Catherine Claussen von Strays of Streets: „Man kann so viele Sachen machen im Tierschutz“

Catherine Claussen ist im Vorstand von Strays of Streets. Der Verein vermittelt Tierschutzhunde aus dem Ausland nach Deutschland. Ein Gespräch über Hunde, Menschen und wie sie zusammenkommen
„Wenn wir können, springen wir ein und helfen“: Catherine Claussen (©Angelica Rey, Pflegestelle bei Strays of Streets e. V.)

SZENE HAMBURG: Catherine, warum sind Hunde die besseren Menschen?

Catherine Claussen: Ich würde das nicht so beschreiben. Ich finde, Hunde sind das Gegenteil von Menschen. Hunde meinen es immer gut, sind nie böse, aber ich verstehe natürlich die Aussage. Ich glaube, Hunde sind die besten Begleiter der Menschen, die nicht miteinander zu vergleichen sind.

Ihr bereist regelmäßig die Slowakei, um Hunde aus dem Tierschutz nach Deutschland zu vermitteln: Ist nicht unbedingt der nächste Weg. Wie kam es dazu? 

Strays of Streets hilft im Ausland und im Inland. Unsere erste Vorsitzende wollte einen Verein aufbauen, in dem Wert auf Transparenz und Nachhaltigkeit gelegt wird. Das Partnerheim dazu hat sie in der Slowakei gefunden, wo sie gesehen hat, wie viel Hilfe gebraucht wird. Gleichzeitig unterstützen wir Tierheime im Inland. Viele Vereine sind nicht so nachhaltig oder transparent, wie sie behaupten. Menschen werden im Stich gelassen, wenn der Hund nicht der Beschreibung entspricht, krank ankommt oder sie gebissen hat. Wenn wir können, springen wir ein und helfen.

Strays of Streets vermittelt Pflegestellen

Was kann schiefgehen bei der Tiervermittlung?

Hunde werden leider oft importiert, als wären sie Objekte. Da kann einiges schiefgehen: Katzenverträglichkeit, Kinderverträglichkeit, Großstadteignung – das erfährt man nur, wenn man Zeit hat, mit dem Hund zu arbeiten. In diesen Tierheimen haben sie keine Zeit. Die Hunde leben unter enormem Stress in Zwingerhaltung mit anderen Hunden. Die können nicht zeigen, wie sie sind. Deswegen arbeiten wir mit Pflegestellen. Die Hunde kommen an, werden erst mal eingeschätzt von einer Pflegestelle. Auch wenn du einen Hund adoptieren willst, kannst du dich als Pflegestelle bei uns anmelden. Der Hund lebt bei dir, dann kannst du dich nach ein paar Wochen entscheiden, ob das passt. Du wirst nie allein gelassen mit dem Hund.

Braucht man als Pflegestelle Erfahrung mit Hunden?

Es gibt unendlich viele Persönlichkeiten, die man retten kann. Auch Anfängerhunde. Selbstverständlich muss man Verständnis für die Hundekommunikation mitbringen oder die Bereitschaft, das gemeinsam mit dem Hund zu lernen. Wir würden niemals einen Hund, der anspruchsvoll ist, in eine unerfahrene Pflegestelle schicken.

Warum sind die Hunde im Tierheim gelandet?

Es gibt die unterschiedlichsten Gründe. Einer ist oft: Der Hund hat gebissen – ab ins Tierheim. Wir versuchen uns ein Bild zu machen. Hunde beißen nicht unbedingt, weil sie aggressiv sind. Andere Gründe: Der Hund ist zu groß geworden, ist krank geworden, die Familie kann sich ihn nicht mehr leisten. Oft ist es einfach zu viel Arbeit gewesen. Manchmal hat die Hündin einen ungewollten Wurf bekommen und dann sind die Welpen abgegeben worden. 

Im Tierschutz gibt es auch Rassehunde

Bis zu welchem Alter kann man Hunde noch erziehen?

Bei einem älteren Hund geht’s nicht mehr so doll um die Erziehung, sondern um andere Sachen. Kannst du diesem Hund eine Struktur bieten? Passt dein Alltag zu dem Hund? Bist du viel unterwegs? Ältere Hunde hatten oft schon ein Zuhause, sind stubenrein und kennen gewisse Strukturen bereits. Da sieht’s bei Welpen anders aus. Die müssen alles lernen. Es gibt immer Vor- und Nachteile (lacht).

Was spricht für einen Hund aus dem Tierheim, was für einen Rassehund vom Züchter?

Man muss überlegen. Was bin ich für ein Mensch? Was brauche ich? Wenn ich einen Kinderwunsch habe: Hole ich mir einen Hütehund, der gezüchtet wurde, um Schafe zu kontrollieren? Da habe ich das Problem, dass sich meine Kinder nicht mehr frei im Haus bewegen können. Es gibt Hütehunde, Herdenschutzhunde, Jagdhunde und auch Familienhunde. Man muss erst mal anfangen: Was brauche ich für einen Hund? Dann kann man beim Züchter gucken. Oder man kann sehr, sehr viele Hunde beim Tierschutz finden, die genau die Persönlichkeit haben, die man sucht. 

