasser­aufbereitung, die Sicherheit, Verfah­renstechniken, die angewendet werden, um die Wasserqualität sicherzustellen, Schwimmunterricht, Kindergeburts­tage und Animation, Sauna, Kasse, Per­sonal. Im Alltagsgebrauch wird aber auch der Schwimmmeister als Bade­meister bezeichnet.

Warum wollten Sie Bade-, pardon: Schwimmmeister werden?

Ursprünglich wollte ich Masseur werden. Aber auf die 40 Ausbildungs­stellen kamen über 1.000 Bewerber,da habe ich mir nicht so viele Chan­cen ausgerechnet. Da ich aus dem Schwimmsport kam, haben mir Bekannte meiner Eltern die Hamburger Wasserwerke empfohlen, die damals für die Schwimmbäder zuständig waren. Also habe ich mich da beworben – zum Glück.

Von den 40 Jahren als Schwimm­meister haben mir 39,5 Jahre richtig Spaß gemacht. Ich liebe meinen Beruf, die Herausforderung, die Abwechslung. Das Arbeiten mit den Kundenund Kollegen ist sehr vielschichtig,was ich damals gar nicht so erwartet hatte. Letztendlich besteht der Berufaus 15 verschiedenen Berufsfeldern.

„Wir müssen den menschliche Körper kennen“

Schwimmeister Frank Dobirr

Und zwar?

Wir Schwimmmeister müssen uns mit Reinigungstechniken auskennen, mit dem Kassenwesen, mit Verwaltungs­aufgaben, dem Wassergehalt, der Auf­sicht, der Sauna. Wir können auch handwerkliche Aufgaben übernehmen.

Besonders wichtig ist, das wir die Physiologie des menschlichen Körpers kennen, wie die Lage der Organe oder die Funktion der Leberwerte und welche Symptome ein Herzinfarkt hat, damit wir entsprechend reagieren können. Meine Frau ist Krankenschwester, als ich meinen Meister gemacht habe, hat sie nur gestaunt, was ich alles lernen musste.

Schwimmmeister: Ein vielfältiger Job

Wie sieht ein typischer Tagesablauf aus bei so vielen Aufgaben?

Das kommt darauf an, ob ich Früh-­ oder Spätschicht habe …

Sagen wir Frühschicht …

Meine Frühschicht fängt in der Wo­che um halb sechs an. Zuerst teile ich das Personal ein. Dann geht es mit den Reinigungsarbeiten los: Ich messe die Wasserparameter, überprüfe, ob die Temperaturen überall stimmen und ob die Betriebssicherheit gegeben ist. Dann reinige ich das Schwimmbad und gegen halb sieben kommen die ersten Gäste – ab dann machen wir zu zweit Aufsicht. Zwischendurch kommt die Ablösung und ich springe derweil in anderen Bereichen ein: Kassenablösung, Sauna­aufgüsse. Nachmittags um halb drei kommt die Spätschicht zur Übergabe.

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Die Freibadsaison ist eröffnet! (Foto: Joe Pizzio)

Ein sorgloser Umgang mit dem Leben der Kinder

Was sind die häufigsten Zwischenfälle?

Es gibt immer mal wieder Unfälle, wenn Gäste barfuß am Beckenrand zu schnell laufen und ausrutschen. Oder wenn ein Gast rückwärts schwimmt und mit einem anderen zusammenstößt – dann gibt es mal eine Beule. Manch­mal gibt es auch Meinungsverschieden­heiten zwischen Badegästen.

Hören die Gäste auf Sie?

Wenn ich dem Gast in einer sach­lichen Sprache erkläre, warum das,was er macht, jetzt gerade nicht angesagt ist, dann hört er in der Regel auf mich. In den seltensten Fällen muss ich mir mal Unterstützung bei den Kolle­gen in Uniform holen. Ich bin jetzt fast 40 Jahre dabei. Wenn unsere Badegäste in die Halle kommen, erkenne ich schon, wen ich im Auge behalten muss.

„Die Smartphone-­Zombies laufen nicht nur auf der Straße herum

Schwimmeister Frank Dobirr

Woran erkennen Sie das?

Das ist einfach ein Bauchgefühl, erfahrungsbedingt. Mit der Zeit habe ich gelernt, Menschen anhand ihrer Körpersprache zu beurteilen.

Was ist die auffälligste Veränderung in den 40 Jahren?

Handys. Die Smartphone-­Zombies laufen nicht nur auf der Straße herum. Eltern kommen mit ihren Kindern zu uns, scrollen dabei permanent auf ih­ren Smartphones. Manchmal sehe ich, wie Kleinkinder mit Windeln unbeauf­sichtigt am Beckenrand herumlaufen oder sich über das Wasser beugen – da müssen sie nur das Gleichgewicht ver­lieren, um kopfüber ins Wasser zu fallen. Dieser sorglose Umgang mit dem Leben der Kinder ist schon auffällig.

„Wir sind keine Kita“

Wie reagieren Sie in so einem Fall?

