Hamburger des Monats: Werner Nothof

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Werner Nothof ist Stromsparhelfer beim Stromspar-Check der Caritas. Ein Gespräch über alte Gerät und neue Perspektiven. (©Werner Nothof)

Werner Nothof ist Stromsparhelfer beim Stromspar-Check der Caritas. Er berät kostenlos Haushalte mit niedrigen Einkommen, wie sie ihren Verbrauch senken können. Ein Gespräch über alte Geräte, neue Perspektiven und rekordverdächtige Rückzahlungen

Interview: Markus Gölzer

Gratulation, Herr Nothof. Stromsparhelfer dürften aktuell zu den gefragtesten Berufsgruppen zählen. Was genau machen Sie bei Stromspar-Check?

Werner Nothof: Ja, im Moment ist richtig was los bei uns. Wir sind ja alle keine Ingenieure, sondern haben eine hundertstündige Schulung zum Stromsparhelfer gemacht. Jetzt versuchen wir, bei Hausbesuchen den Leuten zu helfen, Strom zu sparen. Zuerst kucken wir mit den Leuten zusammen die Rechnung durch: Wie viel Strom verbraucht dieser Haushalt pro Jahr? Dann sehen wir uns die Wohnung an: Wo sind die Stromverbraucher? Zum Beispiel der Kühlschrank: Wie alt ist er? Wir nehmen die Daten auf und ermitteln im Internet, wie viel er verbraucht pro Jahr.

Wenn das Gerät älter als zehn Jahre ist und der Besitzer kauft ein neues, energieeffizientes Gerät, kann er über uns von der Stadt Hamburg 100 Euro Energiesparprämie ausbezahlt bekommen. Wenn das neue Gerät mehr als 200 Kilowattstunden pro Jahr einspart, winkt sogar eine Prämie von 200 Euro. Dann kucken wir natürlich: Sind da noch irgendwo alte Lampen? Beim nächsten Besuch bringen wir neue LEDs mit – alles kostenfrei.

An wen wendet sich das Angebot von Stromspar-Check?

An Arbeitslosengeld-II-Empfänger, das berühmte Hartz IV. Dazu auch an Leute, die Grundsicherung, Kinderzuschlag oder Wohngeld kriegen. Und an alle, die ein Einkommen unter dem Pfändungsfreibetrag haben.

„Sie können Dienstagvormittag anfangen“

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Seit 2008 und der Einführung von Hartz IV gibt es den Stromspar-Check der Caritas (©unsplash/Julian Hochgesang)

Wie sind Sie Stromsparhelfer geworden?

Etwas kurios. Ich bin gelernter Maurer, hab 30 Jahre auf dem Bau gearbeitet.  Anfang 50 waren die Verschleißerscheinungen in den Knien so stark, dass ich nicht mehr arbeiten konnte. Ich habe über die Rentenversicherung eine Reha-Maßnahme gemacht, da waren aber keine guten Angebote dabei. Jobs wie Hausmeister gingen mit den Knien einfach nicht mehr.

Mit 54, nach zwei Monaten in Harz-IV-Bezug, hat mich das Jobcenter an das Jobcenter Ü-50 überwiesen. Der Herr, bei dem ich einen Termin hatte, war nicht da. Darüber war ich sehr erbost. Wenn man als Klient nicht hinkommt, kriegt man gleich eine dreimonatige Sperre. Der Herr hatte zwei Telefonnummern von mir und es nicht für nötig gehalten, mir kurz Bescheid zu geben. Ich habe mich dann wohl etwas laut auf dem Flur dazu geäußert. Eine Frau im Nebenzimmer hatte das mitgehört. Sie sagte: „Kommen Sie mal rein, mein Klient hat abgesagt, ich habe gerade Zeit.“ Wir sind ins Gespräch gekommen, sie hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, es bei Stromspar-Check zu versuchen. Ich hatte noch nie davon gehört, klang aber interessant. Ich habe meine erste E-Mail-Bewerbung losgeschickt und wurde zum Bewerbungsgespräch eingeladen.

Das lief dann nicht gut, wie zumindest ich fand. Dann habe ich erfahren, dass es außer mir noch sechs Bewerber gibt. Da habe ich innerlich schon abgewunken. Mein zukünftiger Teamleiter meinte, sie würden mir auf alle Fälle vor dem Wochenende Bescheid geben. Freitagvormittag hat er mich angerufen und gesagt: „Sie können Dienstagvormittag anfangen.“

„Wir haben jeden Tag Kontakt mit anderen Leuten“

Dann haben Sie mit Mitte 50 noch mal ein komplett neues Kapitel aufgeschlagen.

