Hamburger Nachwuchs: Zwischen Forschung und Fortnite

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Stolze Jugend-forscht-Preisträgerin: Aruna Sherma (Foto: Stiftung Jugend forscht)

Aruna Sherma, 17, holte mit ihrer Arbeit über die Erforschung alternativer Kontrastmittel für die Kernspintomografie (MRT) den 1. Preis im Landeswettbewerb von Jugend forscht 2019 und diverse Sonderpreise. Moritz Ahrens, 18, sicherte sich mit Julian Jochens, 19, den 2. Preis samt Sonderpreis für ihr selbstfahrendes Fahrrad „Velo Autonomus“. SZENE HAMBURG sprach mit Aruna und Moritz über ausgezeichnetes Forschen und Tüfteln

Interview: Markus Gölzer

SZENE HAMBURG: Aruna und Moritz, herzlichen Glückwunsch! Warum genau diese Projekte?

Moritz: Das war einfach eine lustige Idee, die mein Partner Julian und ich interessanterweise gleichzeitig hatten. Das war im Sommer 2018. Dann haben wir im Rahmen einer freien Projektarbeit in der Schule gesagt: „Lass uns das machen!“

Aruna: Ich habe mich mit Halbleitern, Magnetismus und speziell Kernmagnetismus beschäftigt. Der kommt in der MRT zum Einsatz. Ich bin durch Zufall auf einen Artikel über die Toxizität von MRT-Kontrastmitteln gestoßen. Dann habe ich geschaut: Was ist ein Kontrastmittel? Was muss das können? Dabei bin ich auf Nanotechnologie gestoßen und fand das einen vielversprechenden Ansatz für ein weniger belastendes Kontrastmittel.

Was war eure Motivation, bei Jugend forscht mitzumachen?

Aruna: Ich kannte den Wettbewerb gar nicht. Mein Betreuer im Schülerforschungszentrum (SFZ) hat mich aufmerksam gemacht. Ich habe mich dann einfach angemeldet. Mein Projekt war erst sechs Monate jung. Ich hatte nicht erwartet, dass ich soweit komme. Während des Wettbewerbs habe ich dann realisiert, dass ich gar nicht so schlecht bin, wie ich dachte.

Moritz: Ich war im Jahr davor schon mit einem anderen Projekt dabei, und dann haben wir uns überlegt: Hm. Das Projekt ist umfangreich und hat Potenzial. Wenn wir das schon als Projektarbeit machen, können wir das auch für Jugend forscht verwenden. Sportlicher Ehrgeiz war auch dabei. Wenn man bei einem Wettbewerb mitmacht, hat man Stress, und unter Stress kann man besser arbeiten. Und man kann gucken, was andere so Cooles machen.

„Sachen zusammengewürfelt ohne viel Ahnung“

Wie wurdet ihr unterstützt?

Moritz: Die Schule war eine große Unterstützung. Eine Lehrerin begleitete die Projektarbeit, eine andere kümmerte sich um den Wettbewerb. Sie war eingetragene Projektbetreuerin bei Jugend forscht und hat einen 3-D-Drucker für uns organisiert. In manchen Schulen werden Wahlkurse Jugend forscht angeboten, und die nehmen dann mit zehn Projekten teil. Meine Eltern waren schon deshalb eine Unterstützung, weil sie immer ertragen haben, dass Fahrrad, Schweißgerät und anderes Zeug den Flur blockieren.

Aruna: Ich habe zu Hause rumexperimentiert, Sachen zusammengewürfelt ohne viel Ahnung, was ich eigentlich tue. Es ist viel kaputtgegangen. Dann hat mir mein Klassenlehrer das Schülerforschungszentrum (SFZ) empfohlen. Er und eine andere Lehrerin haben einen Termin für mich vereinbart, ohne dass ich davon wusste. Plötzlich kam der Anruf: Aruna, Dienstag um 17 Uhr bist du im SFZ. Da war ich natürlich aufgeregt, weil ich nicht wusste, was mich erwartet. Aber dann war das wirklich ein guter Ort zum Arbeiten. Ich habe meinen Betreuer kennengelernt, der wollte, dass ich eine Leitfrage entwickle. Also genau sage, was ich machen will. Ich habe spontan gesagt: „Ich mache irgendwas mit Magnetismus.“ Auch mein Mathelehrer hat mich stark unterstützt. Ich bin nicht gut in Rechtschreibung, und er hat meine Arbeiten korrigiert. Er war immer da. Wenn ich ihm etwas geschickt habe, kam das innerhalb einer Stunde korrigiert zurück.

Wie seid ihr mit der Doppelbelastung aus Schule und Forschung klargekommen?

Moritz: Das ging eigentlich. Ich hatte sowieso das Glück, dass mir Schule immer leichtgefallen ist. Von daher hat das alles gepasst. Wir durften teilweise in der Woche vor Jugend forscht aus dem Unterricht raus und an dem Projekt weiterarbeiten.