Wenn wir feststellen, dass ein vier­jähriges Kind allein herumläuft, spre­chen wir es an und fragen, wo seine Eltern sind. Die stellen wir dann zur Rede: „Sie haben Ihre Aufsicht vernach­lässigt. Wenn was passiert, werden Sie Ihres Lebens nicht mehr froh.“ Meist kommen die Eltern ganz schön ins Schwitzen, wenn man ihnen die Kon­sequenzen klar aufzeigt.

Es ist nichtso, dass wir keine Lust haben, auf die Kinder aufzupassen – aber das ist die Verantwortung der Eltern.

Sind die Eltern überhaupt einsichtig?

Viele reagieren empfindlich, des­wegen muss ich mit viel Fingerspitzen­gefühl das Gespräch versachlichen. Dann zeigen sich die meisten Eltern auch einsichtig. Es gibt aber auch sol­che, die das nicht einsehen, nach dem Motto: „Wir haben Sie ja schließlich be­zahlt.“ Wir sind aber keine Kita. Und im Schwimmbad müssen kleine Kin­der einfach besonders gut beaufsichtigt werden, vor allem wenn sie noch nicht schwimmen können.

„Es dauert nicht lange, bis ein Kind ertrunken ist“

Mussten Sie schon rettend eingreifen?

Einmal ist ein zwölfjähriges Mäd­chen auf der Beckenkante abgerutscht und ins Wasser gefallen. Zum Glück konnte ich schnell eingreifen. Das Mäd­chen hatte einen Stimmritzenkrampf, deswegen ist kein Wasser in die Lunge gekommen. Aber ihr Gesicht war schon taubengrau. Das ist ein schrecklicher Anblick.

Es dauert nicht lange, bis ein Kind ertrunken ist, und genau deswe­gen ist die Aufsichtspflicht der Eltern so wichtig. In diesem Fall haben die Eltern allerdings ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt, da das Mädchen schon zwölf und allein im Schwimmbad war.

Was ging in dem Moment in Ihnen vor?

In solch einem Moment kippt ein Schalter um – klack – und dann gilt nur noch: Reagieren. Machen. In dem Mo­ment war ich ganz klar und der Erste­-Hilfe­-Film lief wie automatisiert vor meinen Augen ab. Alle Sinne liefen auf Hochtouren. Entspannen konnte ich mich erst wieder, als die Entwarnung aus dem Krankenhaus kam. Leider be­kommen wir nicht immer eine Info, wie es den Gästen nach einer Rettung geht. Das ist dann sehr heftig für meine Kol­legen und mich, weil wir ja keine Ent­warnung erhalten.

„Die Zwischenmenschlichkeit, die Wärme, das Miteinander­nett­umge­hen – das wird leider immer weniger.“

Schwimmeister Frank Dobirr

Wie haben die Eltern reagiert?

Ich meine mich zu erinnern, dass die Eltern sich bei mir gemeldet und bedankt haben. Aber früher kam öfter, auch mal nach kleineren Unfällen, ein Dankeschön. Heute wird das immer seltener.

Woran liegt das?

In dem Hollywood­-Film „Avatar“ gibt es einen Schlüsselsatz, der die Ent­wicklung ganz gut verdeutlicht. Die Figuren in dem Film sagen dort: „Ich sehe dich als Wesen.“ Das verschwindet in unserer Gesellschaft. Es wird nicht mehr die Person gesehen, sondern nur noch der Nutzen, der Vorteil, der aus ihr gezogen werden kann. Und was man an die Person abgeben, damit man sich selbst aus der Verantwortung ziehen kann.

Die Zwischenmenschlichkeit, die Wärme, das Miteinander­nett­umge­hen – das wird leider immer weniger. Und seien es nur kleine Gesten im All­tag, wie auch einem Fremden die Tür aufzuhalten.

„Ich hole die Menschen aus ihrem Alltag heraus“

Was tun Sie dagegen?

Wenn ich an der Kasse sitze, macheich mir oft einen Spaß mit den Leuten. Wenn eine Familie kommt und 13,70 Euro bezahlen muss, sage ich 1370 Cent. Sie gucken dann erst mal erschrocken, weil die Summe so riesig ist, ehe es ih­nen klar wird. Ich hole sie erst mal aus ihrem Alltag heraus. Die Menschen sind oft im Kopf noch ganz woanders, sodass sie völlig hektisch hier herein­ kommen und sofort in die Sauna stür­men wollen. Ich sage ihnen dann: „Kommen Sie erst einmal an, die Sauna ist ein Bereich der Ruhe.“

Das Lebenist so schnell, was auch wieder mit den Smartphones und der permanenten Errreichbarkeit zu tun hat, dass die Leute sich überhaupt nicht mehr erholen.

Was geben Sie den Hamburgern mit auf den Weg ins Bad?

Nehmt Rücksicht auf die anderen. Alle sollen Spaß haben. Aber es gibt Spielregeln. Wer von der Kante ins Was­ser springt, sollte vorher nachsehen,ob da auch niemand im Wasser ist. Er­wachsene sollten ein positives Vorbild für die Kinder sein. Und hört bitte auf die Anweisungen des Personals. Wir wollen nur sichergehen, dass jeder wie­der heil nach Hause kommt.

Dieses Interview ist erstmalig im Juli 2019 erschienen


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