Jaaa! Ein Riesenglück gehabt. Das ist eine schöne Aufgabe. Ich war nie computeraffin, aber wir müssen ja hier mit Rechner arbeiten, die Dateneingaben machen. Das ist schon hochinteressant. Und wir haben jeden Tag Kontakt mit anderen Leuten.

Sie haben selbst schwierige Zeiten durchlebt. Ist das hilfreich im Umgang mit Haushalten mit geringem Einkommen?

Das war die Bedingung, dass wir den Job bekommen haben. Wir mussten über 50 Jahre und im Leistungsbezug sein. Das Arbeitslosengeld I war schon nicht toll, aber ALG II geht an die Substanz. Natürlich haben wir Verständnis für die Leute. Und wir sagen nicht einfach, du musst dir einen neuen Kühlschrank kaufen, um Geld zu sparen. Wo sollen die Leute das Geld hernehmen? Wir können da nur Empfehlungen geben oder Hinweise auf irgendwelche Stiftungen, die Leute unterstützen können. Das gehört zu unserem Job.

„Mit unserer Arbeit wurden schon Hunderttausende Tonnen CO2 eingespart“

Wie viel spart ein Haushalt im Durchschnitt?

Um die 150 Euro pro Jahr. Da spart dann nicht der Haushalt, sondern die Kommunen über Hartz IV oder Grundsicherung. Für die tun wir auch was Gutes. Neben Geld wurden mit unserer Arbeit schon Hunderttausende Tonnen CO2 eingespart. Wir haben ungefähr 400.000 Haushalte in ganz Deutschland durch den Stromspar-Check beraten. Den Stromspar-Check gibt’s seit 2008 und wurde auch wegen Hartz IV eingeführt.

Wegen Hartz IV?

Ja, das war der Auslöser. Die Leute bekommen bei Hartz IV Wohnung, Heizung und Wasser bezahlt. Den Strom müssen sie von ihrem Regelsatz bezahlen. Der war damals nicht ganz 400 Euro, und davon waren knapp 30 Euro für Strom eingepreist. Das reichte bei vielen Haushalten vorne und hinten nicht. Da hat die Caritas zusammen mit der Bundesregierung dieses Projekt gestartet und seitdem gibt’s das.

„Nach zwei Wochen hatten die Leute 2600 Euro auf dem Konto“, erzählt Werner Nothof.

Was war die größte Ersparnis, die Sie rausgeholt haben?

Ich habe Anfang 2022 einem Haushalt innerhalb von zwei Wochen zur Rückzahlung von 2600 Euro durch den Stromversorger verholfen. Das war mein persönliches Highlight. Das war toll! Aus irgendwelchen Gründen hat der Versorger eine maschinelle Schätzung vorgenommen. Das kommt vor. Zum Glück konnte ich an den Zähler gehen und den Zählerstand mit der Stromrechnung vergleichen. Völlig unterschiedlich. Die Leute sprachen nicht gut Deutsch, dann habe ich mit deren Erlaubnis beim Stromversorger angerufen. Der hat zugesagt, das innerhalb von zwei Wochen zu klären: Nach zwei Wochen hatten die Leute 2600 Euro auf dem Konto. Das darf ihnen das Jobcenter auch nicht wegnehmen, denn das hatten sie vorher ja zu viel bezahlt.

„Mir wird bewusst, wie viele ältere Menschen bitter wenig Geld haben“

Was lieben Sie besonders an Ihrem Job?

Die Abwechslung. Vormittags bin ich im Büro, nachmittags besuche ich die Haushalte. Das ist schön. Ich kann mit Bus und Bahn durch die Gegend fahren. Man sieht ganz andere Ecken, in die man sonst nie kommt. Wir machen ganz Hamburg, mal ist man in Bergedorf, mal in Harburg, mal in Lurup. Wir bearbeiten die ganze Stadt.

Haben Sie das Gefühl, dass die Hilfsbedürftigen mehr werden?

Ganz ehrlich gesagt: Ja. Das ist mir früher nicht so klar gewesen. Seit ich diesen Job mache, wird mir bewusst, wie viele ältere Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben oder Frauen, die Kindererziehungszeiten hatten, alleine dastehen und bitter wenig Geld haben. Ich denke schon, dass das mehr wird.

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