Es gibt unendlich viele Persönlichkeiten, die man retten kann

Catherine Claussen

Macht ihr im Vorfeld eine Art Wesensprüfung?

Wir testen so oft wie möglich. Man kann auch die Pflegestelle besuchen und gucken: Passt der zu mir? Man muss sich bewusst sein: Wenn man zum Züchter geht, unterstützt man die Zucht. Wenn man einen Hund aus dem Tierschutz nimmt, hilft man auch der Pflegestelle, die frei wird für den nächsten Hund. Und dem Tierheim, weil es jetzt Platz hat für einen anderen Hund in der Not. Das ist eine nachhaltige Art, Gutes zu tun. Die Leute sagen oft: Beim Tierschutz gibt es keine Rassehunde und ich möchte halt einen Cockerspaniel. Gibt es auch alles. Es gibt so viele Leute, die sich den Hund vom Züchter holen und dann abgeben. Das Tierheim ist voll mit reinrassigen Hunden, weil ihre Besitzer einfach anspruchsvoll waren. 

Strays of Streets finanziert sich aus Spenden

Ihr bietet Hunde zur Adoption an. Heißt das, ich muss anders als beim Züchter nichts bezahlen?

In Deutschland ist es üblich, dass man eine sogenannte Tierschutzgebühr bezahlt. Bei uns sind das 490 Euro. Da ist einiges mit drin. Du bekommst einen Hund, der gechippt, geimpft, manchmal auch kastriert ist. Die Transportkosten von der Slowakei nach Deutschland werden damit gedeckt. Tests werden durchgeführt. Man bekommt einen Hund, der eine Basis mit sich bringt. Und manchmal – wenn der Hund zum Beispiel noch nicht kastriert ist – deckt diese Tierschutzgebühr ein bisschen was ab für den nächsten Hund, der vielleicht krank war oder eine OP braucht. Aber es ist nie so, dass von dieser Tierschutzgebühr viel übrig bleibt. Die geht direkt in den Verein und deckt andere Kosten.

Wie finanziert ihr euch sonst?

Ausschließlich aus Spenden. Wir sind elf Mitglieder in unserem Verein, wachsen aber langsam. Je mehr Mitglieder wir werden, desto mehr haben wir auch zur Verfügung, weil man als Mitglied natürlich auch eine kleine Summe bezahlt. Man muss aber kein Mitglied sein, um uns zu unterstützen. Man kann Pflegestelle sein, man kann im Bereich Social Media Webseiten gestalten, pflegen helfen. Man kann so viele Sachen machen im Tierschutz.

Was sind das für Menschen, die Hunde adoptieren? Gibt es einen bestimmten Typus?

Wir haben die gute und die schlechte Seite. Wir bekommen oft Anfragen von Menschen, die Kosten sparen möchten. Beim Züchter kriegst  du ab 1.000 Euro einen Welpen. Bei uns für die Tierschutzgebühr. Wenn wir bestimmte Rassen – Yorkshire, Terrier, Pudel, Allergikerhund – auf der Seite vorstellen, kommen oft Anfragen, bei denen wir sehen: Jemand will diese Rasse, aber nicht vom Züchter, weil zu teuer. Das blocken wir ab. Die gute Seite ist, dass viele Menschen kommen, die einem Hund helfen wollen, die verstanden haben, was es bedeutet, einen Hund zu adoptieren. Das sind unsere Lieblingsfälle. 

Ehrenamtliches Engagement ist möglich

Sind Hamburgerinnen und Hamburger besonders tierlieb?

(Lacht) Ich würde das nicht pauschalisieren. Ich glaube, Deutschland ist ziemlich tierlieb. Ich komme aus Chile. Dort wäre es seltsam, seinen Hund ins Büro mitzunehmen. Hier ist es schon einigermaßen normal, dass viele Menschen sagen: Ich möchte nicht irgendwo arbeiten, wenn ich meinen Hund nicht mitbringen kann. Das gibt es in anderen Ländern nicht. Wo ich noch viel Potenzial sehe, ist beim Thema Vermieter. Superschwierig. Oft hören wir: „Wir würden so gern Pflegestelle sein, aber der Vermieter erlaubt es leider nicht.“ Das wäre super, wenn es irgendwann normal wäre, dass Mensch und Hund zusammen wohnen dürfen, wenn sie wollen.

Ein Satz zum Abschluss, den du hier gern sehen würdest? 

Eine Sache, die ich gerne sagen würde: Unser Ziel ist es, dass mehr junge Menschen Interesse haben, im Tierschutz zu helfen. Viele Millennials oder Gen Z wissen nicht, dass sie sich auch im Tierschutz ehrenamtlich engagieren können. Das wäre mein Wunsch, dass das kommuniziert wird. Bei Strays of Streets sind alle im Schnitt um die 30. Teilweise studieren wir, teilweise haben wir auch Familien. Trotzdem engagieren wir uns, bilden so eine kleine Community. Das würde mir sehr am Herzen liegen, dass andere Menschen sich motivieren, da mitzumachen. 

Strays of Streets

Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 10/2024 erschienen. 

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