Aruna: Das war schwierig, weil ich im Nebenjob auch noch kellnere. Zudem habe ich einen Schulweg von einer Stunde. Es war ziemlich stressig und ist ziemlich stressig. Meine Laborzeiten für Jugend forscht waren während der Unterrichtszeiten, weil meine Betreuer an der Uni abends keine Zeit hatten. Ich musste mich oft freistellen lassen, was dazu führte, dass ich viel Unterricht verpasst habe.

Gab es Momente, in denen ihr ans Aufhören dachtet?

Aruna: Ich hatte mir ein Gerät mit Temperaturregler und Sensoren gebaut. Ich wollte das magnetische Verhalten von verschiedenen Metallen untersuchen, um festzustellen, welche Materialien ich verwenden kann. Aber das Gerät hat einfach nicht funktioniert. Ich wusste nicht, warum, und das hat mich ziemlich entmutigt. Eine Zeit lang kam ich gar nicht weiter. Da fragte ich mich, ob ich vielleicht mal was anderes ausprobieren sollte. Informatik oder Mathematik vielleicht.

Moritz: Na ja. Wenn man den ersten Zeitplan ansieht, wären wir jetzt schon dreimal fertig. Es läuft eigentlich kaum was, wie man sich das im ersten Moment gedacht hat. Die Stützräder sind jetzt in der dritten oder vierten Version, weil sie entweder abgebrochen oder abgeknickt sind. Der Motor war anfangs zu klein. Der hat es gar nicht geschafft, anzufahren. Wir haben für alles mindestens zwei Anläufe gebraucht, aber dann doch weitergemacht.

Welche Pläne habt ihr nach der Schule?

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Auch Moritz Ahrens (l.) und Julian Jochens wurden für ihr Projekt prämiert

Moritz: Mein Plan ist, nächstes Jahr im Wintersemester anzufangen, zu studieren. Es wird wohl Maschinenbau. Julian und ich können uns gut vorstellen, unser Projekt weiter zu betreiben. Vielleicht sprechen wir mal mit Fahrradherstellern. Im Moment ist das aber noch ein Spaßprojekt.

Aruna: Mein Traum ist die Forschung, aber ich finde die momentanen Bedingungen in Deutschland nicht so toll. Mir ist das zu unsicher mit diesen ganzen befristeten Verträgen. Ich weiß nicht, wie ich meine Zukunft planen soll, wenn ich nicht weiß, ob ich in zwei Jahren noch meinen Job habe. Da bin ich am Schwanken, ob ich nicht in die Wirtschaft gehe. Mein Zweitstudienwunsch neben Physik wäre Ingenieurwesen. Alles MINT-Studiengänge, die nach wie vor von Männern dominiert sind.

Wie sind da eure Erfahrungen?

Moritz: Ich bin mir nicht sicher. Ich habe aber nicht erlebt, dass man zu Jugend forscht fährt und Jungs da bevorzugt behandelt werden. Wenn es um Förderung in der Schule geht, wird drauf geachtet, dass das ungefähr ausgeglichen ist. Die Initiative NAT, die sich um die Förderung von Naturwissenschaften bei Schülerinnen und Schülern kümmert, hat das Programm mint:pink. Da werden explizit Mädchen angesprochen, um sie für Naturwissenschaften zu begeistern.

Aruna: Tatsächlich habe ich an der Uni gearbeitet und noch nie eine weibliche Physikerin gesehen. Es fällt auf, aber ich habe noch keine Probleme damit gehabt. Ich habe gehört, dass man als Frau unterschätzt wird von den männlichen Kollegen, aber ich habe es selbst zum Glück noch nicht erlebt. Ich glaube, das Hauptproblem liegt in der Kindheit. Es heißt ja schon früh, Jungs könnten besser logisch denken, Mädchen wären talentierter in Sprachen. Solche Vorurteile halten sich und beeinflussen einen in Schule und Studium.

Was macht ihr, wenn ihr nicht forscht?

Aruna: Ich mag Video-Ballerspiele wie Counterstrike oder GTA.

Moritz: Ich spiele seit ewigen Zeiten Klavier. Bevorzugt Klassik und Jazz.

Was gebt ihr Leuten mit auf den Weg, die bei Jugend forscht mitmachen wollen?

Moritz: Ich glaube, es ist so ein Ding von Technikprojekten, dass man einfach so drauflos baut. Uns wurde bei den Wettbewerben gesagt, man könnte noch wissenschaftlicher rangehen. Wir haben mehr ausprobiert und sind weniger methodisch rangegangen. Schon unsere Vision, ein autonomes Fahrrad zu bauen, war ein dicker Brocken. Wenn man an allen Fronten gleichzeitig kämpft, kommt man nicht unbedingt weiter. Man muss sich strukturieren und auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Bei uns zum Beispiel gingen zuerst nur die Blinker. Das Fahrrad konnte nicht fahren. Das war nicht so schlau.

Aruna: Ich würde mit viel Selbstvertrauen reingehen. Nicht von anderen Projekten beeindrucken lassen. Ich habe mich da eingeschüchtert gefühlt und hatte das Gefühl, dass das ein Hindernis war in meinem Vortrag. Ich konnte weniger frei sprechen. Man darf ruhig überzeugt sein von dem, was man macht. Egal, was die anderen machen.

jugend-forscht.de


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